Unwirksamkeit des Schiedsspruches bei Überschreitung des Gestaltungsspielraums

08. August 2020 -

Das Sozialgericht Stuttgart hat am 02.06.2020 zum Aktenzeichen S 18 KR 4297/16 entschieden, dass Gerichte nicht umfassende Vertragswerke i.S.d. § 132a Abs. 4 SGB V festsetzen, sondern nur punktuell – etwa bei der Höhe der Vergütung – nach dem Maßstab der Angemessenheit entscheiden können.

Aus der Pressemitteilung des SG Stuttgart vom 03.08.2020 ergibt sich:

Die Beteiligten stritten über eine durch einen Schiedsspruch einer Schiedsperson festgesetzte Vergütung für eine von der Beklagten durchgeführte Dauerbeatmung an einer Versicherten der Klägerin. Zwischen den Beteiligten bestand kein Versorgungsvertrag nach § 132a Abs. 4 SGB V, sodass nach gescheiterter Einigung eine Schiedsperson angerufen wurde. Diese setzte durch Schiedsspruch für den Einzelfall lediglich die Zahlung einer der Höhe nach bestimmten Gesamtvergütung für die Dauerbeatmung fest. Gegen diesen Schiedsspruch erhob die Klägerin Klage, mit der sie die offensichtliche Unbilligkeit des Schiedsspruchs geltend machte und dessen Aufhebung bzw. Ersetzung begehrte.

Das SG Stuttgart hat festgestellt, dass nach Sinn und Zweck von § 132a Abs. 4 SGB V und mit Blick auf den der Schiedsperson eingeräumten Gestaltungsspielraum der Schiedsspruch unwirksam ist.

Nach Auffassung des Sozialgerichts ist im Rahmen des Schiedsverfahrens nach § 132a Abs. 4 SGB V kein reiner (konkreter) Leistungstenor, sondern ein (abstrakter) Versorgungsvertrag (oder die Ergänzung eines solchen, falls bereits vorhanden) auszuwerfen. Ein Vertragsgesamtwerk zu gestalten, wenn eine vertragliche Grundlage zwischen den Beteiligten gänzlich fehle und auch eine ausreichende Tatsachengrundlage nicht vorliege, sei nicht Aufgabe der Sozialgerichte, vielmehr sei erneut ein Schiedsverfahren durchzuführen.

Nach dem im Bereich der häuslichen Krankenpflege von § 132a Abs. 4 SGB V normierten Konfliktlösungsmodell werde der Schiedsperson als von den Vertragspartnern bestimmter Schlichter bzw. Vertragshelfer die Befugnis eingeräumt, die Leistung (z.B. Vergütung oder Preise) oder eine Leistungsmodalität (z.B. Beginn oder Ende der Laufzeit des Vertrags) zu bestimmen und so den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen. Hingegen gehe es nicht darum, dass die Schiedsperson Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale für die Vertragspartner verbindlich feststellt.