Überzahlte Rente nach Todesfall: Sozialgericht Konstanz bestätigt Rückzahlungspflicht der Erben

07. August 2025 -

Wenn ein Familienmitglied verstirbt, stellt sich oft die Frage, was mit seiner Rente passiert. Ein aktuelles Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.07.2025 (Az. S 2 R 165/24) gibt hierzu eine wichtige Orientierung – besonders für Erben oder potenzielle Erben. Das Gericht entschied über die Rückforderung von Rentenzahlungen, die nach dem Tod eines Versicherten bzw. nach dessen amtlicher Todeserklärung weitergezahlt worden waren, und zeigte dabei klar auf, welche Rechte und Pflichten Erben in solchen Fällen haben. Im Folgenden erläutern wir verständlich den Fall, die zugrunde liegende Rechtsfrage und welche Lehren Erben daraus ziehen können.

Worum ging es in dem Fall?

In dem Konstanzer Fall geht es um einen Rentner, der vor über einem Jahrzehnt spurlos verschwand. Der Mann ging im Sommer 2011 bei einem Badeausflug im Bodensee unter; seine Leiche wurde trotz Suche nie gefunden. Zunächst wurde er als verschollen geführt, und die Rentenversicherung hatte die Rentenzahlungen nach Bekanntwerden des Unglücks vorläufig eingestellt. Später – noch vor einer offiziellen Todeserklärung – nahm die Rentenkasse die Zahlungen wieder auf und zahlte sogar rückwirkend rund 42.000 € aus, jedoch ausdrücklich unter Rückforderungsvorbehalt. Das heißt, es wurde bereits damals schriftlich darauf hingewiesen, dass die Rente nur vorläufig gezahlt wird und zurückgefordert wird, falls der Versicherte doch als verstorben erklärt wird.

Im Jahr 2015 trat dann genau dieser Fall ein: Der Mann wurde amtlich für tot erklärt, rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Verschwindens. Daraufhin verlangte die Rentenversicherung die ab diesem Zeitpunkt zu Unrecht gezahlten Renten zurück. Zunächst holte sie etwa 33.000 € direkt vom Bankkonto des Verschwundenen zurück (dort hatten sich noch Rentenzahlungen angesammelt). Anschließend forderte sie mit Bescheid die restlichen ca. 32.000 € von den Erben – in diesem Fall die drei Kinder des Mannes – zurück.

Die Erben, also die Kinder, wehrten sich gegen diese Rückforderung. Sie zogen vor Gericht und brachten vor, dass ein Großteil des Geldes längst ausgegeben sei. So seien erhebliche Beträge etwa für den Werterhalt des Hauses des Vaters aufgewendet worden, außerdem für die Verwaltung seines Vermögens während der Verschollenheit (sogenannte Abwesenheitspflegschaft) sowie für verschiedene Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Todesfeststellungsverfahren. Nach Meinung der Erben hätte man diese Kosten anrechnen und die Rückzahlungssumme reduzieren oder ganz darauf verzichten müssen. Schließlich habe die Familie das Geld ja nicht “verprasst”, sondern für den Nachlass und den Lebensunterhalt verwendet.

Zentrale sozialrechtliche Frage: Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Rente?

Im Kern drehte sich der Rechtsstreit um die Frage, ob die Deutsche Rentenversicherung zu Recht die nach dem Tod des Versicherten weitergezahlten Rentenbeträge von dessen Erben zurückfordern darf. Sozialrechtlich ist hier entscheidend, dass Renten grundsätzlich nur bis zum Tod der berechtigten Person gezahlt werden dürfen – sie enden mit dem Tod des Rentners bzw. mit der amtlichen Todesfeststellung. Alle Zahlungen, die über den rechtskräftig festgestellten Todeszeitpunkt hinaus erfolgen, gelten als “zu Unrecht erbracht” und können vom Rentenversicherungsträger zurückgefordert werden.

Für solche Fälle sieht das Gesetz ausdrücklich ein Rückforderungsrecht vor. Nach § 50 Abs. 2 Sozialgesetzbuch X in Verbindung mit § 118 Abs. 4 SGB VI darf der Rentenversicherungsträger zu viel gezahlte Rentenbeträge von den Erben zurückverlangen, wenn – wie hier – die Rentenzahlung über den Tod hinaus ging und unter einem entsprechenden Rückzahlungsvorbehalt stand. Im vorliegenden Fall war genau dies gegeben: Die Rente war nach dem später festgelegten Todesdatum weitergeflossen und es war von Anfang an schriftlich festgehalten, dass eine Rückforderung erfolgen würde.

Das Sozialgericht Konstanz hatte also zu prüfen, ob alle Voraussetzungen für die Rückforderung erfüllt waren und ob möglicherweise Gesichtspunkte wie Vertrauensschutz zugunsten der Erben oder andere besondere Umstände der Rückzahlungspflicht entgegenstehen.

Entscheidung des Gerichts: Erben müssen die Rente erstatten

Das Sozialgericht entschied zugunsten der Rentenversicherung und wies die Klage der Erben ab – die Kinder mussten die Rente zurückzahlen. Zur Begründung stellte das Gericht vor allem darauf ab, dass kein Vertrauensschutz zugunsten der Erben greift. Denn den Erben musste bekannt sein, dass Renten nicht über den Tod hinaus gezahlt werden. Zudem enthielt bereits der Rentenbescheid von 2015 den deutlichen Hinweis, dass die Wiederaufnahme der Rentenzahlung nur vorläufig erfolgt und im Falle einer Todeserklärung eine Rückforderung erfolgen wird. Wer – so das Gericht sinngemäß – von vornherein mit einer möglichen Rückzahlung rechnen musste, kann sich später nicht darauf berufen, er habe auf den dauerhaften Verbleib des Geldes vertraut. Rechtlich schützenswertes Vertrauen der Erben lag hier also nicht vor.

Weiter stellte das Gericht klar, dass es keine Rolle spielt, wofür die Erben das Geld ausgegeben haben. Selbst wenn die überzahlte Rente vollständig in den Unterhalt des Vermissten, die Instandhaltung seines Hauses oder die Sicherung des Nachlasses geflossen ist, ändert das nichts an der Rückzahlungspflicht. Die Erben können sich nicht darauf berufen, das Geld sei “weg” oder im Sinne des Verstorbenen verwendet worden – solche Aufwendungen müssen nicht von der Versichertengemeinschaft getragen werden. Besonders wichtig: Auch finanzielle Belastungen durch die jahrelange Verschollenheit rechtfertigen keinen Verzicht auf die Rückforderung. Das Gericht anerkannte zwar, dass die Situation für die Familie schwierig und langwierig war, betonte aber, dass dies allein in der Sphäre der Erben liege und kein Grund sei, die gesetzlichen Regeln aufzuweichen.

Mit anderen Worten: Auch tragische oder außergewöhnliche Umstände ändern nichts daran, dass die gesetzlichen Vorgaben strikt gelten. Rentenzahlungen enden mit der amtlichen Todesfeststellung – selbst wenn der Tod erst Jahre später offiziell erklärt wird und zuvor nur vermutet wurde. Überzahlte Rentenbeträge verbleiben nicht im Nachlass, sondern müssen an die Rentenkasse zurückgeführt werden. Für die Familie bedeutete das im Ergebnis den Verlust eines beträchtlichen Betrags, der zunächst Teil des Nachlassvermögens zu sein schien.

Bedeutung des Urteils für Erben

Das Konstanzer Urteil hat Signalwirkung für Erben und potenzielle Erben. Es bestätigt nachdrücklich, dass laufende Renten nicht vererbbar sind – Rentenansprüche sind höchstpersönlicher Natur und enden mit dem Tod des Berechtigten. Zahlungen über den Tod hinaus werden als “überzahlt” betrachtet und können konsequent zurückgefordert werden. Erben können also nicht darauf hoffen, fortgezahlte Rente behalten zu dürfen, auch wenn diese irrtümlich oder vorläufig ausbezahlt wurde. Solche Beträge gehören nicht zum Nachlass und dürfen von den Erben nicht verwendet werden – selbst nicht für Beerdigungskosten oder andere Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Nachlass.

Der Fall macht zudem deutlich, dass Erben gesamtschuldnerisch haften: Geht die Rentenkasse gegen die Erben vor, kann sie sich grundsätzlich an jeden Miterben halten, bis die volle Summe zurückgezahlt ist. Im vorliegenden Fall wurden zwar zunächst nur der älteste Sohn und hilfsweise die Erbengemeinschaft als Ganzes im Bescheid adressiert, doch letztlich haften alle Erben gemeinsam für die Rückzahlung. Haben mehrere Erben geerbt, müssen sie also damit rechnen, dass einer von ihnen für die gesamte Summe in Anspruch genommen werden kann und dann intern Ausgleich von den Miterben verlangen muss.

Ansprüche nach dem Tod eines Versicherten können Erben nur in sehr begrenztem Umfang geltend machen. Nicht verwechseln: Erben haben nicht einfach Anspruch darauf, die laufende Rente des Verstorbenen weiterzuerhalten – diese erlischt mit dem Todesmonat. Allerdings steht die Rente dem Verstorbenen noch bis zum Ende des Monats des Todes zu. Das heißt, die Zahlung für den Sterbemonat selbst kann in den Nachlass fallen. Beispielsweise wenn jemand Mitte März stirbt, wird die Rente normalerweise noch bis 31. März gezahlt – dieses Geld gehört dann zum Nachlass und bleibt den Erben erhalten. Alles darüber hinaus (etwa eine schon überwiesene Rente für den Folgemonat April) ist kein Nachlassvermögen mehr und wird von der Rentenversicherung zurückgefordert. Für Hinterbliebene gibt es statt einer weiterlaufenden Rente andere Ansprüche, z.B. Hinterbliebenenrenten wie Witwen- oder Witwerrenten, oder das sogenannte Sterbevierteljahr (dazu gleich mehr). Regelmäßige Rentenzahlungen an den Verstorbenen selbst enden jedoch mit dessen Tod, und das Urteil des SG Konstanz unterstreicht, dass Erben solche überzahlten Beträge zurückerstatten müssen.

Handlungshinweise für Erben – das sollten Sie beachten

Für Erben oder Angehörige, die sich in einer ähnlichen Situation befinden (etwa wenn ein Rentner verstorben oder verschollen ist), lassen sich aus dem Fall und der Rechtslage einige praktische Ratschläge ableiten:

  • Todesfall umgehend melden: Stellen Sie sicher, dass der Tod eines Rentenbeziehers zeitnah dem Standesamt und damit mittelbar auch der Rentenversicherung mitgeteilt wird. In Deutschland läuft zwar ein automatischer Sterbedatenabgleich, aber eine schnelle Mitteilung – etwa durch Angehörige oder das Pflegeheim – schadet nicht. Dadurch wird verhindert, dass die Rente fälschlicherweise weitergezahlt wird.
  • Überzahlte Rentenbeträge nicht ausgeben: Sollte dennoch eine Rentenzahlung für einen Zeitraum nach dem Tod auf dem Konto eingehen, rechnen Sie nicht damit, dieses Geld behalten zu können. Gesetzlich gehört ein überzahlter Rentenbetrag nicht zur Erbschaft. Die Rentenversicherung bucht solche Beträge in der Regel direkt vom Konto zurück. Nutzen Sie das Geld daher nicht für eigene Zwecke – auch nicht für anstehende Ausgaben wie das Begräbnis –, solange nicht klar ist, ob es Ihnen wirklich zusteht. Im Zweifel halten Sie Rücksprache mit der Rentenversicherung, bevor Sie über das Geld verfügen.
  • Sterbevierteljahr für Ehepartner nutzen: War der Verstorbene verheiratet, hat der hinterbliebene Ehegatte Anspruch auf das Sterbevierteljahr. Dabei zahlt die Rentenversicherung auf Antrag die Rente des Verstorbenen für drei weitere Monate in voller Höhe aus. Diese Zahlung dient als Vorschuss und soll finanzielle Engpässe in den ersten Monaten nach dem Todesfall überbrücken, bis z.B. die Witwen- oder Witwerrente bewilligt ist. Wichtig: Der Antrag auf das Sterbevierteljahr muss innerhalb von 30 Tagen nach dem Tod gestellt werden (z.B. direkt bei der Deutschen Post / Rentenservice mit der Sterbeurkunde). Das Sterbevierteljahr steht allerdings nur dem Ehepartner (bzw. eingetragenen Lebenspartner) zu, nicht Kindern oder anderen Erben.
  • Rückforderungen einkalkulieren: Wenn – wie im besprochenen Fall – eine Person als verschollen gilt oder es Verzögerungen bei der amtlichen Todesfeststellung gibt, sollten Erben vorsorglich davon ausgehen, dass später Nachzahlungen zurückverlangt werden können. Falls Sie als Abwesenheitspfleger*in für den Vermissten fungieren und Rentenzahlungen unter Vorbehalt erhalten, behalten Sie diese Möglichkeit der Rückforderung immer im Hinterkopf. Gehen Sie am besten sparsam und dokumentiert mit dem Geld um. Es kann sinnvoll sein, einen Teil der Beträge für den Fall der Rückzahlung zur Seite zu legen, um nicht in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten, falls die Rentenkasse das Geld zurückfordert.
  • Erbschaft ausschlagen bei Überschuldung: Erben übernehmen nicht nur Vermögenswerte, sondern auch Schulden des Verstorbenen. Eine Rückforderung überzahlter Rente ist rechtlich gesehen eine Nachlassverbindlichkeit, für die die Erben haften. Wenn abzusehen ist, dass die Forderungen (z.B. Rückzahlungen) höher sind als das geerbte Vermögen, sollte man erwägen, die Erbschaft auszuschlagen. Die Ausschlagung muss innerhalb von 6 Wochen nach Kenntnis vom Erbfall erfolgen (§ 1944 BGB). In diesem Fall wären die Erben von der Rückzahlung befreit, verlieren aber natürlich auch jeden Anspruch auf das restliche Erbe. Dieser Schritt will gut überlegt sein – lassen Sie sich im Zweifel von einem Anwalt oder Notar beraten, um keine Fristen zu versäumen. Alternativ kann in bestimmten Fällen auch eine Nachlassinsolvenz oder Nachlassverwaltung beantragt werden, um die Haftung der Erben zu beschränken.
  • Bei Unsicherheit rechtliche Beratung suchen: Jeder Fall ist individuell. Gerade in komplexen Konstellationen – etwa bei langen Verschollenheitsverfahren, hohen Rückforderungsbeträgen oder Unklarheiten über die Rechtslage – ist es ratsam, frühzeitig juristischen Rat einzuholen. Ein im Erb- und Sozialrecht bewanderter Rechtsanwalt kann einschätzen, ob z.B. alle Bescheide rechtmäßig sind, ob es Spielraum für Verhandlungen (Stundung, Ratenzahlung etc.) mit der Rentenversicherung gibt oder ob andere Ansprüche (wie Hinterbliebenenrenten) geltend gemacht werden können. So vermeiden Sie Fehler und können Ihre Rechte optimal wahren.

Beispiel zur Veranschaulichung: Frau M. erhält am 1. August die Rente für den Monat August auf das Konto ihres verstorbenen Vaters überwiesen, obwohl dieser bereits im Juli verstorben ist. Darf sie das Geld behalten?Nein. Diese August-Zahlung ist eine Überzahlung, da die Rentenansprüche ihres Vaters mit Ende Juli (Todesmonat) endeten. Dieser zu viel gezahlte Betrag gehört nicht zum Nachlass und wird von der Rentenversicherung zurückgefordert. Frau M. darf ihn nicht z.B. für die Beerdigung verwenden. Hätte ihr Vater hingegen noch eine Zahlung für Juli (den Sterbemonat) offen gehabt, würde diese zum Nachlass zählen und könnte von den Erben behalten werden. Als Tochter steht Frau M. selbst keine Rente zu, aber ihre Mutter könnte als Witwe das Sterbevierteljahr und Witwenrente beantragen. Dieser Unterschied zeigt, wie wichtig es ist, die Grenzen zwischen Erbansprüchen und Sozialversicherungsansprüchen zu kennen.

Das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21.07.2025 führt plastisch vor Augen, dass gesetzliche Rentenleistungen nicht „vererbbar“ sind, sondern mit dem Tod des Berechtigten enden. Erben sollten sich darauf einstellen, dass überzahlte Renten zurückgezahlt werden müssen – selbst in schwierigen Lebenssituationen wie einer Verschollenheit des Versicherten. Für Erben oder Hinterbliebene ist es daher entscheidend, frühzeitig zu handeln: Behörden informieren, rechtliche Fristen beachten und sich bei Bedarf beraten lassen. Auf diese Weise lassen sich böse Überraschungen – wie eine plötzliche Rückforderung hoher Beträge – vermeiden oder zumindest besser bewältigen. Im Zweifel gilt immer: Lieber aktiv auf die Rentenversicherung zugehen und Klarheit schaffen, als auf eine fortgezahlte Rente zu vertrauen, die man später doch erstatten muss. Denn das Urteil zeigt: Die Rechtslage ist hier eindeutig und dient letztlich dem Interesse der Versichertengemeinschaft, dass keine Leistungen unbegründet ausgezahlt bleiben.