Hintergrund: Altersgrenze für Notare und der Kampf eines Notars a.D. um weitere Tätigkeit
Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 27. Mai 2025 (Az. 36 Not 7/24) entschieden, dass ein früherer Anwaltsnotar trotz seines Alters und entgegen der Einschätzung der Notarkammer sowie der Aufsichtsbehörde weiterhin als ständiger Notarvertreter bestellt werden muss – und stärkt damit nicht nur die Rechte von Notarinnen und Notaren in Elternzeit, sondern auch die rechtliche Stellung von Notaren im Ruhestand, die sich weiterhin aktiv in der notariellen Praxis einbringen wollen.
Konkret ging es um die Bestellung von Rechtsanwalt und Notar a.D. W. L. zum ständigen Vertreter der klagenden Notarin, die sich seit der Geburt ihrer Tochter in Elternzeit befindet. Die Bestellung war durch die zuständige Aufsichtsbehörde zunächst abgelehnt worden – mit dem Verweis auf eine angeblich fehlende persönliche Eignung des Notars a.D. Dies ließ das OLG Köln nicht gelten.
Zentrale Entscheidung: Pflicht zur Bestellung trotz Bedenken der Notarkammer
Das OLG Köln hob den Ablehnungsbescheid der Aufsichtsbehörde auf und verpflichtete sie, den vorgeschlagenen Notar a.D. W. L. als ständigen Vertreter zu bestellen – für alle Verhinderungsfälle ab Urteilserlass bis zum 1. August 2025.
Dabei stellte das Gericht klar:
- Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine ständige Notarvertretung wegen Kindesbetreuung (§ 24 Abs. 4 AVNot NRW).
- Der von ihr vorgeschlagene Vertreter ist gemäß § 39 Abs. 3 S. 4 BNotO zu berücksichtigen.
- Es bestehen keine Zweifel an der persönlichen Eignung des vorgeschlagenen Notars a.D., obwohl dieser in der Vergangenheit pointierte Kritik an der Altersgrenze für Notare und an Gerichtsentscheidungen geäußert hatte.
- Die Kritik war nicht geeignet, seine charakterliche Integrität als Notarvertreter infrage zu stellen, zumal er über Jahrzehnte beanstandungsfrei tätig war.
Das OLG betont, dass selbst deutliche Kritik im Rahmen von Gerichtsverfahren grundsätzlich durch das Recht auf effektiven Rechtsschutz und Meinungsfreiheit gedeckt ist – auch für Notare.
Juristische Bewertung: Ermessensreduktion auf Null bei Vertreterwahl
Die Entscheidung überzeugt durch eine klare Abwägung zwischen Behördenermessen und dem Recht auf Vertretung nach Wahl der Notarin:
- Das Gericht erkennt eine Ermessensreduktion auf Null, weil die Verweigerung der Bestellung rechtswidrig wäre.
- Die Notarin hatte einen Anspruch auf die Vertretung durch die Person ihres Vertrauens – und zwar unabhängig davon, ob andere Personen verfügbar wären.
- Der ehemalige Notar war mit den Akten und der Mandantschaft bestens vertraut – ein sachlicher Vorteil, der auch im Rahmen der Interessen der Rechtspflege zu berücksichtigen ist.
Praxisrelevanz: Elternzeitvertretung, Altersgrenze, Auswahlrecht – wichtige Leitsätze für Notare und Aufsichtsbehörden
Das Urteil des OLG Köln enthält mehrere wichtige Leitlinien für die notarielle Praxis:
- Vertretungsrecht bei Elternzeit:
Notarinnen und Notare in Elternzeit haben einen Anspruch auf Bestellung eines ständigen Vertreters – und dürfen die Person grundsätzlich selbst vorschlagen (§ 39 Abs. 3 BNotO). - Keine Altersgrenze für Notarvertreter:
Die in § 48a BNotO verankerte Altersgrenze gilt nur für das aktive Notaramt – nicht für Notarvertreter (BGH, Beschluss vom 31.07.2000 – NotZ 12/00). - Kritik an Gerichtsentscheidungen ist nicht per se ein Eignungsmangel:
Selbst deutliche Kritik an Gerichten oder Institutionen führt nicht automatisch zur Ungeeignetheit, solange sie im Rahmen gerichtlicher Verfahren geäußert wird und nicht die Funktionsfähigkeit der Justiz beeinträchtigt. - Rechtsstaatlicher Schutz auch für Notare a.D.:
Auch ehemalige Amtsträger haben Anspruch darauf, nicht allein wegen kritischer Äußerungen in Gerichtsverfahren disqualifiziert zu werden, solange sie sich insgesamt gesetzestreu und integer verhalten.
Empfehlung für Notarinnen und Notare in vergleichbarer Situation
- Elternzeit aktiv vorbereiten: Wer Elternzeit in Anspruch nimmt, sollte frühzeitig eine Vertretung beantragen und den Wunschkandidaten – am besten mit detaillierter Begründung – vorschlagen.
- Rechtsmittel prüfen: Wird die Bestellung abgelehnt, sollten Betroffene nicht zögern, gegen ablehnende Entscheidungen vorzugehen – ggf. auch mit einer einstweiligen Anordnung.
- Vertrauensperson mit Erfahrung wählen: Besonders geeignet sind Notarvertreter, die bereits mit der Aktenlage, dem Mandantenkreis und den internen Abläufen vertraut sind.
Klare Grenzen für behördliche Willkür
Das Urteil des OLG Köln ist ein klares Signal an die Aufsichtsbehörden: Persönliche oder politische Meinungsäußerungen ehemaliger Notare dürfen nicht dazu führen, dass ihnen pauschal die Eignung abgesprochen wird. Die richterliche Kontrolle von Amtsentscheidungen bleibt ein zentraler Baustein des Rechtsstaats – auch und gerade bei besonders sensiblen Positionen wie dem Notaramt.
Rechtsanwaltstipp:
Notarinnen und Notare sollten bei Verhinderungszeiten wie Elternzeit, Krankheit oder Urlaub ihre Rechte auf eine ständige Vertretung nach § 39 BNotO kennen – und sich nicht vorschnell mit einer behördlichen Ablehnung zufriedengeben. Die Auswahl des Vertreters liegt nicht im freien Ermessen der Behörde – sondern primär beim Notar selbst.