Urteil des AGH Hamburg zur Bedürftigkeit bei Kammerbeiträgen

03. September 2025 -

Beitragsermäßigung nur bei finanzieller Bedürftigkeit – vollständige Angaben erforderlich

Ein aktuelles Urteil des Anwaltsgerichtshofs (AGH) Hamburg vom 13. Juni 2025 (Az.: AGH II ZU 2/2023 (II-44)) zeigt deutlich, dass eine Reduzierung des jährlichen Kammerbeitrags nur in echten Härtefällen gewährt wird – und dass Antragsteller hierbei absolut ehrlich sein müssen. In dem entschiedenen Fall hatte ein Rechtsanwalt aufgrund angeblich geringer Einkünfte eine Halbierung seines Kammerbeitrags erreicht, allerdings unter Verschweigen weiterer Einnahmen. Die Rechtsanwaltskammer Hamburg gewährte zunächst 50% Ermäßigung, nahm diese jedoch wieder zurück, als im Zuge eines anderen Verfahrens (Verdacht des Vermögensverfalls) deutlich höhere Einkommen und Vermögenswerte des Anwalts ans Licht kamen. Vor Gericht erlitt der Anwalt schließlich eine Niederlage: Der AGH Hamburg bestätigte, dass alle Einkünfte offengelegt werden müssen und dass Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung eine Bedürftigkeit ausschließen. Im Folgenden beleuchten wir die wichtigsten Punkte dieses Rechtstipps, der sich an Kammermitglieder – also Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte – richtet.

Beitragsermäßigung nur bei tatsächlicher Bedürftigkeit

Die meisten Rechtsanwaltskammern sehen in ihrer Beitragsordnung vor, dass der jährliche Kammerbeitrag (Mitgliedsbeitrag) aus Billigkeitsgründen ermäßigt oder erlassen werden kann, sofern die wirtschaftliche Lage des Mitglieds dies gerechtfertigt erscheinen lässt. Bedürftigkeit bedeutet in diesem Kontext, dass die finanzielle Situation der Anwältin oder des Anwalts so eingeschränkt ist, dass die volle Beitragslast eine unzumutbare Härte darstellen würde. Maßstab für die Beurteilung ist jedoch das gesamte Einkommen des Kammermitglieds, nicht nur die anwaltlichen Einkünfte. Mit anderen Worten: Bei der Bedürftigkeitsprüfung werden alle Einnahmequellen berücksichtigt, zum Beispiel:

  • Einkünfte aus anwaltlicher Tätigkeit (selbständige oder angestellte Tätigkeit als Rechtsanwalt),
  • Einkünfte aus nicht-anwaltlicher Arbeit (z.B. Nebentätigkeiten, Angestelltenverhältnisse in anderen Berufen),
  • Renten oder Pensionen,
  • Kapitaleinkünfte (z.B. Zinsen, Dividenden) und
  • Mieteinnahmen (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung).

Nur wenn insgesamt eine tatsächliche finanzielle Bedürftigkeit vorliegt, kommt eine Beitragsermäßigung aus sozialen oder Billigkeitsgründen in Betracht. Eine selektive Betrachtung einzelner Einkunftsarten – etwa nur der Kanzleiumsätze unter Ausblendung weiterer Einkünfte – ist unzulässig. Entsprechend hat der AGH Hamburg klargestellt, dass das Gesamteinkommen zählt und Mitglieder mit erheblichen zusätzlichen Einnahmen in der Regel nicht als bedürftig gelten können.

Pflicht zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben

Wer eine Ermäßigung seines Kammerbeitrags beantragt, muss vollständige und wahrheitsgemäße Angaben über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse machen. In der Regel fordern die Kammern dazu einen Fragebogen oder eine Eigen(er)klärung, in der sämtliche Einkünfte offen zu legen sind. Im Hamburger Fall hatte der Anwalt den Fragebogen zwar ausgefüllt, dabei aber nur sein Anwaltshonorar angegeben und andere Einkunftsarten bewusst „unter den Teppich gekehrt“. Trotz einer unterschriftlichen Bestätigung, dass alle Angaben „richtig und vollständig“ seien, verschwieg er seine Kapitalerträge und Mieteinnahmen.

Diese Pflicht zur ehrlichen Offenlegung ist nicht bloß Formsache – sie ist entscheidend für die Rechtmäßigkeit des Ermäßigungsbescheids. Das Gericht betonte, dass der Anwalt hier wahrheitswidrig seine Angaben als vollständig versichert hatte. Nur bei wahrer und vollständiger Auskunft besteht Vertrauensschutz hinsichtlich eines gewährten Beitragsnachlasses. Anders ausgedrückt: Unvollständige oder falsche Angaben untergraben den Anspruch auf Ermäßigung und können dazu führen, dass ein zunächst bewilligter Rabatt später wieder entzogen wird. Anwältinnen und Anwälte sollten daher bei Antragstellung sämtliche relevanten Einkünfte angeben – selbst wenn man fälschlicherweise glauben sollte, gewisse Einnahmen (wie nicht-anwaltliche) müssten nicht angegeben werden. Ein solcher Irrtum schützt nicht vor den Folgen.

Kapitaleinkünfte und Mieteinnahmen schließen Bedürftigkeit aus

Besondere Beachtung verdient der Aspekt der nicht-anwaltlichen Einkünfte. Der AGH Hamburg stellte unmissverständlich fest: Wer über Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung verfügt, kann nicht zugleich Bedürftigkeit geltend machen. Diese Aussage verdeutlicht, dass solche Einkünfte bei der Beitragsreduzierung voll anzurechnen sind und in aller Regel das Argument entkräften, man könne den Beitrag wegen finanzieller Not nicht zahlen.

Kapitaleinkünfte (z.B. Zinsen, Dividenden oder andere Erträge aus Geldanlagen) und Mieteinnahmen aus Immobilienbesitz zeugen davon, dass ein gewisses Vermögen bzw. zusätzliche Einkommensquellen vorhanden sind. Selbst wenn die originären Kanzleieinkünfte gering ausfallen, können solche zusätzlichen Einnahmen die finanzielle Gesamtlage deutlich verbessern. In dem Hamburger Fall war genau dies der Knackpunkt: Der Anwalt hatte zwar ein niedriges anwaltliches Einkommen angegeben, jedoch parallel u.a. aus Vermietung beträchtliche Einnahmen erzielt. Mit diesen zusätzlichen Mitteln war er objektiv nicht „zu arm“ für den Kammerbeitrag, sodass eine hälftige Reduzierung aus Billigkeitsgründen nicht gerechtfertigt war.

Für die Praxis bedeutet dies: Anwältinnen und Anwälte mit nennenswerten Kapitaleinnahmen oder Mieterträgen werden eine Bedürftigkeits-Ermäßigung des Kammerbeitrags regelmäßig nicht erfolgreich beanspruchen können. Wer über derartige Einkünfte verfügt, sollte gar nicht erst versuchen, diese zu verschweigen, da dies – wie gezeigt – erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Konsequenzen bei unvollständigen Angaben

Die Entscheidung des AGH Hamburg macht klar, welche Konsequenzen drohen, wenn ein Kammermitglied bei der Beitragsreduzierung trickst oder unvollständige Angaben macht. Zunächst einmal kann die Kammer einen bereits gewährten Ermäßigungsbescheid rückgängig machen (zurücknehmen), sobald sie von den falschen Angaben erfährt. Juristisch gesprochen wurde hier ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt – nämlich der auf falschen Angaben beruhende Rabattbescheid – erwirkt, der nach den Verwaltungsvorschriften wieder aufgehoben werden durfte. Die Folge: Der volle Kammerbeitrag wird nachträglich eingefordert. Im Hamburger Fall musste der Anwalt also die zuvor erlassene Hälfte des Beitrags doch noch zahlen (Nachzahlung).

Doch damit nicht genug: Wer versucht, die Kammer zu täuschen, muss auch mit weiteren finanzielle Folgen rechnen. So erhielt der betroffene Anwalt vom AGH zusätzlich eine Widerspruchsgebühr von 360 € aufgebrummt, da er erfolglos gegen die Aufhebung der Ermäßigung vorgegangen war. Auch Gerichts- und Verfahrenskosten können anfallen, wenn man eine Rücknahme nicht akzeptiert und den Rechtsweg beschreitet – im vorliegenden Fall unterlag der Anwalt sowohl im Widerspruchsverfahren als auch vor dem Verwaltungsgericht und dem AGH. Zudem ist sein Vertrauen in den Bestandschutz des zunächst gewährten Vorteils nicht schutzwürdig gewesen, wie das Gericht ausdrücklich betonte. Denn wer einen Vorteil durch Täuschung erlangt, kann sich nachträglich nicht darauf berufen, dieser dürfe bestehen bleiben.

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die eine Herabsetzung ihres Kammerbeitrags beantragen, sollten nur bei echter finanzieller Bedürftigkeit einen solchen Antrag stellen und dabei vollständige Offenheit walten lassen. Alle Einkünfte – egal ob aus Kanzleitätigkeit, Vermietung oder Kapitalanlagen – sind anzugeben. Andernfalls riskiert man nicht nur die Rückforderung des ermäßigten Beitrags, sondern auch zusätzliche Kosten und einen erheblichen Vertrauensverlust. Der AGH Hamburg hat unmissverständlich klar gemacht: Ehrlichkeit zahlt sich aus – Täuschung hingegen kommt Anwältinnen und Anwälten am Ende teuer zu stehen.