Zusammenlegung der Arbeitsgerichte in NRW – Pläne der Landesregierung und arbeitsrechtliche Folgen

13. November 2025 -

Hintergrund der geplanten Reform

In Nordrhein-Westfalen steht eine tiefgreifende Reform der Arbeitsgerichtsbarkeit bevor. Justizminister Dr. Benjamin Limbach hat Mitte November 2025 ein Diskussionspapier vorgestellt, das die Zusammenlegung zahlreicher Arbeitsgerichte vorsieht. Konkret soll die Zahl der Arbeitsgerichtstandorte von derzeit 33 (inklusive der Landesarbeitsgerichte) auf 17 reduziert werden. Nach diesen Plänen würden von aktuell 30 lokalen Arbeitsgerichten nur noch 15 übrig bleiben, und eines der drei Landesarbeitsgerichte – das LAG Köln – soll wegfallen. Damit würden die bisherigen LAG-Bezirke (Hamm, Düsseldorf und Köln) zu zwei Bezirken zusammengelegt, vermutlich durch Fusion des Landesarbeitsgerichts Köln mit dem in Düsseldorf.

Als Begründung für die Reform führt das Justizministerium insbesondere strukturelle Veränderungen und rückläufige Verfahrenszahlen an. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der neuen Verfahren an den Arbeitsgerichten in NRW deutlich gesunken – um rund 20 % in Urteilsverfahren und sogar 43 % in Beschlussverfahren. Parallel dazu ging der Personalbestand zurück; die Justiz koppelt den Personalumfang an die Geschäftslast, sodass mit weniger Fällen auch weniger Personalstellen vorhanden sind. Viele Arbeitsgerichte sind inzwischen sehr klein: Laut Ministerium verteilen sich etwa 700 Mitarbeiter auf 33 Standorte, wobei 18 von 30 Arbeitsgerichten nur vier oder weniger Richter haben und teils insgesamt kaum mehr als ein Dutzend Beschäftigte. Dieses historisch gewachsene Netz vieler Kleinstgerichte stößt an funktionale Grenzen, da schon der Ausfall einzelner Mitarbeiter (etwa eines Wachtmeisters oder Rechtspflegers) den Gerichtsbetrieb vor Ort lahmlegen kann. Zudem erschwert es die digitale Modernisierung: In sehr kleinen Gerichten ist etwa kein eigener IT-Service vor Ort vorhanden, was die Einführung von Videotechnik oder Homeoffice-Strukturen behindern kann.

Gerichtszentrum Gelsenkirchen als Beispiel – das Justizzentrum Gelsenkirchen, in dem seit 2016 auch das Arbeitsgericht untergebracht ist, soll nach den Plänen des Justizministers als eigenständiger Standort geschlossen und mit den Gerichten in Herne und Bochum zusammengelegt werden. Gegen diese Perspektive regt sich vor Ort Widerstand, denn gerade in einer von Strukturwandel geprägten Region wie dem Ruhrgebiet wird die Präsenz staatlicher Institutionen als Stabilitätsfaktor betrachtet. In einer gemeinsamen Erklärung von Stadt, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften heißt es, der Wegfall des Arbeitsgerichts würde das Vertrauen der Bevölkerung und der Wirtschaft in die staatliche Verlässlichkeit beeinträchtigen. Dies verdeutlicht exemplarisch, wie umstritten die geplante Reform in den betroffenen Kommunen ist.

Ziele und offizielle Begründung der Landesregierung

Die Landesregierung (geführt von CDU und Grünen) begründet die Strukturreform der Arbeitsgerichte mit der Notwendigkeit, die Gerichtsbarkeit effizienter und zukunftsfähig aufzustellen. Justizminister Limbach betont, Arbeitsgerichte müssten „gut erreichbar, rechtzeitig entscheiden und verlässlich handeln“ – sowohl für Arbeitnehmer, die um ihren Arbeitsplatz kämpfen, als auch für Arbeitgeber, die auf schnelle und hochwertige Entscheidungen angewiesen sind. Die vorgesehene Konzentration auf größere Einheiten soll ermöglichen, dass mehr Personal und Technik an einem Standort verfügbar sind. Dadurch könnten kurzfristige Personalausfälle besser kompensiert und der kollegiale Austausch unter den Richtern und Mitarbeiter*innen gefördert werden. Größere Standorte bieten laut Ministerium zudem die Chance, lokale IT-Services einzurichten und digitale Zugänge zum Gericht für alle Beteiligten zu verbessern. Dies ist vor dem Hintergrund wichtig, dass Gerichtsverfahren zunehmend digital geführt werden und Mitarbeiter flexibler (z.B. im Homeoffice) arbeiten – Entwicklungen, denen auch die Justiz Rechnung tragen muss.

Weiter verweist die Regierung auf die dauerhaft zu gewährleistende Leistungsfähigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit. Trotz etwas weiterer Anfahrtswege für einzelne Beteiligte könne man mit größeren Strukturen den bisher hohen Standard schneller Verfahren halten, argumentieren die Präsidenten der Landesarbeitsgerichte. Der Präsident des (von Schließung bedrohten) LAG Köln, Dr. Jürgen vom Stein, hebt hervor, dass in NRW ein Verfahren „binnen eines Jahres bereits in der Regel zwei Instanzen durchlaufen“ habe – man sei stolz auf diesen Status und wolle ihn erhalten. Die Justizverwaltung verspricht sich von der Reform also keine Verlangsamung, sondern im Gegenteil eine Stabilisierung der Verfahrensdauer auf hohem Niveau.

Ein zentrales Element der offiziellen Planung ist, die Erreichbarkeit der Gerichte trotz weniger Standorte sicherzustellen. Hierfür setzt das Konzept auf „auswärtige Kammern“ und „Gerichtstage“ an bisherigen Gerichtsstandorten. Das bedeutet: Selbst wenn ein Arbeitsgericht in einer Stadt formal geschlossen wird, sollen an diesem Ort an bestimmten Tagen Verhandlungen stattfinden können. Dafür könnten z.B. Sitzungssäle in Amtsgerichten vor Ort genutzt werden. Insgesamt, so heißt es, werde weiterhin an rund 37 bis 40 Orten in NRW Arbeitsgerichtsbarkeit präsent sein, wenn man die Nebenstellen und Gerichtstage mitzählt. Die Landesregierung will damit dem Vorwurf begegnen, sie ziehe die Justiz aus der Fläche ab. Vielmehr, so die rechtspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Angela Erwin, schaffe man „größere und stärkere Strukturen“ als Grundlage für eine leistungsfähige Organisation, bleibe aber „flächendeckend präsent und gut erreichbar“ durch die Einrichtung von Gerichtstagen und auswärtigen Kammern.

Auch der demografische Wandel wird als Faktor genannt: In den kommenden Jahren gehen viele erfahrene Justizbedienstete in Rente, wodurch zusätzliche Personallücken drohen. Die Zusammenlegung der Gerichte könnte hier planerisch genutzt werden, um Personalwechsel aufzufangen – z.B. indem man die Pensionierung des LAG-Präsidenten in Köln zum Anlass nimmt, dessen Gerichtssprengel mit Düsseldorf zu vereinigen. Zudem verspricht man sich von attraktiveren, größeren Standorten eine bessere Gewinnung von Nachwuchspersonal sowie langfristig günstigere Verwaltung, da Doppelstrukturen abgebaut werden.

Kritik: Mögliche Nachteile und Auswirkungen auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Trotz der genannten Vorteile regt sich erhebliche Kritik von Opposition, Gewerkschaften und aus der Praxis an den Plänen. Die SPD-Opposition im Landtag spricht von einem „Justizabbau“ und tituliert die Reform als „Reform der langen Wege“, weil sie für viele Rechtssuchende deutlich längere Anfahrtsstrecken bedeuten wird. Sonja Bongers, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, warnt: „Wer künftig streitige Arbeitsrechtsfragen vor Gericht verhandeln lassen will, muss dafür bis zu 70 Kilometer auf sich nehmen.“ Dies versperre vielen den Zugang zum Recht und sei „ein fatales Signal für den Rechtsstaat“, so Bongers. Tatsächlich zeigt die bisher bekannt gewordene Liste der betroffenen Gerichte, dass insbesondere im Ostwestfälischen und im Sauerland mehrere Gerichtsstandorte wegfallen, so dass dort teils Distanzen von 60–70 km zur nächsten Arbeitsgerichtsstadt entstehen würden. Im Ruhrgebiet wiederum verlieren Städte wie Herne oder Gelsenkirchen ihren eigenständigen Gerichtssitz – in einigen Fällen wäre das die letzte staatliche Behörde vor Ort, die verschwindet. Gewerkschaften und Kommunalpolitiker fürchten eine Schwächung der Bürgernähe der Justiz, wenn große Teile der Bevölkerung wesentlich weiter reisen müssen, um ihre Rechte einzuklagen.

Auch arbeitnehmerrechtlich ergibt sich aus längeren Wegen eine konkrete Hürde: In arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz trägt jede Partei grundsätzlich ihre Kosten selbst, unabhängig vom Verfahrensausgang. Das heißt, Fahrtkosten zu Gerichtsterminen werden im Regelfall nicht erstattet. Wenn ein gekündigter Arbeitnehmer künftig z.B. 70 km (einfach) zur Verhandlung anreisen muss, bedeutet das zusätzliche Kosten und Zeitaufwand, die im schlimmsten Fall abschreckend wirken können. Kleinere Beträge, die mit dem Verfahren vielleicht eingeklagt werden, könnten durch hohe Reiseaufwände nahezu aufgezehrt werden. Für Arbeitgeber – insbesondere kleine und mittelständische Betriebe – erhöhen sich im Streitfall ebenfalls der Aufwand und ggf. die Kosten (etwa wenn Personal oder Anwälte einen ganzen Tag für einen Termin am ferneren Gericht einplanen müssen). Zwar können sich größere Unternehmen solche Reisen eher leisten, doch für betriebsinterne Zeugen oder Personalvertreter aus dem Betrieb bedeuten weitere Entfernungen ebenfalls mehr Zeitversäumnis und organisatorische Umstände.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Verkümmerung regionaler Besonderheiten in der Rechtspflege. So merkt z.B. die gemeinsame Erklärung aus Gelsenkirchen an, dass die Gerichtsstruktur nicht allein nach ökonomischer Effizienz bewertet werden darf, sondern vorrangig nach „Nähe zu den Menschen, Verlässlichkeit und regionaler Expertise“. Bei einer Zentralisierung bestehe die Gefahr, dass städtische oder regionale Eigenheiten weniger Beachtung finden. Beispielsweise haben stark industrialisierte Regionen, Hochschulstädte oder ländliche Gebiete jeweils spezifische Konfliktschwerpunkte im Arbeitsleben – sei es Massenentlassungen in der Industrie oder besondere Probleme in der Landwirtschaft, im Gesundheitswesen etc. Lokale Gerichte sind mit solchen Besonderheiten meist vertrauter. Größere zentrale Gerichte müssen sich dieses Wissen erst aneignen oder ohne persönliche Ortskenntnis entscheiden, was suboptimal sein könnte.

Hinzu kommt die Sorge, dass die Reform vielleicht zum falschen Zeitpunkt kommt. Als ein Grund für sinkende Fallzahlen wird die bislang gute konjunkturelle Lage genannt. Doch angesichts einer sich abkühlenden Wirtschaft oder neuer Krisen (z.B. nachlaufende Effekte der Pandemie oder Strukturwandel im Zuge der Digitalisierung) könnte die Zahl von Kündigungen und Streitfällen wieder ansteigen. Sollten die Verfahrenszahlen zukünftig wieder zulegen, stünde eine zusammengeschrumpfte Gerichtsstruktur vor der Herausforderung, dieses Mehr an Fällen mit weniger Standorten zu bewältigen. Kritiker warnen, die Regierung dürfe die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht zu optimistisch einschätzen. Falls eine Trendwende eintritt, müsste man möglicherweise wieder über zusätzliche Kammern oder Standorte nachdenken – was nach der Schließung einmaliger Standorte schwierig wäre.

Nicht zuletzt gibt es Verfahrenskritik am Vorgehen des Justizministeriums. Zwar wurde ein viermonatiger Beteiligungsprozess mit Interessenvertretungen durchgeführt, doch manche lokale Akteure fühlen sich dennoch übergangen. Die SPD moniert, an die Belange der Kommunen denke die Landesregierung „ohnehin zuletzt“. Und in der Region Westfalen-Lippe wurde beklagt, konkrete Strukturvorschläge seien nicht frühzeitig direkt mit den Betroffenen erörtert worden. Eine transparente, frühzeitige Einbindung aller unmittelbar Betroffenen – so die Forderung – sei entscheidend, um praktikable Lösungen im Sinne der Arbeitnehmer, Unternehmen und Städte zu entwickeln. Diese Kritik zielt darauf, dass der Prozess zwar formal Beteiligung vorsah, die tatsächlichen Pläne aber vielerorts als überraschend und überfallartig empfunden wurden. Ein Beispiel aus einem anderen Bundesland zeigt zudem, dass solch eine Reform nicht konfliktfrei abläuft: In Schleswig-Holstein gab es 2022 ähnliche Überlegungen, alle Arbeits- und Sozialgerichte auf wenige Standorte zu konzentrieren; nach heftigem Protest, insbesondere durch Gewerkschaften, sah sich die dortige Justizministerin gezwungen, die Pläne weitgehend zurückzunehmen. Diese Erfahrung dürfte auch in NRW aufmerksam registriert werden.

Rechtliche Einordnung und Ausblick

Rechtlich ist zu beachten, dass die Organisation der Gerichte Sache des Landesgesetzgebers ist. Eine Änderung der Gerichtsstruktur – etwa die Aufhebung oder Zusammenlegung von Gerichtsstandorten und -bezirken – bedarf einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage oder Verordnung. In der Praxis wird erwartet, dass die Landesregierung auf Basis des Diskussionspapiers einen Gesetzesentwurf erarbeitet. Geplant ist, im ersten Quartal 2026 einen finalen Vorschlag zu beschließen, über den dann der Landtag abstimmen müsste. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse (die regierende Koalition stellt die Mehrheit) ist es wahrscheinlich, dass ein Reformgesetz im Landtag beschlossen werden kann – sofern der Koalitionsfrieden hält. Allerdings könnten öffentlicher Druck und Anhörungen im Gesetzgebungsverfahren noch Änderungen bewirken. So wäre denkbar, dass einzelne Standorte eine Sonderrolle als Außenkammer behalten oder die Umsetzung zeitlich gestreckt wird, um den Übergang abzufedern.

Grundrechtlich bewegt sich die Reform in einem sensiblen Bereich: Das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) verlangt, dass der Zugang zu Gerichten nicht unzumutbar erschwert wird. Zwar garantiert die Verfassung keinen Gerichtsort in jeder Kleinstadt, doch bei einer drastischen Verringerung der Standorte muss der Staat sicherstellen, dass alle Bürger zumutbar das Gericht erreichen können. 70 km Anreise könnten im Einzelfall – etwa für Personen ohne Auto, mit Behinderung oder geringem Einkommen – durchaus problematisch sein. Hier werden die angekündigten Gerichtstage vor Ort eine wichtige Rolle spielen, um den Zugang zum Recht praktikabel zu halten. Sollte sich in der Praxis zeigen, dass bestimmte Regionen benachteiligt werden, könnte dies auch Gegenstand gerichtlicher Überprüfungen oder politischer Nachsteuerung werden. Denkbar wären z.B. Ausweichregelungen, dass Klagen wahlweise auch bei einem Amtsgericht eingereicht werden können, welches sie dann ans zuständiges Arbeitsgericht weiterleitet, um zumindest die Eingangshürde zu senken. Bereits heute besteht die Möglichkeit, Klagen schriftlich einzureichen oder von Anwälten elektronisch einreichen zu lassen – was den persönlichen Weg zur Rechtsantragstelle ersparen kann. Zudem erlauben die Verfahrensordnungen inzwischen Videoverhandlungen (§ 128a ZPO, § 50a ArbGG), sodass in geeigneten Fällen eine Parteibeteiligung per Videokonferenz erfolgen kann. Allerdings ist dies nur mit Zustimmung des Gerichts bzw. Antrag der Parteien möglich und kein vollwertiger Ersatz für eine mündliche Verhandlung vor Ort, vor allem wenn eine Partei darauf besteht, persönlich zu erscheinen (was in Kündigungsschutzklagen häufig der Fall ist).

Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in NRW bedeutet die geplante Reform vorerst vor allem Unsicherheit, wo künftige Verfahren stattfinden werden. Die genannten Pläne lassen aber erkennen, welche Gerichtsbezirke betroffen sind. Beispielsweise sollen nach aktuellem Stand 13 Arbeitsgerichte als Verhandlungsort ganz entfallen, u.a. Iserlohn, Herford, Beckum, Ahaus, Herne, Brilon, Kleve, Moers, Oberhausen, Krefeld, Velbert, Solingen und Siegburg. Parteien aus diesen Regionen müssten sich auf neue Zuständigkeiten einstellen – etwa würde ein Fall aus Krefeld dann wohl am Arbeitsgericht Mönchengladbach verhandelt, oder ein Fall aus Herne am Arbeitsgericht Bochum. Das Landesarbeitsgericht Köln würde im Falle seiner Auflösung vermutlich mit dem LAG Düsseldorf verschmolzen; Verfahren aus dem Kölner Raum gingen dann nach Düsseldorf in die zweite Instanz. Für die Rechtsuchenden bedeutet das einerseits längere Wege bei Berufungsverfahren, andererseits könnte ein zusammengelegtes großes LAG durch einheitlichere Rechtsprechung im ganzen Rheinland für mehr Rechtsklarheit sorgen.

Arbeitgeberverbände und Anwaltschaft äußern sich differenziert. Manche sehen in der Konzentration auch Chancen, z.B. dass gebündelte Kompetenz an größeren Gerichten zu konsistenterer Rechtsprechung führen kann. Wenn weniger Gerichte entscheiden, sinkt die Gefahr stark auseinandergehender Urteile in parallelen Fällen. Unternehmen, die überregional tätig sind, könnten administrativ von weniger Gerichtsstandorten profitieren. Allerdings überwiegt in der öffentlichen Reaktion derzeit die Sorge um die Praktikabilität und Akzeptanz der neuen Strukturen. Schließlich lebt das Arbeitsgericht nicht nur von juristischer Exzellenz, sondern auch von seinem Ruf, „Gericht der kleinen Leute“ zu sein – niedrigschwellig, bürgernah und regional verankert. Diese Aspekte gilt es trotz Reform zu bewahren.

Die geplante Halbierung der Arbeitsgerichte in NRW stellt einen erheblichen Eingriff in die Justizlandschaft dar. Aus Sicht der Landesregierung ist sie eine notwendige Modernisierung, um die Arbeitsgerichtsbarkeit angesichts sinkender Fallzahlen, knapper Ressourcen und digitaler Herausforderungen leistungsfähig zu halten. Größere Einheiten sollen schnelleren Rechtsschutz, bessere Ausstattung und robustere Strukturen ermöglichen. Kritiker hingegen befürchten einen Verlust an Bürgernähe und Gerechtigkeit: Längere Wege könnten Arbeitnehmer wie Arbeitgeber vom Rechtsweg abschrecken und den Rechtsstaat in der Fläche schwächen. Die Wahrheit dürfte – wie so oft – in der Mitte liegen: Viel hängt von der konkreten Umsetzung ab. Werden genügend Außenkammern und Gerichtstage eingerichtet und technische Möglichkeiten (Videoverhandlung, elektronische Kommunikation) konsequent genutzt, könnten manche Nachteile abgemildert werden. Kommt es hingegen zu einer reinen Zentralisierung ohne Ausgleich, droht tatsächlich eine Entfernung der Justiz von den Menschen, was dem Grundgedanken des Arbeitsrechts als bürgernahem Schutzrecht widerspräche.

Arbeitnehmer und Arbeitgeber in NRW sollten die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgen. Noch sind die Vorschläge im Diskussionsstadium; bis Ende 2025 werden sie mit Verbänden und Vertretern erörtert. Anfang 2026 dürfte sich entscheiden, in welcher Form die Reform umgesetzt wird. Anpassungszeit ist zu erwarten – Gerichte werden nicht von heute auf morgen geschlossen, sondern wohl schrittweise neu geordnet. Wer allerdings schon jetzt weiß, dass sein Wohn- oder Firmensitz in einer der genannten Städte ohne künftiges Gericht liegt, kann sich vorsorglich informieren, welches Arbeitsgericht künftig zuständig sein wird. Im Zweifel hilft ein Blick auf die geplanten Gerichtsbezirke oder eine Beratung durch einen Fachanwalt.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist entscheidend, dass der Zugang zum Arbeitsgericht und damit zum Recht für alle gewährleistet bleibt – das heißt erreichbar ohne unzumutbaren Aufwand und innerhalb angemessener Zeit. Die geplante Reform bietet Chancen für effizientere Justiz, darf aber nicht zu Lasten der Rechtssuchenden gehen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Landesregierung diese Gratwanderung meistert. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sollten sich jedenfalls darauf einstellen, dass sich die gerichtliche Landschaft in NRW verändert, und ihre Prozesse entsprechend planen. Bei allen Veränderungen gilt jedoch: Der Anspruch auf Recht bleibt bestehen – notfalls muss die Politik nachsteuern, wenn sich zeigt, dass die Versprechen der Reform (schneller, moderner, trotzdem bürgernah) nicht eingelöst werden können. Denn ein „Rückzug des Rechts und des Staates aus der Fläche“ darf kein Dauerzustand werden, wenn der soziale Frieden und das Vertrauen in die Arbeitsgerichtsbarkeit erhalten bleiben sollen.