Voraussetzung der „arbeitsvertraglichen Nachvollziehung“ eines Tarifwerks unwirksam

14. Mai 2020 -

Das Bundesarbeitsgericht hat am 13.05.2020 zum Aktenzeichen 4 AZR 489/19 entschieden, dass die Parteien eines Tarifvertrags in diesem nicht wirksam vereinbaren können, dass Ansprüche aus dem Tarifvertrag trotz beiderseitiger Tarifgebundenheit nur dann bestehen sollen, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Einführung des Tarifwerks durch eine Bezugnahmeklausel auch individualvertraglich nachvollziehen.

Aus der Pressemitteilung des BAG Nr. 14/2020 vom 13.05.2020 ergibt sich:

Eine solche Bestimmung liege außerhalb der tariflichen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, so das BAG.

Der Arbeitsvertrag der bei der Beklagten beschäftigten Klägerin, welche Mitglied der IG Metall ist, enthält keine Bezugnahme auf Tarifverträge. Die Beklagte war zunächst nicht tarifgebunden, schloss aber im Jahr 2015 mit der IG Metall einen Mantel- und einen Entgeltrahmentarifvertrag, nach denen „Ansprüche aus diesem Tarifvertrag [voraus]setzen …, dass die Einführung des Tarifwerks auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird“. Dazu sollte eine Bezugnahmeklausel mit dem Inhalt vereinbart werden, dass sich das Arbeitsverhältnis „nach dem jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers … geltenden Tarifwerk“ richtet. Das Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags, der u.a. eine Bezugnahmeklausel entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen vorsah, nahm die Klägerin nicht an. Mit der vorliegenden Klage verlangt sie die Zahlung von Differenzentgelt auf der Grundlage der Bestimmungen des Mantel- und Entgeltrahmentarifvertrags.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hatte sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG Erfolg.

Nach Auffassung des BAG stehen der Klägerin schon aufgrund der beiderseitigen Tarifgebundenheit Ansprüche aus den Tarifverträgen zu. Diese könnten nicht von den vorgesehenen individualrechtlichen Umsetzungsmaßnahmen der Arbeitsvertragsparteien abhängig gemacht werden (§ 4 Abs. 1 TVG). Auch das durch § 4 Abs. 3 TVG geschützte Günstigkeitsprinzip stehe einer solchen Regelung entgegen. Die tarifvertraglichen Bestimmungen, die eine „arbeitsvertragliche Nachvollziehung“ verlangen, seien daher unwirksam.