Zahnarzt verliert Kassenzulassung wegen Straftaten

05. April 2019 -

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 03.04.2019 zum Aktenzeichen B 6 KA 4/18 R entschieden, dass einem Zahnarzt rechtmäßig die kassenärztliche Zulassung entzogen werden darf, weil dieser heimlich von den Angestellten Videoaufnahmen aus dem Umkleidebereich anfertigte.

Vorwürfe gegen den seit 1986 als Zahnarzt tätigen Kläger, dieser habe mittels einer im Umkleideraum installierten Kamera in seiner Zahnarztpraxis die weiblichen Praxisangestellten über Jahre ohne deren Wissen während des Umkleidens beobachtet und hiervon Videoaufzeichnungen hergestellt, führten zu einer strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht sowie zu arbeitsgerichtlichen Verfahren, in denen die Mitarbeiterinnen ua die Zahlung von Schmerzensgeld verlangten. Nachdem die Mitarbeiterinnen nach Vergleichen in den arbeitsgerichtlichen Verfahren ihre Strafanträge zurückgenommen hatten, stellte das Landgericht das Strafverfahren nach § 206a StPO wegen Eintritts eines Verfahrenshindernisses ein. Aufgrund des Ergebnisses eines eingeholten amtsärztlichen Gutachtens, welches das Vorliegen von psychischen oder anderen gesundheitlichen Störungen bei dem Kläger verneinte, verzichtete das zuständige Landesverwaltungsamt auf die Anordnung approbationsrechtlicher Maßnahmen.

Auf Antrag der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die Zulassung. Der beklagte Berufungsausschuss hat den Widerspruch zurückgewiesen und zur Begründung auf das Vorliegen gröblicher Pflichtverletzungen abgestellt. Klage und Berufung hiergegen blieben erfolglos. Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe gröblich gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten verstoßen, indem er über einen Zeitraum von sechs Jahren wiederholt und in zahlreichen Fällen Videoaufnahmen von seinen Mitarbeiterinnen gefertigt habe, als diese sich umgezogen oder in der Dusche gestanden hätten. Er habe unter Ausnutzung der Gegebenheiten seiner Praxis und seiner Arbeitgeberstellung schwere Eingriffe in die Intimsphäre der betroffenen Mitarbeiterinnen vorgenommen. Damit habe er zugleich seine Ungeeignetheit für die Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit dokumentiert. Ob die Unterlagen aus dem strafrechtlichen Verfahren verwertbar seien, könne dahinstehen. Der Kläger habe die Vorwürfe in den arbeitsgerichtlichen Verfahren eingestanden.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Das amtsgerichtliche Strafurteil sei aufgehoben worden und entfalte für das Zulassungsentziehungsverfahren keine Tatbestandswirkung. Dies gelte ebenso für die polizeilichen Vernehmungen und Maßnahmen der Staatsanwaltschaft. Dementsprechend hätten die Vorinstanzen eigene Feststellungen treffen müssen, was jedoch unterblieben sei. Die Formulierungen aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen ersetzten die fehlenden Feststellungen nicht. Eine gröbliche Pflichtverletzung oder eine Ungeeignetheit zur Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit seien zu verneinen. Im Übrigen verstoße die Zulassungsentziehung auch gegen das Übermaßverbot.
Die Revision des klagenden Arztes ist ohne Erfolg geblieben. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Entziehung der Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit durch den beklagten Berufungsausschuss nicht zu beanstanden ist.

Ohne Erfolg rügt die Revision Fehler des LSG bei der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes. Dabei stützt sie sich vor allem darauf, dass das Urteil des Amtsgerichts, das den Kläger zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hat, infolge der Einstellung des Verfahrens durch das Landgericht wirkungslos geworden ist. Das hat jedoch nicht zur Folge, dass die Zulassungsinstanzen und die Gerichte sich nicht auf die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen oder die Ergebnisse des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens stützen durften, zumal diese durch zahlreiche Aussagen und Unterlagen aus dem maßgeblichen Zeitraum bestätigt wurden. Das LSG hat den maßgeblichen Sachverhalt auch hinreichend umfassend aufgeklärt. Die von ihm ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen tragen die Schlussfolgerung, dass der Kläger seine vertragszahnärztlichen Pflichten gröblich verletzt hat und ihm deshalb die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung zu entziehen ist. Das LSG hat festgestellt, dass der Kläger vor Ende 2007 in seiner Praxis eine Überwachungsanlage installiert hat, mit deren Hilfe er Aufnahmen seiner Helferinnen in unbekleidetem Zustand beim Umziehen erstellen konnte und erstellt hat, die dann in sein Büro überspielt und dort aufgezeichnet worden sind. Dieses Vorgehen hat der Kläger bis zum Jahr 2012 fortgesetzt und die Aufnahmen auf dem dafür vorgesehenen Gerät gespeichert.

In der über Jahre fortgesetzten massiven Verletzung der Privat- und Intimsphäre der Mitarbeiterinnen liegt eine Pflichtverletzung im Sinne des § 95 Abs 6 Satz 1 SGB V. Strafandrohung und Strafrahmen des § 201a StGB lassen hinreichend deutlich erkennen, welchen Unrechtsgehalt der Gesetzgeber Verletzungen der Intimsphäre zuweist. Gerade die Übertragungen der Bilder aus dem Umkleideraum in das Büro des Klägers und die Speicherung mit dem ausdrücklich eingeräumten Ziel, entsprechende Bilder öfter anzusehen, machen deutlich, dass der Kläger die Intimsphäre der Mitarbeiterinnen zum Objekt seiner besonderen Interessen gemacht hat, was geeignet ist, die Betroffenen nachhaltig zu traumatisieren. Mit einem Zahnarzt, der sich über Jahre so verhalten hat, müssen die Träger der vertragszahnärztlichen Versorgung nicht länger zusammenarbeiten.