Verfahren gegen Ärztin wegen Werbung für Schwangerschaftsabbruch – Revision erfolgreich

03. Juli 2019 -

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 27.6.2019 zum Aktenzeichen 1 Ss 15/19 entschieden, dass eine Ärztin, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt und wegen „Werbung“ auf der Internetseite angezeigt und verurteilt wurde, weiter auf den Freispruch hoffen darf, denn zugunsten der Ärztin ist der – nach Erlass des Berufungsurteils – seit dem 29.3.2019 geänderte § 219a StGB anzuwenden. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen lässt sich nicht ausschließen, dass das neue Recht zu einer für die Angeklagte günstigeren Bewertung führt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat deshalb das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Gießen zurückverwiesen.

Aus der Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit der Nr. 36/2019 vom 03.07.2019 ergibt sich:

Die Angeklagte betreibt in Gießen eine Arztpraxis. Sie führt dort Schwangerschaftsabbrüche durch. Über ihre Tätigkeit informiert sie auf ihrer Homepage. Im November 2017 ist sie vom Amtsgericht Gießen wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft (§ 219a StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Gießen verwarf ihre Berufung gegen dieses Urteil (Urteil vom 12.10.2018).

Das Verfahren hatte in Medien und Politik große Aufmerksamkeit hervorgerufen. Durch das „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22.3.2019“ (BGBl I 350) wurde § 219a StGB ein weiterer Absatz (§ 219 a Abs. 4 StGB) angefügt. Er soll für Ärzte, Krankenhäuser und andere Einrichtungen Klarheit und Rechtssicherheit darüber schaffen, unter welchen Voraussetzungen sie straflos öffentlich über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen informieren können (BT-Drs 19/7693).

Die Angeklagte hatte gegen das Urteil des Landgerichts Gießen Revision zum OLG eingelegt. Die Revision führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht. „Das Urteil hat aufgrund der nach Erlass des landgerichtlichen Urteils eingetretenen Gesetzesänderung keinen Bestand“, begründete das OLG die Entscheidung. Da das Revisionsgericht gemäß § 354a StPO bei der Überprüfung des landgerichtlichen Urteils einerseits die neue Gesetzeslage zu berücksichtigen hatte (§ 2 Abs. 3 StGB), andererseits aber an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist, musste das Urteil aufgehoben werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die ergeben, dass die Informationen, die die Angeklagte im Internet über die in ihrer Praxis durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche veröffentlicht hatte, bei Anwendung des neuen Rechts gemäß § 219a Abs. 4 StGB straflos wären.

Die Sache muss daher vor dem Landgericht Gießen nochmals neu verhandelt werden.