VW und die harte Linie bei Fehlverhalten: Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

01. Oktober 2025 -

Volkswagen verschärft die Disziplinarmaßnahmen bei Fehlzeiten

Der VW-Konzern geht derzeit mit ungewöhnlicher Strenge gegen Pflichtverletzungen von Mitarbeitern vor. Laut einem aktuellen internen Disziplinarbericht wurden im ersten Halbjahr 2025 weltweit 548 Beschäftigte wegen Regelverstößen entlassen, hinzu kamen 2.079 Abmahnungen. Hauptgrund für die Sanktionen ist unentschuldigtes Fehlen – also das sogenannte „Blaumachen“. Insbesondere an den deutschen VW-Standorten zeigte sich ein deutlicher Anstieg: Bereits über 300 Mitarbeiter der Kernmarke VW wurden 2025 in Deutschland wegen unentschuldigter Fehlzeiten gekündigt, was schon jetzt das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht. Und das dürfte erst der Anfang sein: VW rechnet intern mit weiteren Kündigungen im dreistelligen Bereich allein wegen zu vieler Fehlzeiten.

Im firmeneigenen Intranet hat VW seine Belegschaft unmissverständlich gewarnt: Wiederholtes unentschuldigtes Fernbleiben kann zur fristlosen Entlassung führen. „Wer unentschuldigt nicht zur Arbeit kommt, verletzt seine Leistungspflicht“, betonte Volker Fuchs, Leiter Arbeitsrecht im VW-Konzern. In jedem Verhinderungsfall besteht die Verpflichtung, den Arbeitgeber umgehend zu informieren. Hintergrund der verschärften Gangart: Fehlzeiten verursachen bei Volkswagen jährlich Kosten von rund einer Milliarde Euro, wie VW-Markenchef Thomas Schäfer intern mitteilte.

Die Veröffentlichung der Disziplinar-Statistik ist eine Maßnahme, die VW als Reaktion auf frühere Skandale (Stichwort Diesel-Affäre) eingeführt hat. Die Botschaft ist klar: Fehlverhalten wird nicht geduldet und Konsequenzen werden offen kommuniziert. Zwar betreffen Abmahnungen und Kündigungen wegen Regelverstößen rein rechnerisch nur etwa 0,5 % der über 560.000 VW-Mitarbeiter. Dennoch zeigt sich, dass VW in wirtschaftlich angespannten Zeiten deutlich strenger reagiert. Der Konzern verzeichnete im ersten Halbjahr 2025 einen Gewinneinbruch von knapp 30 % und plant bis 2030 den Abbau von 35.000 Stellen allein in Deutschland. In diesem Klima werden Regelverstöße – insbesondere unentschuldigte Fehlzeiten – konsequenter geahndet.

Arbeitsrechtliche Einordnung: Abmahnung und Kündigung bei „Blaumachen“

Unentschuldigtes Fehlen stellt arbeitsrechtlich eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar. Er erscheint nicht zur vereinbarten Arbeitszeit und informiert den Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß – das wird von der Rechtsprechung grundsätzlich als Arbeitsverweigerung gewertet. Arbeitgeber dürfen auf ein solches Verhalten reagieren, allerdings sind bestimmte Voraussetzungen einzuhalten, bevor eine Kündigung vor Gericht Bestand hat.

Grundsätzlich gilt: Bereits einmaliges unentschuldigtes Fernbleiben kann eine Abmahnung rechtfertigen. Schon ein Tag unentschuldigt fehlen kann ernste Konsequenzen nach sich ziehen, nämlich eine schriftliche Abmahnung. Die Abmahnung dient dazu, dass Fehlverhalten deutlich zu rügen und den Arbeitnehmer zu warnen, dass im Wiederholungsfall das Arbeitsverhältnis in Gefahr ist. Arbeitgeber weisen in der Abmahnung unmissverständlich darauf hin, dass bei erneutem Verstoß Kündigung droht.

Eine fristlose (außerordentliche) Kündigung wegen unentschuldigter Fehlzeiten ist zwar rechtlich möglich, aber nur unter strengen Voraussetzungen. In der Regel reicht ein einzelnes Fehlen ohne Entschuldigung nicht für eine fristlose Entlassung aus – zunächst muss abgemahnt werden. Nur beharrliche Arbeitsverweigerung (z.B. tagelanges fortgesetztes Fernbleiben trotz Aufforderung) oder ein erneuter Verstoß nach bereits erteilter Abmahnung können eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Beispiel: Erscheint ein Mitarbeiter trotz einschlägiger Abmahnung wieder unentschuldigt nicht zur Arbeit, kann das als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung angesehen werden. In Extremfällen – etwa, wenn jemand ohne jede Rückmeldung eine ganze Woche fehlt – könnte sogar ohne vorherige Abmahnung sofort gekündigt werden. Allerdings sind solche Fälle selten; in den meisten Fällen wäre eine sofortige Entlassung ohne Abmahnung unverhältnismäßig.

Weitaus häufiger greifen Arbeitgeber zunächst zur ordentlichen (fristgerechten) Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen – und auch dafür ist in aller Regel mindestens eine einschlägige Abmahnung im Vorfeld erforderlich. Das Kündigungsschutzgesetz fordert bei verhaltensbedingter Kündigung eine interessengerechte Abwägung: Die Pflichtverletzung muss erheblich sein, der Arbeitnehmer muss trotz Warnung sein Verhalten nicht gebessert haben, und eine Kündigung darf nur letztes Mittel sein. Einzelne kurze Verspätungen oder einmaliges Zuspätkommen reichen daher meist nicht sofort für eine Kündigung – hier wäre eine Kündigung ohne weitere Abmahnungen oft unverhältnismäßig. Mehrfache Abmahnungen können erforderlich sein, wenn es sich um geringfügigere Verstöße handelt oder besondere Umstände vorliegen. Entscheidend ist immer der Einzelfall: Schwere und Häufigkeit des Fehlverhaltens, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und vorheriges Wohlverhalten spielen eine Rolle.

Im Fall Volkswagen deutet vieles darauf hin, dass das Unternehmen sich strikt an die arbeitsrechtliche Eskalationsstufe hält: Zunächst Abmahnung, dann Kündigung. Die hohe Zahl an Abmahnungen im Verhältnis zu Kündigungen (über 2000 Abmahnungen gegenüber 548 Entlassungen) zeigt, dass viele Mitarbeiter zunächst eine zweite Chance bekommen haben, ihr Verhalten zu bessern. Wer allerdings nach einer Abmahnung erneut unentschuldigt fehlt, muss nun mit entschlossener Kündigung rechnen – im Zweifel auch fristlos, wenn die Störung gravierend ist.

Typische Fehler von Arbeitnehmern bei Fehlzeiten

Viele Arbeitnehmer unterschätzen die Konsequenzen von Fehlzeiten und begehen ähnliche Fehler, die zu Abmahnung oder Kündigung führen können. Zu den häufigsten zählen:

  • Nicht sofort krankmelden: Ein klassischer Fehler ist, im Krankheitsfall den Arbeitgeber nicht unverzüglich zu informieren. Wer morgens merkt, dass er arbeitsunfähig ist, muss sofort Bescheid geben – sei es per Anruf, E-Mail oder gemäß betrieblicher Regelung. Verspätete oder fehlende Krankmeldungen gelten als unentschuldigtes Fehlen und können disziplinarische Folgen haben. Manch einer denkt, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (ärztlicher „Krankenschein“) reiche aus, wenn sie innerhalb von 3 Tagen vorliegt. Aber Achtung: Die Mitteilungspflicht besteht sofort, unabhängig vom Attest. Ein Attest (meist ab dem 4. Krankheitstag, sofern der Arbeitgeber es nicht früher verlangt) ersetzt nicht die sofortige Benachrichtigung. Wer diese Pflicht verletzt, riskiert eine Abmahnung – bei Wiederholung auch die Kündigung.
  • Eigenmächtig frei nehmen (Selbstbeurlaubung): Ein gefährlicher Irrtum ist zu glauben, man könne sich im Notfall auch ohne Genehmigung freinehmen, z.B. einfach Zuhause bleiben oder den Urlaub eigenmächtig verlängern. Nicht genehmigte Urlaubstage oder „Fernbleiben ohne Entschuldigung“ werden als Vertragsbruch gewertet. Auch wenn persönliche Gründe vorliegen – etwa ein familiärer Notfall – darf man nicht einfach der Arbeit fernbleiben, ohne zumindest den Arbeitgeber zu informieren und um Freistellung zu bitten. Selbst ein Tag eigenmächtig „Urlaub“ kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
  • „Blaumachen“ und Täuschung: Wer bewusst krankfeiert (also vorgibt, krank zu sein, obwohl er es nicht ist) oder etwa während einer Krankschreibung verbotene Aktivitäten unternimmt, begeht schweren Vertrauensbruch. Wird man dabei erwischt – zum Beispiel durch einen Detektiv oder weil man öffentlich auftaucht – droht in der Regel die fristlose Kündigung. Gleiches gilt für gefälschte Atteste. Solche Täuschungen gelten als schweres Fehlverhalten.
  • Wiederholtes Zuspätkommen: Auch häufiges Zu-spät-kommen ohne Entschuldigung oder nachvollziehbaren Grund kann sich summieren und als beharrliche Verletzung der Arbeitszeitpflicht geahndet werden. Anfangs gibt es vielleicht „nur“ Ermahnungen oder eine Abmahnung, aber bei regelmäßiger Unpünktlichkeit – gerade nach bereits erfolgter Abmahnung – ist eine verhaltensbedingte Kündigung nicht ausgeschlossen. Ein verbreiteter Irrtum ist, zu glauben, ein paar Minuten täglich seien kein Problem. Doch wenn daraus ein Muster wird, kann der Arbeitgeber auch hier durchgreifen.
  • Abmahnungen auf die leichte Schulter nehmen: Einige Arbeitnehmer tun eine erhaltene Abmahnung als „Papierkram“ ab, ohne Konsequenzen zu ziehen. Das ist ein Fehler. Jede Abmahnung ist eine ernste Warnung. Wer nach einer Abmahnung einfach weitermacht wie bisher oder den Vorwurf ignoriert, begibt sich in große Gefahr. Spätestens ab der zweiten Abmahnung zum gleichen Thema wird es brandgefährlich: Dann kann beim nächsten Vorfall die Kündigung praktisch vorprogrammiert sein. Eine Abmahnung sollte man daher niemals unbeachtet lassen.

Verhaltenstipps: So schützen Sie sich vor Abmahnung und Kündigung

Als Arbeitnehmer kann man einiges tun, um gar nicht erst ins Visier solcher Disziplinarmaßnahmen zu geraten. Prävention und korrektes Verhalten sind der beste Schutz vor Abmahnung und Kündigung:

  • Melden Sie sich bei Verhinderung sofort beim Arbeitgeber: Ob Krankheit, Zugausfall, Stau oder ein Notfall – informieren Sie unverzüglich Ihren Vorgesetzten oder die Personalabteilung, sobald klar ist, dass Sie nicht pünktlich zur Arbeit erscheinen können. Ein kurzer Anruf oder eine Nachricht kann bereits genügen. Wichtig ist, keinesfalls einfach kommentarlos fernzubleiben. Arbeitgeber wissen dann zumindest, warum Sie fehlen, und werten es nicht gleich als unentschuldigt. Bei Krankheit gelten die vertraglichen oder gesetzlichen Meldepflichten: Krankmeldung sofort, Attest rechtzeitig nachreichen (spätestens ab dem 4. Tag, sofern der Arbeitgeber nicht schon früher ein Attest verlangt).
  • Halten Sie betriebliche Regeln ein: Viele Unternehmen – gerade große Konzerne wie VW – haben klare Regelungen zur Abwesenheitsmeldung (z.B. Hotline, E-Mail bis eine bestimmte Uhrzeit, Informationswege). Machen Sie sich diese Regeln bewusst und befolgen Sie sie genau. Im Zweifel fragen Sie frühzeitig nach, was von Ihnen erwartet wird, etwa wenn Sie ausfallen. So vermeiden Sie, dass ein formaler Fehler (z.B. falsche Anrufstelle oder verspätete Meldung) als Pflichtverletzung gewertet wird.
  • Kein „Selbsturlaub“ – immer vorher genehmigen lassen: Wenn Sie frei brauchen, beantragen Sie Urlaub oder Abbau von Überstunden auf dem offiziellen Weg. Auch in dringenden Situationen sollten Sie mindestens telefonisch um Freistellung bitten. Einfach nicht zur Arbeit zu erscheinen, weil man annimmt, es ließe sich später klären, ist brandgefährlich. Ohne Genehmigung freizunehmen ist arbeitsrechtlich niemals zulässig und wird als unentschuldigtes Fehlen interpretiert.
  • Nehmen Sie Abmahnungen ernst und reagieren Sie besonnen: Wenn Sie eine Abmahnung erhalten, bedeutet das gelbe Karte. Bewahren Sie Ruhe, aber nehmen Sie den Inhalt ernst. Analysieren Sie das beanstandete Verhalten und stellen Sie es ab, um keinen Wiederholungsfall zu riskieren. Dokumentieren Sie für sich die Umstände (z.B. falls aus Ihrer Sicht etwas ungerechtfertigt war). Zeigen Sie Einsicht und arbeiten Sie an Verbesserungen – z.B. pünktlicher losfahren, Wecker früher stellen, Kinderbetreuung organisieren etc., je nach Anlass der Abmahnung. Dies signalisiert dem Arbeitgeber, dass Sie die Warnung verstanden haben.
  • Unfaire Abmahnung? Wehren Sie sich richtig: Wenn Sie der Meinung sind, die Abmahnung war unberechtigt oder überzogen, müssen Sie nicht untätig bleiben. Suchen Sie das Gespräch mit Vorgesetzten oder der Personalabteilung, um Ihre Sicht darzulegen – vielleicht beruht alles auf einem Missverständnis. Gleichzeitig können Sie schriftlich Stellung nehmen: Sie haben das Recht, eine Gegendarstellung zur Personalakte zu geben, um Ihre Version festzuhalten. In gravierenden Fällen können Sie auch rechtliche Schritte erwägen, etwa die Entfernung der Abmahnung aus der Akte fordern, wenn sie wirklich unhaltbar ist. Holen Sie sich dazu am besten arbeitsrechtlichen Rat. Ein Fachanwalt kann prüfen, ob die Abmahnung formell und inhaltlich korrekt ist und ob es Erfolgsaussichten gibt, dagegen vorzugehen. Beachten Sie jedoch: Eine vorschnelle Klage gegen die Abmahnung kann das Arbeitsverhältnis belasten. Deshalb strategisch abwägen und gegebenenfalls zunächst auf Besserung setzen, statt sofort zu eskalieren.
  • Bei Kündigung: Schnell handeln! Kommt es trotz allem zur Kündigung, heißt es: nicht einfach hinnehmen, sondern prüfen lassen. Gerade in einem Großbetrieb wie VW unterliegt jede Kündigung dem Kündigungsschutzgesetz – das heißt, sie muss sozial gerechtfertigt sein. Fehlt eine vorherige Abmahnung oder ist der Vorwurf fragwürdig, bestehen gute Chancen, die Kündigung erfolgreich anzufechten. Wichtig: Eine Kündigungsschutzklage muss innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden, sonst wird die Kündigung wirksam, egal ob sie eigentlich unrechtmäßig war. Zögern Sie also nicht, umgehend juristischen Rat einzuholen. Ein Anwalt kann oft erreichen, dass entweder die Kündigung aufgehoben wird oder zumindest eine vernünftige Abfindung ausgehandelt wird, falls eine Trennung unumgänglich ist. Zudem hilft rechtliche Beratung dabei, Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld zu vermeiden – z.B. indem im Vergleich mit dem Arbeitgeber Gründe so formuliert werden, dass Ihnen keine persönliche Schuld im Sinne der Agentur für Arbeit vorgeworfen wird.

Wachsamkeit und korrektes Verhalten zahlen sich aus

Der Fall Volkswagen zeigt exemplarisch, dass Arbeitnehmer in der aktuellen Lage keine Nachlässigkeiten riskieren sollten. In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit greifen Unternehmen wie VW hart durch, um Disziplin und Präsenz der Belegschaft sicherzustellen. Für Beschäftigte bedeutet dies: Halten Sie sich an Ihre vertraglichen Pflichten, vor allem an die Arbeitszeiten und Meldepflichten. Unentschuldigtes Fehlen ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann die Karriere kosten. Andererseits muss niemand in Panik verfallen, wenn er einmal krank oder verhindert ist – solange man richtig reagiert: also sofort meldet, ehrlich bleibt und ggf. Belege beibringt.

Wer eine Abmahnung kassiert hat, sollte diese als Warnschuss sehen und sein Verhalten anpassen. Sie ist oft die letzte Chance, den Arbeitsplatz durch Verbesserung zu retten. Und falls tatsächlich eine Kündigung ins Haus flattert, ist noch nichts endgültig verloren: Mit professioneller Hilfe lassen sich viele Kündigungen abwenden oder zumindest mildern. Arbeitnehmer haben Rechte – von der Anhörung des Betriebsrats vor der Kündigung bis zur gerichtlichen Überprüfung. Nutzen Sie diese Rechte, und lassen Sie sich frühzeitig beraten.

Am besten ist jedoch, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und offene Kommunikation mit dem Arbeitgeber sind der Schlüssel, um gar nicht erst als „Blaumacher“ dazustehen. Dann brauchen Sie die harte Linie Ihres Arbeitgebers nicht zu fürchten. Bleiben Sie Ihrer Arbeitspflicht treu – dann bleibt auch Ihr Arbeitsplatz sicher.