Textbausteine allein genügen nicht: 146 Seiten Berufungsbegründung unzulässig

Das Oberlandegericht Köln hat mit Beschluss vom 18.08.2020 zum Aktenzeichen 15 U 171/19 darauf hingewiesen, dass eine Berufungsbegründungsschrift, die sich weitgehend aus Textbausteinen und Urteilsversatzstücken zusammensetzt und auf das angegriffene erstinstanzliche Urteil – wenn überhaupt – „sporadisch“ eingeht, den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt.

Aus der Pressemitteilung des OLG Köln Nr. 37/2020 vom 25.08.2020 ergibt sich:

Die Klägerin hatte im Zusammenhang mit dem „Dieselskandal“ Hersteller und Verkäufer des Fahrzeugs auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das LG Köln hatte die Klage wegen Bedenken an der Substantiierung abgewiesen. Daraufhin hat die Klägerin Berufung beim OLG Köln eingelegt.

Das OLG Köln hat darauf hingewiesen, dass eine Berufungsbegründungsschrift, die sich weitgehend aus Textbausteinen und Urteilsversatzstücken zusammensetzt und auf das angegriffene erstinstanzliche Urteil – wenn überhaupt – „sporadisch“ eingeht, den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Die entsprechende Berufung hat es als unzulässig verworfen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ergeben sich die Anforderungen an eine Berufungsbegründungsschrift aus § 520 ZPO. Danach müsse deutlich werden, inwieweit das Urteil angefochten werde und welche Abänderungen beantragt werden (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Es müssten die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (Nr. 2). Weiter müssten konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begründen (Nr. 3), benannt werden. Schließlich müssten neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie die Tatsachen, aufgrund derer sie zuzulassen seien, bezeichnet werden (Nr. 4).

Trotz des stolzen Umfangs von 146 Seiten sei die Begründung der Berufung nicht ausreichend. Um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden, müsse eine Berufungsbegründung nämlich auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Diese Anforderung sei nicht erfüllt. Vielmehr ähnle die Darstellung teilweise einem allgemeinen Rechtsgutachten zur Dieselkrise mit umfassend Ausführungen zur „Historie“, wohingegen die im vorliegenden Fall primär zu prüfenden Fragen ausgeblendet worden seien.

In der Berufungsbegründung fehle jeder Einzelfallbezug und jede Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil. Der Schriftsatz verwende die geschlechtsneutrale Formulierung „die Klagepartei“ und sei ersichtlich so aufgebaut, dass er pauschal zur Begründung jedweder gegen einen Hersteller von Dieselfahrzeugen gerichteten Klage genutzt werden könne. Die konkreten Formulierungen ließen sogar erkennen, dass viele Textbausteine schon im Ansatz nicht für eine Berufungsbegründung, sondern für eine erstinstanzliche Klage gedacht gewesen seien. Die Schreibvorlage habe offenbar sowohl Euro 5- als auch Euro 6-Fahrzeuge verschiedener Motorentypen abdecken sollen. Dem Gericht seien in dem Schriftsatz teilweise alternativ zu lesende Auswahlbegründungen vorgegeben worden, ohne dass man sich die Mühe gemacht habe, sich in den Textbausteinen zumindest am Ende fallbezogen festzulegen. So sei beispielsweise unter Beweisantritt ausgeführt worden, bei dem Fahrzeug sei „kein/ein“ Ad-Blue-Tank verbaut.

Dem Oberlandesgericht seien damit nur in sich geschlossene Textbausteine vorgetragen worden, aus denen er sich das Gebotene selbst hätte heraussuchen müssen. Wie wenig Mühe man sich gemacht habe, zeige auch, dass in der Berufungsbegründung der Umfang der Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils („über den bereits zugesprochenen Umfang hinaus“), das Datum des angefochtenen Urteils und der Kaufpreis des Fahrzeugs unrichtig wiedergegeben worden seien. Insgesamt habe sich die Berufungsbegründung mit dem Urteil des offenbar als „Durchlaufstation“ empfundenen Landgerichts im Einzelnen gar nicht mehr auseinandersetzt, sondern darauf gesetzt, dass das Berufungsgericht sich aus den mannigfachen Textbausteinen und dem Sachvortrag nach dem Gießkannenprinzip selbst das Passende „heraussuchen“ werde.

Auch wenn man – ausdrücklich – keine überzogen strengen Anforderungen an die inhaltlichen Anforderungen an eine Berufungsbegründung stellen wolle, genüge dieser Schriftsatz den gesetzlichen Anforderungen jedoch nicht.