Versammlungsverbote der Stadt Kassel bezüglich zweier Gegendemonstrationen suspendiert

19. Juni 2021 -

Das Verwaltungsgericht Kassel hat mit Beschluss vom 18.06.2021 zum Aktenzeichen 6 L 1137/21.KS und 6 L 1138/21.KS den Eilanträgen der Anmelder der für den 19.06.2021 im Innenstadtbereich geplanten Gegendemonstrationen „Für soziale Pandemiebekämpfung, gegen Wissenschaftsleugnung und Verschwörungsideologie“ und „Kassel bleibt solidarisch“ gegen die Verbotsverfügungen der Stadt Kassel vom 15.06.2021 stattgegeben.

Aus der Pressemitteilung des VG Kassel Nr. 9/2021 vom 18.06.2021 ergibt sich:

Wie bereits in der Entscheidung vom 16. Juni 2021 (6 L 1115/21.KS – PM 8/2021) bezüglich der ebenfalls für Samstag geplanten „Querdenker“-Demonstration ausgeführt, geht die Kammer davon aus, dass auf der Basis des aktuellen (deutlich reduzierten) Infektionsgeschehens ein Versammlungsverbot mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz derzeit grundsätzlich nicht in Einklang zu bringen sei. Als mildere Mittel seien Auflagen, namentlich etwa die Verpflichtung zum Einhalten von Mindestabständen, in Betracht zu ziehen. Die Stadt habe die Geeignetheit solcher Maßnahmen nicht mit einer tragfähigen Begründung ausgeschlossen.

Im Unterschied zu der Entscheidung vom 16. Juni 2021 sei bezüglich der hier beabsichtigten Demonstrationen nicht zu erwarten, dass sich Anmelder und Teilnehmer an etwaige Auflagen nicht halten würden. Dies sei aber Voraussetzung dafür, ein (totales) Versammlungsverbot auszusprechen. Die Antragsgegnerin habe keinerlei Belege dafür vorgebracht, dass sich die Gegendemonstranten am 20. März 2021 (vgl. die Beschlüsse vom 18. März 2021 – 6 L 578/21.KS, 6 L 587/21.KS – PM 5/2021), nicht an den Mindestabstand gehalten hätten. Selbst wenn es seitens dieser am 20. März 2021 auch zu einzelnen Verstößen gegen Auflagen gekommen sei, bestünden keine Anhaltspunkte für künftige Auflagenverstöße. Deshalb komme vorliegend ein präventives Verbot nicht in Betracht.

Soweit die Stadt Kassel im Bescheid einen sogenannten polizeilichen Notstand – also eine strukturelle Überforderung der Sicherheitsbehörden – andeute, seien dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht dargelegt.

Gegen den Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu.