Telepathische Partnerrückführung: LG Düsseldorf erklärt Vertrag für sittenwidrig

27. August 2025 -

Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 06.06.2025 (Az. 9a O 185/24) sorgt für Aufmerksamkeit: Ein selbsternannter Hellseher warb damit, verlassene Partner telepathisch zurückzubringen – und verlangte dafür je nach gewünschter Geschwindigkeit einen Preis im fünfstelligen Bereich. Das Gericht befand diese Geschäftspraxis für sittenwidrig und den Vertrag somit für nichtig. Im Folgenden fassen wir den Fall verständlich zusammen, erläutern die rechtliche Bewertung nach § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und geben praxisorientierte Hinweise für Anbieter und Verbraucher.

Sachverhalt: Hellseher verspricht Partnerrückführung für 13.000 €

Eine junge Mutter wurde von ihrem Partner – dem Vater ihres neun Monate alten Babys – verlassen und befand sich in einer emotional verzweifelten Lage. Auf der Suche nach Hilfe stieß sie im Internet auf die Website eines Hellsehers, der neben klassischem Wahrsagen (Handlesen, Tarot usw.) auch „zukunftsgestaltende“ Dienste anbot. Darunter befand sich insbesondere die „telepathische Partnerrückführung“, also das vermeintliche Zurückbringen eines Ex-Partners durch energetisch-übernatürliche Kräfte. Dieser Dienst wurde in Paketen verkauft – gestaffelt nach Schnelligkeit: Wer die Rückkehr des Ex-Partners innerhalb eines Monats wünschte, sollte rund 20.000 € zahlen; bei zwei Monaten wurden 13.000 € verlangt, und eine Wartezeit von zehn Monaten war für etwa 8.000 € im Angebot.

Die Frau entschied sich nach einer kurzen telefonischen Erstberatung (Kostenpunkt 300 €) für das 2-Monats-Paket und überwies dem Hellseher die geforderten 13.000 €. Der Anbieter versprach, innerhalb dieser Frist telepathisch zu bewirken, dass ihr Ex-Partner wieder bei ihr anklopfen würde. Doch das Ergebnis blieb aus: Zwei Monate vergingen, ohne dass der Ex-Freund zurückkehrte – kein Lebenszeichen, keinerlei Erfolg. Als der Kundin klar wurde, dass sie offensichtlich hinters Licht geführt worden war, wandte sie sich an das Gericht und verlangte ihr Geld zurück. Mit Erfolg: Das Landgericht Düsseldorf gab ihrer Klage statt und verurteilte den Hellseher zur Rückzahlung der 13.000 €.

Rechtliche Bewertung durch das LG Düsseldorf (§ 138 BGB)

Rechtlich wurde der Fall an § 138 BGB gemessen, der sittenwidrige Rechtsgeschäfte für nichtig erklärt. Sittenwidrig bedeutet hier, dass ein Geschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Das LG Düsseldorf stufte den Vertrag genau als solchen Verstoß ein und erklärte ihn für sittenwidrig und damit unwirksam. Der Hellseher habe die verletzliche emotionale Lage der verlassenen Mutter bewusst ausgenutzt, so die Richterinnen. Die Kundin befand sich in einer schweren Lebenskrise und glaubte an die Versprechungen des Hellsehers – dies machte sie besonders anfällig. Zwar ist es rein rechtlich nicht grundsätzlich verboten, auch objektiv „unmögliche“ Dienstleistungen vertraglich zu vereinbaren. Doch wenn eine Partei sich in einer derart verzweifelten Situation befindet und emotional abhängig gemacht wird, dürfen die Maßstäbe für die Sittenwidrigkeit* nicht zu hoch angesetzt werden.

Zur Untermauerung verwies das LG Düsseldorf auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) in ähnlichen Fällen. So hat der BGH in einem Fall um Lebensberatung durch Kartenlegen ebenfalls ein sittenwidriges Geschäft angenommen. Er führte aus, dass viele Menschen, die sich auf solche Dienste einlassen, in einer schwierigen Lebenssituation seien oder leichtgläubig, unerfahren oder psychisch labil, und dass man in solchen Fällen keine allzu hohen Anforderungen an einen Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) stellen dürfe. Mit anderen Worten: Die Schwelle zur Sittenwidrigkeit ist bei der Ausnutzung emotionaler Notlagen niedriger.

Warum galt der Vertrag als sittenwidrig und nichtig?

Ausbeutung einer Notlage und unmögliche Leistung: Das Gericht stellte klar, dass der Hellseher die Verzweiflung der Kundin schamlos zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Die Frau befand sich in einer Notlage und suchte Hilfe – der Hellseher versprach ihr eine objektiv unmögliche Leistung (einen telepathisch herbeigeführten Liebesrückkehr) und koppelte diese an eine exorbitant hohe Zahlung. Ein solcher Vertrag verstößt gegen die guten Sitten, weil er auf einem krassen Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung beruht. Tatsächlich stand das Honorar von 13.000 € in auffälligem Missverhältnis zur versprochenen „Leistung“. Das Gericht merkte sogar an, dass es kaum möglich sei, einen angemessenen Preis für etwas festzulegen, das gar nicht real erbracht werden kann – aber bei fünfstelligen Summen ist die Grenze eindeutig überschritten. Hier liegt eine nahe Verwandtschaft zum Wucher (§ 138 Abs. 2 BGB) vor: Die verzweifelte Lage der Kundin wurde ausgenutzt, um ihr eine völlig überhöhte Zahlung abzuverlangen.

Täuschende Vertragsgestaltung: Der Hellseher versuchte sich vor Gericht damit zu verteidigen, dass er angeblich nur eine allgemeine „spirituelle Lebensberatung“ angeboten habe. Das LG Düsseldorf glaubte ihm jedoch nicht. Die Kundin konnte glaubhaft darlegen, dass ausdrücklich eine Partnerrückführung vereinbart worden war – sogar die Chatprotokolle belegten die konkreten Paketpreise aus dem Angebot des Hellsehers. In der mündlichen Verhandlung bestätigten die Aussagen der Beteiligten ebenfalls diese Vereinbarung. Der Hellseher behauptete schließlich noch, die Chat-Verläufe seien „manipuliert“ worden, doch auch das hielt das Gericht für eine abwegige Schutzbehauptung.

Rechtsfolge – Vertrag nichtig: Da der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit unwirksam ist, besteht keine Verpflichtung zur Zahlung. Bereits gezahltes Geld ist ohne Rechtsgrund erfolgt und kann zurückgefordert werden. Genau das war hier der Fall: Nach Auffassung des LG Düsseldorf war der Vertrag nichtig, und die 13.000 € waren ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, sodass der Hellseher sie an die Kundin zurückerstatten muss. Wichtig ist dabei: Der Rückforderungsanspruch der Frau war nicht durch gesetzliche Ausnahmen ausgeschlossen. Insbesondere greift hier § 814 BGB (der Rückforderung ausschließt, wenn man bewusst ohne Schuldpflicht zahlt) nicht: Die Kundin habe nämlich tatsächlich geglaubt, der Hellseher könne ihren Ex-Partner zurückbringen, und dachte daher, sie müsse ihn dafür bezahlen. Sie zahlte also im Glauben an einen gültigen Vertrag – gerade deshalb durfte sie ihr Geld rechtlich zurückverlangen.

Bedeutung für Anbieter spiritueller und esoterischer Dienstleistungen

Das Urteil ist ein deutliches Warnsignal an Anbieter von Hellseherei, Partnerrückführungen, Wunderheilungen und ähnlichen esoterischen Diensten. Grundsätzlich ist es zwar nicht verboten, spirituelle oder übernatürliche Dienste gegen Bezahlung anzubieten – die Vertragsfreiheit lässt viel Spielraum, auch für Leistungen, deren Wirkung wissenschaftlich nicht erwiesen ist. Der Bundesgerichtshof hat 2011 klargestellt, dass auch für Dienstleistungen auf paranormaler Grundlage grundsätzlich ein Entgelt vereinbart werden kann, solange beide Seiten sich bewusst sind, dass der Erfolg rational nicht erklärbar ist. Aber: Sobald ein Anbieter erkennbar die Leichtgläubigkeit oder Notlage eines Kunden ausnutzt und konkrete, garantierte Erfolge durch Übersinnliches gegen hohe Vorauszahlung zusagt, verlässt er den rechtlich zulässigen Rahmen. Verträge, die auf solchen Versprechen basieren, werden vor Gericht voraussichtlich nicht standhalten.

Für die Praxis bedeutet das: Anbieter esoterischer Dienste sollten auf Ehrlichkeit und Zurückhaltung achten. Wer lediglich allgemeine Lebensberatung oder Unterhaltung anbietet – etwa Kartenlegen zur Lebenshilfe oder als Jahrmarkts-Show – bewegt sich in einem rechtlich unproblematischen Bereich. Solche Angebote, bei denen keine konkreten Ergebnisse garantiert werden und die oft für moderates Honorar erfolgen, gelten als zulässige Dienstleistungen oder Unterhaltung. Dagegen verstößt es gegen die guten Sitten, verzweifelten Menschen gegen viel Geld unhaltbare Heilsversprechen zu machen. Anbieter sollten keine Erfolgsgarantien für übersinnliche Leistungen geben, realistische Erwartungen kommunizieren und vor allem keine exorbitanten Vorauszahlungen verlangen. Andernfalls riskieren sie nicht nur ihren Ruf, sondern auch, dass ihre Verträge nichtig sind – mit der Konsequenz, erhaltenes Geld zurückzahlen zu müssen (wie im besagten Fall geschehen).

Hinweise für Verbraucher: unseriöse Angebote erkennen

Wie können Verbraucher solche sittenwidrigen Angebote im Voraus erkennen? Einige Warnsignale können helfen, unseriöse esoterische Verträge zu entlarven:

  • Überzogene Vorauszahlungen: Es werden hohe Geldbeträge im Voraus verlangt – oft mehrere tausend Euro –, bevor überhaupt eine Wirkung eintritt. Im vorliegenden Fall sollten über 000 € gezahlt werden, noch bevor irgendein Erfolg sichtbar war. Solch ein auffälliges Missverhältnis von Preis und versprochener Leistung ist verdächtig.
  • Unrealistische Erfolgsversprechen: Der Anbieter garantiert übernatürliche Ergebnisse (z.B. Liebeszauber, Partnerrückführung, Wunderheilung) in einem konkreten Zeitrahmen. Bei rationaler Betrachtung sind solche Erfolge objektiv unmöglich – kein Dritter kann etwa den freien Willen eines Ex-Partners durch Magie brechen. Versprechungen, die wie eine „Geld-zurück-Garantie“ für Glück und Liebe klingen, sind juristisch höchst zweifelhaft.
  • Ausnutzung emotionaler Notlagen: Der Anbieter zielt offensichtlich auf verzweifelte oder trauernde Kunden Er betont etwa, nur seine Methode könne in der aktuellen Lebenskrise helfen, und setzt Kunden damit unter Druck. Wenn Ihre Verletzlichkeit oder Unerfahrenheit vom Vertragspartner als Geschäftsgrundlage benutzt wird, sollten Alarmglocken schrillen.
  • Mangelnde Transparenz: Oft fehlen klare schriftliche Verträge oder es gibt nur vage Beschreibungen der Leistung. Unseriöse Anbieter halten Details bewusst schwammig (etwa was genau getan wird, welche Erfolgschancen bestehen), um sich später herausreden zu können. Bestehen Sie immer auf Nachvollziehbarkeit: Wer etwas Legitimes anbietet, kann dies auch klar erklären.
  • Weitere Forderungen nach Scheitern: Spätestens wenn ein zunächst versprochener Erfolg ausbleibt und der Anbieter daraufhin noch mehr Geld für ein „weiteres Ritual“ oder eine Zusatzleistung verlangt, sollten Verbraucher das Weite suchen. Solches Nachschieben weiterer Kosten ist ein typisches Muster bei betrügerischen „Hilfsangeboten“.

Rechtliche Einordnung: Verträge, die auf solchen unseriösen Angeboten beruhen, sind in der Regel nichtig. Gerichte haben wiederholt entschieden, dass für objektiv unmögliche Leistungen wie Liebeszauber oder Partnerrückführungen keine Zahlungspflicht besteht – insbesondere dann, wenn der Erfolg ausbleibt. Das bedeutet: Verbraucher sind nicht dauerhaft an solche Verträge gebunden. Wer feststellt, dass er einem irreführenden Versprechen aufgesessen ist, kann rechtlich seine Zahlungen verweigern bzw. bereits Geleistetes zurückfordern. Im Zweifel sollte man nicht zögern, fachkundigen Rat einzuholen, anstatt aus Scham weiter zu zahlen. Die Gerichte zeigen sich in solchen Fällen verbraucherfreundlich: Im Düsseldorfer Fall musste der Hellseher das komplette Honorar zurückzahlen, weil kein gültiger Vertrag vorlag.

Was tun, wenn bereits gezahlt wurde? – Empfehlungen für Betroffene

Wenn Sie sich in einer ähnlichen Lage befinden und bereits Geld für eine vermeintlich „übersinnliche“ Dienstleistung gezahlt haben, sollten Sie aktiv werden. Folgende Schritte sind empfehlenswert:

  • Beweise sichern: Sammeln und speichern Sie alle Unterlagen – Vertragstexte, Quittungen, E-Mails, Chat-Verläufe –, die den vereinbarten Leistungsumfang und die Versprechen des Anbieters dokumentieren. Diese Beweise sind wichtig, falls Sie Ihre Ansprüche später durchsetzen müssen.
  • Keine weiteren Zahlungen leisten: Stoppen Sie umgehend alle weiteren Überweisungen. Lassen Sie sich nicht darauf ein, zusätzliches Geld nachzuschießen, selbst wenn der Anbieter behauptet, es seien noch weitere Rituale oder Schritte nötig, weil der erste Versuch „nicht ausgereicht“ habe. Diese Forderungen dienen oft nur dazu, Sie immer weiter zur Kasse zu bitten.
  • Schriftlich Rückzahlung fordern: Kontaktieren Sie den Anbieter schriftlich (per E-Mail oder Brief) und fordern Sie Ihr Geld zurück. Teilen Sie mit, dass Sie den Vertrag wegen Sittenwidrigkeit für nichtig halten und daher eine Rückerstattung Setzen Sie eine angemessene Frist für die Rückzahlung. Bleiben Sie sachlich, aber bestimmt. (In manchen Fällen erledigt sich die Sache schon an diesem Punkt – seriöse Anbieter werden eine Rückabwicklung nicht kategorisch verweigern.)
  • Rechtsrat einholen: Zögern Sie nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, insbesondere wenn der Anbieter nicht reagiert oder die Rückzahlung verweigert. Wenden Sie sich an eine Verbraucherzentrale oder einen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin* mit Erfahrung im Vertragsrecht. Diese Stellen können Ihre Lage einschätzen und Sie bei den nächsten Schritten unterstützen.
  • Gerichtliche Schritte prüfen: Als letztes Mittel kommt eine Klage auf Rückzahlung des gezahlten Betrags in Betracht. Lassen Sie sich hierzu von einem Profi beraten – oft genügt schon die Androhung rechtlicher Schritte, um den Anbieter zum Einlenken zu bewegen. Falls es zum Prozess kommt, stehen die Chancen erfahrungsgemäß gut: Wie der vorliegende Fall zeigt, konnte die Kundin vor Gericht die Erstattung von 13.000 € erfolgreich durchsetzen. Das Urteil des LG Düsseldorf dürfte auch anderen Gerichten als präzedenzartige Orientierung dienen, vergleichbare Verträge als nichtig anzusehen.

Verbraucher, die auf fragwürdige esoterische Angebote hereingefallen sind, sind nicht machtlos. Das Gesetz – insbesondere § 138 BGB – schützt vor Verträgen, die gegen die guten Sitten verstoßen. Wichtig ist, schnell zu handeln: Je eher Sie reagieren, desto größer die Chance, Ihr Geld zurückzubekommen. Scheuen Sie sich nicht, im Zweifel rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Düsseldorfer Urteil sendet eine klare Botschaft: Übersinnliche Versprechen gegen horrende Bezahlung haben vor Gericht keinen Bestand. Verbrauchern steht in solchen Fällen das Recht zur Seite – und skrupellosen Anbietern droht am Ende ein böses Erwachen.