Unleserliche Unterschrift: BGH erklärt Berufung wegen unklarer Signatur für unzulässig

Oft sind es Details, die über Erfolg oder Scheitern eines Rechtsmittels entscheiden. Das bekam ein Rechtsanwalt kürzlich schmerzhaft zu spüren, als seine Berufung wegen einer bloßen Formfrage verworfen wurde. Er hatte die Berufungsschrift lediglich mit einem unleserlichen Namenskürzel unterzeichnet. Das reichte dem Bundesgerichtshof (BGH) jedoch nicht: Die Urheberschaft müsse zweifelsfrei und ohne weitere Ermittlungen erkennbar sein.

Der zugrunde liegende Fall: Berufung mit unleserlichem Namenskürzel

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um einen Nachbarschaftsstreit über eine Videoüberwachung. Die zunächst unterlegene Partei legte Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Berlin-Wedding ein. Ihr neu mandatierter Rechtsanwalt – der in der ersten Instanz nicht beteiligt gewesen war – reichte am letzten Tag der Frist die Berufungsschrift über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) ein. Der Schriftsatz war jedoch weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen noch mit einem lesbar ausgeschriebenen Namen unterzeichnet. Stattdessen befand sich am Ende des Dokumentes lediglich ein kaum entzifferbares handschriftliches Kürzel. Eine maschinenschriftliche Namensangabe oder eine eingescannte lesbare Unterschrift fehlten vollständig. In den folgenden Eingaben in derselben Sache verwendete der Anwalt erneut ein ähnliches unleserliches Namenskürzel. Erst nach einem Hinweis des Gerichts erklärte der Jurist in einem späteren Schriftsatz, er sei Einzelanwalt ohne Mitarbeiter und habe das Dokument selbst unterzeichnet und versandt.

Entscheidung des Landgerichts: Rechtsmittel unzulässig

Das Landgericht (LG) Berlin schöpfte aufgrund der unleserlichen Unterschrift Zweifel an der formwirksamen Einlegung der Berufung. Nach § 130a Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) muss bei Einreichung eines elektronischen Dokuments über das beA die einfache Signatur – also die bloße Namensangabe am Ende des Schriftsatzes – die Identifizierung des Urhebers ermöglichen und dessen Wille bekunden, die Verantwortung für den Inhalt zu übernehmen.

Die Unterschrift des Anwalts W. erfüllte diese Vorgaben nach Ansicht des LG nicht. Sie war nicht lesbar und ließ nicht erkennen, welche Person hinter dem Kürzel steckt. Tatsächlich war dem unleserlichen Gekritzel kein einziger Buchstabe zu entnehmen, der im Namen des Rechtsanwalts W. vorkam. Theoretisch hätte auch ein Kanzleimitarbeiter oder Dritter das Dokument unterzeichnen können. Aufgrund des unleserlichen Kürzels ließ sich dies nicht ausschließen. Da dieser Formmangel bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht behoben war, verwarf das LG Berlin die Berufung folgerichtig als unzulässig (Beschluss vom 27.11.2023, Az. 33 S 14/23).

BGH bestätigt strenge Anforderungen an die Signatur

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat diese Sichtweise in seinem Beschluss vom 24.06.2025 (Az. VI ZB 91/23) voll bestätigt. Er unterstrich, dass an die sogenannte „einfache Signatur“ im elektronischen Rechtsverkehr strenge, aber klare Anforderungen zu stellen sind. Wer – wie in diesem Fall – auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet und stattdessen auf den sicheren Übermittlungsweg beA setzt, muss am Ende des Dokuments seinen vollständigen Namen in einer Weise wiedergeben, die seine Identität eindeutig erkennen lässt. Zwar kann diese einfache Signatur auch maschinenschriftlich erfolgen (etwa indem der Name ausgeschrieben am Schluss des Schriftsatzes steht). Ein bloß eingescanntes, unleserliches Gekritzel genügt jedoch nicht. Die Signatur müsse so gestaltet sein, dass der Empfänger ohne besondere Kenntnisse oder Beweiserhebung feststellen kann, welcher Rechtsanwalt die Verantwortung für das Dokument übernimmt.

Ein Ausschnitt aus der BGH-Entscheidung zeigt das unleserliche Namenskürzel des Anwalts W. (oben rechts). Der Schriftzug beginnt mit einem ovalen Zeichen, das einem „O“ ähnelt, und endet in einer schwungvollen Linie, die an ein kleines „l“ erinnert – doch kein Buchstabe davon findet sich im Namen des Rechtsanwalts wieder. Eine solche unentzifferbare Unterschrift ist nach Auffassung von LG Berlin und BGH nicht geeignet, den Urheber zweifelsfrei zu identifizieren.

Die obersten Zivilrichter betonten daher, dass ein elektronisch eingereichter Schriftsatz mit einer derart unleserlichen Unterschrift als nicht wirksam eingereicht gilt. Damit war das Rechtsmittel mangels wirksamer Unterzeichnung folglich unzulässig. Daran änderte auch der Umstand nichts, dass der Anwalt Einzelkämpfer ohne Personal ist – denn dieser Umstand ergab sich nicht aus dem Schriftsatz.

Der Anwalt versuchte zwar noch nachträglich in einer „bildlichen Erklärung“ seine Unterschrift zu erläutern (siehe Abbildung). Er markierte darin einzelne Striche seines Schriftzugs und ordnete sie vermeintlichen Buchstaben seines Namens zu. Diese Klarstellung kam jedoch zu spät: Das LG hatte die Berufung bereits am Vortag als unzulässig verworfen, und auch der BGH ließ eine nach Fristablauf nachgereichte Erklärung nicht gelten. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragte der Anwalt erst gar nicht – der Fall war damit endgültig verloren.

Praxistipp: So vermeiden Sie Formfehler bei elektronischen Unterschriften

Die Entscheidung des BGH macht deutlich, wie wichtig die Einhaltung formaler Anforderungen im elektronischen Rechtsverkehr ist. Schon ein kleines Versehen – hier eine unleserliche Unterschrift – kann dazu führen, dass ein Rechtsmittel scheitert und der Mandant rechtskräftig verliert. Anwältinnen und Anwälte sollten daher folgende Tipps beherzigen:

  • Namenszug gut lesbar gestalten: Achten Sie darauf, dass Ihre handschriftliche Unterschrift zumindest die wesentlichen Buchstaben Ihres Namens erkennen lässt. Eine verschnörkelte Paraphe, die niemand entziffern kann, ist riskant.
  • Vollständigen Namen angeben: Bringen Sie idealerweise Ihren vollständigen Namen maschinenschriftlich am Ende des Schriftsatzes an. Ein getippter Namenszug (z.B. „RA Max Mustermann“) gilt als einfache Signatur und stellt sicher, dass das Gericht den Urheber klar erkennen kann.
  • Qualifizierte elektronische Signatur erwägen: Wenn Sie häufig fristwahrende Schriftsätze elektronisch einreichen, ziehen Sie die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur in Betracht. Damit ist automatisch sichergestellt, dass Sie persönlich als Unterzeichner feststehen, und Probleme mit der Lesbarkeit stellen sich nicht.
  • Frühzeitig prüfen: Kontrollieren Sie vor dem Versand eines elektronischen Dokuments über beA, ob die Signatur den Anforderungen genügt. Im Zweifel sollten Sie die Unterschrift nochmals sauber leisten oder den Namen zusätzlich ausschreiben.
  • Keine Heilung nach Fristablauf: Seien Sie sich bewusst, dass Formmängel wie eine fehlende oder unzureichende Unterschrift nach Ablauf der Frist nicht mehr korrigiert werden können. Versuchen Sie daher gar nicht erst, solche Mängel „im Nachhinein“ zu erklären – es ist zu spät.

Der BGH-Beschluss vom 24. Juni 2025 führt eindrücklich vor Augen, dass im elektronischen Rechtsverkehr äußerste Sorgfalt geboten ist. Selbst erfahrene Anwälte können an formalen Details scheitern, die leicht vermeidbar gewesen wären. Der sicherste Weg ist, auf eindeutige, lesbare Namensangaben zu achten – sei es in handschriftlicher oder maschinenschriftlicher Form. So stellen Sie sicher, dass Ihre Schriftsätze wirksam bei Gericht eingehen und nicht aus rein formalen Gründen scheitern. Kleinste Nachlässigkeiten können sonst teure Konsequenzen haben.