Teilerfolg für Stromnetzbetreiber: Xgen muss neu festgelegt werden

17. März 2022 -

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am 16.03.2022 zum Aktenzeichen VI-3 Kart 612/19 [V], VI-3 Kart 72/19 [V], VI-3 Kart 392/19 [V], VI-3 Kart 147/19 [V], VI-3 Kart 53/19 [V], VI-3 Kart 932/18 [V], VI-3 Kart 637/19 [V], VI-3 Kart 169/19 [V], VI-3 Kart 191/19 [V], VI-3 Kart 227/19 [V], VI-3 Kart 294/19 [V], VI-3 Kart 294/19 [V], VI-3 Kart 526/19 [V], VI-3 Kart 128/19 [V] entschieden, dass in den Verfahren gegen die Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors (Xgen) für die dritte Regulierungsperiode durch die Bundesnetzagentur die Beschwerden zahlreicher Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen zu einem Teilerfolg geführt haben.

Aus der Pressemitteilung des OLG Düsseldorf vom 17.03.2022 ergibt sich:

Der 3. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist der Auffassung, dass die Bundesnetzagentur die Höhe des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors im Sinne des § 9 Abs. 3 der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) im Wesentlichen deswegen rechtswidrig ermittelt hat, weil sie den sog. Betrachtungszeitraum (Stützintervall) beurteilungsfehlerhaft ausgewählt hat. Die Bundesnetzagentur wurde verpflichtet, über die Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen für die dritte Regulierungsperiode in der Anreizregulierung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Im Rahmen der Anreizregulierung werden von den Regulierungsbehörden die Erlösobergrenzen bestimmt, die mithilfe des Verbraucherpreisgesamtindex an die allgemeine Geldentwicklung mit einem Zweijahresverzug jährlich angepasst werden. Die Anpassung geschieht unter Einbeziehung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors, der sich aus der Abweichung des netzwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts vom gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der gesamtwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung von der netzwirtschaftlichen Einstandspreisentwicklung ergibt. Während der Verordnungsgeber den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor für Gas- und Stromnetzbetreiber für die erste Regulierungsperiode auf 1,25 % und für die zweite Regulierungsperiode auf 1,5 % jährlich festgelegt hat, hat seit der dritten Regulierungsperiode die Bundesnetzagentur den generellen sektoralen Produktivitätsfaktor jeweils vor Beginn einer Regulierungsperiode für die gesamte Regulierungsperiode nach Maßgabe von Methoden, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen, zu ermitteln. Die Ermittlung hat unter Einbeziehung der Daten von Netzbetreibern aus dem gesamten Bundesgebiet für einen Zeitraum von mindestens vier Jahren zu erfolgen.

Am 28.11.2018 hatte die Bundesnetzagentur den Beschluss zur Festlegung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors für die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen (Az. BK4-18-056) erlassen und diesen unter Anwendung zweier unterschiedlicher Berechnungsmethoden auf 0,90 % festgesetzt. Gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur hatten ca. 500 Netzbetreiber bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde eingelegt. Der 3. Kartellsenat hat unter der Leitung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Frister in 13 repräsentativen Musterverfahren entschieden.

Nach Auffassung des Senats ist die Bestimmung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors bei einer der angewandten Berechnungsmethoden mit Blick auf den von der Bundesnetzagentur gewählten Betrachtungszeitraum – das sogenannte Stützintervall – von 2006 bis 2017 wegen der Einbeziehung des Jahres 2006 als rechtsfehlerhaft zu beanstanden. Das Stützintervall erweist sich im Rahmen der erforderlichen Plausibilisierung wegen der Einbeziehung des Jahres 2006 unter verschiedenen Gesichtspunkten als nicht hinreichend aussagekräftig und belastbar. Andere Stützintervalle erscheinen als Prognosegrundlage deutlich überlegen. Damit genügt die den maßgeblichen Betrachtungszeitraum betreffende Auswahlentscheidung der Bundesnetzagentur nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Ermittlung des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors.

Die zahlreichen weiteren von den Beschwerdeführerinnen gegen die Festsetzung erhobenen Einwendungen hat der Senat dagegen nicht für begründet erachtet.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zugelassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung haben und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.