Wenn „Dubai“ draufsteht, muss Dubai drin sein – OLG Köln stärkt Schutz geografischer Herkunftsangaben

06. Juli 2025 -

Hintergrund: Hype um Dubai-Schokolade und der Rechtsstreit

Eine mit Pistazien-Kadayif (Engelshaar) gefüllte Praline, die als „Dubai-Schokolade“ vermarktet wurde. Der Name, die goldverzierte Verpackung mit Skyline-Motiv und Slogans über den „Zauber Dubais“ verliehen der Süßigkeit einen Hauch von Luxus und Fernweh. Tatsächlich aber stammte diese orientalisch anmutende Köstlichkeit nicht aus Dubai, sondern wurde in der Türkei hergestellt. Ein Süßwarenimporteur sah darin eine Irreführung und zog vor Gericht.

Ende 2024 schwappte ein Hype um „Dubai-Schokolade“ nach Deutschland. Ein Schokoladenprodukt mit Pistazien-Kadayif-Füllung – ursprünglich in Dubai hergestellt – wurde plötzlich zum Trend. Ein Discounter (Aldi Süd) bot ab Dezember 2024 eine „Alyan Dubai Handmade Chocolate“ an, die jedoch nicht in den Emiraten, sondern in der Türkei produziert wurde. Auf der Rückseite der Verpackung fand sich zwar der Hinweis „Herkunft: Türkei“, doch auf der Front wurde mit dem Namen Dubai-Schokolade sowie Bildern der Skyline von Dubai und Slogans („bringt den Zauber Dubais direkt zu Ihnen nach Hause“) geworben.

Ein konkurrierender Süßwaren-Importeur konnte diese Aufmachung nicht hinnehmen. Er beantragte eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung, da der Produktname und das Design eine Herkunft in Dubai suggerierten, die in Wahrheit nicht gegeben war. Die Frage war: Darf Schokolade „Dubai-Schokolade“ heißen, wenn sie nicht in Dubai produziert wurde? Handelt es sich bei „Dubai“ hier um eine geografische Herkunftsangabe (dann wäre die Bezeichnung irreführend) oder hat sich der Begriff schon zu einer Gattungsbezeichnung (einer Art Produktgattung) entwickelt, die ohne Herkunftsbezug verwendet werden darf?

Bemerkenswert: Schon die Vorinstanzen beurteilten diese Frage uneinheitlich. Zunächst hatte eine Zivilkammer des Landgerichts Köln im Dezember 2024 die Verwendung von „Dubai-Schokolade“ für nicht in Dubai hergestellte Ware als irreführend untersagt. Aldi legte jedoch Widerspruch ein und eine andere Kammer (für Handelssachen) am LG Köln entschied im Februar 2025 gegenteilig, nämlich dass „Dubai-Schokolade“ lediglich die Rezeptur (Pistazien-Angelhaar-Füllung) beschreibe und kein Herkunftshinweis (vergleichbar Schwarzwälder Kirschtorte oder Hawaiian Pizza) mehr sei. Dieser Zwist der ersten Instanz endete schließlich vor dem Oberlandesgericht Köln, das am 27.06.2025 in vier verbundenen Eilverfahren einheitlich Klarheit schaffte.

Geografische Herkunftsangabe oder schon Gattungsbegriff?

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln stellte klar, dass „Dubai-Schokolade“ (noch) als geografische Herkunftsangabe zu verstehen ist. Nach § 126 Abs. 1 Markengesetz (MarkenG) sind Bezeichnungen, die auf Orte, Gegenden, Gebiete oder Länder verweisen, grundsätzlich Herkunftsangaben – Verbraucher dürfen also erwarten, dass ein so beworbenes Produkt tatsächlich aus dem genannten Ort stammt. Genau das wurde hier durch die Aufmachung des Produkts noch unterstrichen: „Dubai“ prangte nicht nur auf der Verpackung, sondern wurde durch die Skyline und Schlagworte geradezu zelebriert, so das Gericht. Für eine durchschnittliche Kundschaft entstand damit der Eindruck, die Schokolade habe einen echten Bezug zu Dubai, insbesondere eine Herstellungsort dort.

Geografische Herkunftsangaben sind schutzwürdig, um Verbraucher vor Irreführung zu bewahren und einen fairen Wettbewerb sicherzustellen. Wichtig zu wissen: Es kommt nicht darauf an, ob der angesprochene Kunde mit der Region besondere Qualität oder Eigenschaften verbindet – auch „einfache“ geographische Hinweise sind geschützt, selbst wenn Dubai nicht gerade für Schokolade berühmt ist. Entscheidend ist allein, dass der Name einer Ware nach allgemeiner Verkehrsauffassung auf deren geografische Herkunft hindeutet. Im Fall Dubai-Schokolade war unstreitig, dass der ganze Hype um das Produkt ursprünglich deshalb entstand, weil die erste derartige Schokolade tatsächlich aus Dubai kam. Genau dieses Herkunftsversprechen machte den Reiz aus – und ließ die Verbraucher glauben, ein Stück exotischen Dubai-Flair zu kaufen.

Allerdings kann sich eine zunächst geografische Angabe im Lauf der Zeit zur Gattungsbezeichnung wandeln (§ 126 Abs. 2 MarkenG). Von einer Gattungsbezeichnung spricht man, wenn der Begriff seine ursprüngliche geographische Bedeutung verloren hat und nur noch als Name einer Produktart verstanden wird – unabhängig vom Herstellungsort. Klassische Beispiele aus dem Alltag sind etwa “Hamburger” (niemand denkt dabei mehr an die Stadt Hamburg) oder “Wiener Würstchen” – hier steht Wiener nur noch für eine bestimmte Wurst-Sorte, nicht für in Wien produzierte Würstchen. In solchen Fällen entfällt der Schutz der Ortsangabe; jeder Hersteller darf den Begriff frei verwenden, ohne dass Verbraucher an eine bestimmte Herkunft denken.

Im Fall der Dubai-Schokolade sah das OLG Köln jedoch keine Anzeichen für eine solche Entwertung zur Gattungsbezeichnung. Ganz im Gegenteil: Nach gefestigter Rechtsprechung gelten hier sehr strenge Anforderungen. Eine geografische Herkunftsangabe verliert erst dann ihren Schutz, wenn nur noch ein völlig unerheblicher Teil der Verbraucher einen Herkunftshinweis darin sieht. Konkret bedeutet das: Solange noch rund 15–20 % der angesprochenen Verbraucher die Bezeichnung mit einem bestimmten Herkunftsort verbinden, bleibt der Schutz bestehen. Im Umkehrschluss müsste also über 80–85 % des Publikums die Angabe ausschließlich als Gattungsname (z.B. als bloßen Hinweis auf eine besondere Rezeptur) verstehen, damit der Schutz entfällt. Diese hohe Schwelle war bei Dubai-Schokolade nach Auffassung des Senats eindeutig noch nicht unterschritten. Selbst wenn ein Teil der Käufer mittlerweile von einer allgemeinen Produktkategorie ausging – ein signifikanter Anteil knüpfte die Bezeichnung weiterhin an das Emirat Dubai als Herkunft.

Mit dieser Bewertung reiht sich das OLG Köln in frühere Urteile ein. So hatte etwa der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass „Lübecker Marzipan“ trotz entgegenstehender Umfragewerte nicht zur Gattungsbezeichnung geworden war – immerhin rund 40 % der Befragten sahen darin noch einen Herkunftshinweis, was weit über einem ganz unbeachtlichen Anteil liegt. Ebenso wurde „Warsteiner“ (Biermarke, benannt nach der Stadt Warstein) als Herkunftsbezeichnung geschützt, solange ein nennenswerter Teil des Publikums darin keinen bloßen Biertyp, sondern einen Ortsbezug erkennt. Fazit: Die Messlatte dafür, eine bekannte Ortsangabe als frei verwendbaren Gattungsnamen anzusehen, liegt sehr hoch – und Dubai-Schokolade erreicht sie bei Weitem nicht.

Entscheidung des OLG Köln: Irreführung durch „Dubai-Schokolade“

Das OLG Köln entschied folgerichtig, dass „Dubai-Schokolade“ nur so genannt werden darf, wenn sie tatsächlich aus Dubai stammt, oder zumindest einen authentischen Bezug zu Dubai hat. Andernfalls werde der durchschnittliche Verbraucher irregeführt. Im Kern liegt hier ein Verstoß gegen § 127 Abs. 1 MarkenG vor, die Vorschrift, die irreführende Verwendungen geografischer Herkunftsangaben ausdrücklich untersagt. Wer also eine Ortsbezeichnung wie Dubai im geschäftlichen Verkehr für Produkte benutzt, obwohl die Produkte gar nicht von dort kommen, handelt markenrechtlich unzulässig.

Im konkreten Fall sah der Senat die Irreführungsgefahr besonders durch die Marketing-Aufmachung bestätigt: Die Anbieter hatten aktiv mit dem „Dubai“-Image geworben – durch den Produktnamen, die prägnante Dubai-Silhouette auf der Verpackung und Slogans wie den oben erwähnten „Zauber Dubais“. All das verstärkte die Herkunftsvorstellung beim Publikum zusätzlich. Die gegenteilige Behauptung der Antragsgegnerin (Aldi), die Kunden hätten „Dubai-Schokolade“ längst als bloßen Sortenbegriff (für Pistazien-Kadayif-Schokolade) erkannt und erwarteten keine tatsächliche Dubai-Herkunft, vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Eine solch rasche Bedeutungswandlung binnen weniger Monate erschien dem Senat fernliegend – zumal viele Verbraucher von dem neuen Trendprodukt noch gar nichts gehört haben dürften. Kurzum: Durch die Kombination aus geografischer Bezeichnung und authentisch wirkender Präsentation wurde eine Herkunft suggeriert, „die es so nicht gibt“. Die Kunden erwarteten Dubai, bekamen aber Türkei – das ist eine Täuschung über die geografische Herkunft der Ware.

Wettbewerbsrechtliche Durchsetzung: Unterlassungsanspruch für Mitbewerber

Der Fall Dubai-Schokolade zeigt auch deutlich die Verknüpfung von Markenrecht und Wettbewerbsrecht. Der rechtliche Rahmen zum Schutz geografischer Herkunftsangaben ist im Markengesetz geregelt (§§ 126–128 MarkenG). Doch wer kann Verstöße dagegen praktisch ahnden? Hier kommt das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) ins Spiel. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG sind Mitbewerber berechtigt, Unterlassungsansprüche geltend zu machen, wenn ein Wettbewerber gegen Marktverhaltensregeln verstößt – also etwa durch irreführende Bezeichnungen die Kunden täuscht. Die Vorschriften der §§ 126, 127 MarkenG gelten als solche Marktverhaltensregeln, die dem Schutz der Verbraucher dienen. Entsprechend stellt § 128 Abs. 1 Satz 1 MarkenG klar, dass bei Verstößen gegen §§ 126, 127 MarkenG ein Unterlassungsanspruch nach UWG gegeben ist.

Im vorliegenden Fall konnten die vier antragstellenden Firmen – allesamt Mitbewerber im Süßwarensegment – daher auf das UWG gestützt vorgehen. Sie beanstandeten, dass ihre Konkurrenz mit „Dubai-Schokolade“ eine unfaire Wettbewerbshandlung begeht, indem ein falscher Eindruck von der Produktherkunft erweckt wird. Das OLG Köln hat diesen Mitbewerbern Recht gegeben: Stammt die Schokolade aus der Türkei, darf sie nicht als „Dubai-Schokolade“ beworben werden. Die Anbieter verstießen mit der irreführenden geografischen Angabe gegen geltendes Recht und mussten den Verkauf unter dieser Bezeichnung einstellen.

Durch die einstweiligen Verfügungen (Eilverfahren) wurde schnell ein vorläufiger Rechtsschutz geschaffen. Interessant ist, dass hier gleich vier getrennte Verfahren von unterschiedlichen Antragstellern geführt wurden, die das OLG gemeinsam entschied. Offenbar hatten mehrere Wettbewerber parallel den Rechtsweg beschritten – ein Zeichen dafür, wie brisant und wirtschaftlich relevant die Thematik eingeschätzt wurde. Die OLG-Entscheidung vom 27.06.2025 ist rechtskräftig (im Eilverfahren gibt es keine Revision zum BGH). Allerdings handelt es sich formal nur um eine summarische Prüfung im Eilrechtsschutz. Die Parteien könnten die Sache noch in Hauptsacheverfahren klären lassen; bis dahin gilt jedoch faktisch das Verbot, die streitgegenständliche Schokolade als Dubai-Schokolade anzubieten.

Praxistipps für Unternehmen

Der OLG-Fall Dubai-Schokolade liefert praxisrelevante Lehren für alle Unternehmen, die mit Ortsnamen als Produktbezeichnungen werben möchten:

  • Geografische Namen korrekt verwenden: Wenn ein Produkt nach einem Ort benannt wird (sei es Stadt, Region oder Land), sollte das Produkt im Regelfall tatsächlich von dort stammen. Andernfalls droht der Vorwurf, die Kunden über die Herkunft zu täuschen. Prüfen Sie vor dem Marketing also genau, ob der verwendete Ortsname die Realität widerspiegelt.
  • Irreführungsgefahr vermeiden: Achten Sie auf die Produktaufmachung. Elemente wie Landkarten, Skylines, Flaggen, typische Symbole oder Slogans können den Herkunftseindruck verstärken. Wenn die Ware nicht aus dem genannten Ort kommt, sollten solche Assoziationen vermieden werden. Ein versteckter Hinweis im Kleingedruckten („Hergestellt in…“) reicht oft nicht aus, um die Fehlvorstellung zu korrigieren.
  • Alternativen nutzen: Möchten Sie dennoch auf eine besondere Rezeptur oder Stilrichtung anspielen, ohne über die Herkunft zu täuschen, wählen Sie besser neutrale Formulierungen. Zum Beispiel kann man statt „Dubai-Schokolade“ eine Bezeichnung wie „Schokolade nach Dubai-Art oder „Dubai-Style“ verwenden. Damit wird klar, dass es um die Art der Zubereitung geht und nicht zwingend um den Herstellungsort. Im Zweifel sollte auch die tatsächliche Herkunft deutlich erkennbar auf der Vorderseite angegeben werden (z.B. „Hergestellt in der Türkei“), wenn ein ausländischer Name im Spiel ist.
  • Schutz von Herkunftsangaben respektieren: Viele Ortsbezeichnungen sind nicht nur durch allgemeine Grundsätze, sondern auch durch spezifische Schutzrechte gesichert. Beispielsweise genießen „Champagner“, „Parma“ oder „Bayreuther Bier“ besonderen Schutz als geografische Herkunftsangaben bzw. geographische Marken. Recherchieren Sie im Vorfeld, ob der gewünschte Name eventuell geschützt oder bereits etabliert ist. Ein Verstoß kann nicht nur Abmahnungen von Mitbewerbern, sondern auch Sanktionen von Verbänden oder Behörden nach sich ziehen.
  • Wettbewerbsrechtliche Konsequenzen bedenken: Falls Sie die Grenzen des Zulässigen überschreiten, müssen Sie mit schnellen rechtlichen Schritten rechnen – gerade Mitbewerber können ihre Unterlassungsansprüche zügig per einstweiliger Verfügung durchsetzen. Dies kann mit erheblichen Kosten und Umsatzeinbußen (Rückruf, Umbenennung, Marketingverlust) verbunden sein. Umgekehrt haben fair agierende Unternehmen selbst die Möglichkeit, gegen Wettbewerber vorzugehen, die durch irreführende geografische Angaben einen unlauteren Vorteil erlangen. Das UWG bietet hier effektive Hebel, um für Chancengleichheit im Markt zu sorgen.

Zusammengefasst: Geografische Herkunftsbezeichnungen sind ein zweischneidiges Schwert im Marketing. Einerseits können sie Produkten ein Image von Exotik, Qualität oder Tradition verleihen. Andererseits bindet man sich damit rechtlich an die Tatsachen – „Dubai“ darf nur draufstehen, wenn auch wirklich Dubai drin ist. Unternehmen sollten diese Rechtslage bei der Namens- und Werbestrategie stets im Blick haben. Im Zweifel gilt: Lieber kreativ ausweichen (z.B. auf „-Art“-Bezeichnungen) oder rechtskundigen Rat einholen, bevor aus einer vermeintlich cleveren Marketing-Idee ein teurer Rechtsstreit wird.