Urteilsgründe zum „Kreuzerlass“ sind da

07. September 2022 -

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hat mit Urteilen vom 1. Juni 2022 die Klagen (Az.: 5 N 20.1331) des Bundes für Geistesfreiheit Bayern und München sowie von 25 Einzelpersonen, gerichtet auf Aufhebung von § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) abgewiesen und die Berufungen (5 B 22.674) des Bundes für Geistesfreiheit Bayern und München, gerichtet auf die Entfernung der Kreuze in den Dienststellen des Freistaats Bayern zurückgewiesen.

Die schriftlichen Urteilsgründe liegen nunmehr vor. Ferner wies der BayVGH Anträge auf Zulassung der Berufung (5 ZB 20.2243) von 25 Einzelpersonen zur Entfernung der Kreuze mit Beschluss vom 23. August 2022 im schriftlichen Verfahren ab. Zur Begründung seiner Entscheidungen führt der BayVGH aus, dass die Klagen des Bundes für Geistesfreiheit Bayern und München auf Aufhebung von § 28 AGO (5 N 20.1331) und auf Entfernung der Kreuze (5 B 22.674) zulässig, aber unbegründet seien. Zwar werde durch den Erlass des § 28 AGO bzw. das Anbringen von Kreuzen das objektiv-rechtliche Neutralitätsgebot des Staates nicht gewahrt, weil das Kreuz als Symbol christlich-religiöser Überzeugung und nicht etwa nur als Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur anzusehen sei. Dies begründe jedoch als solches noch keine einklagbaren subjektiven Rechte. Einen Abwehranspruch könnten die Kläger nur dann geltend machen, wenn eines der Grundrechte verletzt sei, aus denen sich die staatliche Neutralitätspflicht herleite. Eine Verletzung der Kläger in ihrem Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit bzw. in ihrem Recht auf Gleichbehandlung liege aber nicht vor. Nach § 28 AGO würden die Kreuze im Eingangsbereich der Dienstgebäude, also in einem Durchgangsbereich angebracht. Behördenbesucher seien nur flüchtig mit solchen Kreuzen konfrontiert; dies unterscheide den vorliegenden Sachverhalt z.B. von Kreuzen in Klassenzimmern. Das im Eingangsbereich staatlicher Dienststellen angebrachte Kreuz sei ein im Wesentlichen passives Symbol ohne missionierende und indoktrinierende Wirkung. Ihm komme keine den christlichen Glauben fördernde und damit die Weltanschauungsfreiheit der Kläger potentiell beeinträchtigende Wirkung zu.

Die Klagen der 25 Einzelpersonen auf Aufhebung von § 28 AGO (5 N 20.1331) seien mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Es bestehe kein Anspruch auf Aufhebung des § 28 AGO, weil es sich um eine Verwaltungsvorschrift handle, die anders als ein Gesetz keine unmittelbare Außenwirkung entfalte. Erst durch den behördlichen Umsetzungsakt der Anbringung eines Kreuzes in einer Dienststelle könne es zu einer Konfrontation mit dem Glaubenssymbol und damit zu einem möglichen Eingriff in das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit kommen.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung von 25 Einzelpersonen zur Entfernung der Kreuze (5 ZB 20.2243) wies der BayVGH im schriftlichen Verfahren ab und bestätigte damit das Urteil des Verwaltungsgerichts München. Zur Begründung führt der BayVGH aus, das Individualrechtschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung sehe keine Möglichkeit zur Klage von Einzelpersonen auf Entfernung aller Kreuze in allen Dienststellen des Freistaats Bayern vor. Vielmehr müsse jeder Kläger darlegen, durch welches konkrete Kreuz in einer bestimmten Dienststelle er sich persönlich beeinträchtigt fühle. An dieser Darlegung habe es bei den Klägern gefehlt.

Gegen die Urteile des BayVGH vom 1. Juni 2022 können der Bund für Geistesfreiheit Bayern und München die vom BayVGH zugelassen Revision, die 25 Einzelpersonen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision jeweils innerhalb eines Monats nach Zustellung der Urteilsgründe zum Bundesverwaltungsgericht einlegen. Gegen den Beschluss des BayVGH vom 23. August 2022 gibt es keine Rechtsmittel.