Arbeitnehmer haben nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Dieses Zeugnis muss klar und verständlich sein und den Tatsachen entsprechen (Grundsatz der „Zeugniswahrheit“). Üblicherweise enthält es Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit, ggf. auch zu Leistung und Verhalten. Viele Arbeitgeber datieren das Zeugnis traditionell mit dem letzten Arbeitstag des Beschäftigten. Das Landesarbeitsgericht Köln hat in seinem Urteil vom 5. Dezember 2024 klargestellt, dass das Zeugnisdatum grundsätzlich der tatsächlichen Ausfertigung entsprechen soll – und nicht zwingend dem letzten Arbeitstag. Damit folgte das Gericht der bisherigen Rechtsprechung: Es gilt der Grundsatz, dass das Datum des Zeugnisses wahrheitsgemäß sein muss.
Gesetzliche Vorgaben
§ 109 GewO normiert das Zeugnisrecht: „Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis“. Dieses Zeugnis muss mindestens Art und Dauer der Tätigkeit nennen, auf Wunsch aber auch Leistung und Verhalten bewerten. Nach § 109 Abs. 2 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein und darf keine versteckten negativen Botschaften enthalten. Überträgt man dies auf das Datum, bedeutet es: Das Zeugnis soll inhaltlich und formal nicht irreführend sein – auch das Ausstellungsdatum muss daher korrekt sein. Das Gericht sprach hier von dem Grundsatz der „Zeugniswahrheit“, der sowohl den Inhalt als auch formale Aspekte wie das Datum umfasst. Deshalb darf das Zeugnis „das Datum tragen, das dem Tag der tatsächlichen Ausfertigung entspricht“.
Bisherige Praxis und Missverständnisse
In der Praxis war es lange üblich, Zeugnisse auf das Austrittsdatum zu datieren. Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer gingen irrtümlich davon aus, dass im Zeugnis „automatisch“ der letzte Arbeitstag stehen müsse. Dagegen spricht jedoch nichts im Gesetz: § 109 GewO schreibt kein bestimmtes Datum vor – er verlangt nur Wahrheit und Verständlichkeit. Andere Gerichte haben schon früher erklärt, dass das Ausstellungsdatum grundsätzlich dem Tag der Ausstellung entspricht. Man darf nämlich nicht „Rückdatierungen“ vornehmen, wenn keine Vereinbarung dies vorsieht. Einen Ausdruck dieses Rechtsgrundsatzes fand das LAG Köln in seinem Leitsatz: Liegen keine anders lautenden Vereinbarungen vor (etwa eine schriftliche Abrede oder ein Vorschlagsrecht des Arbeitnehmers), dann hat das Zeugnis das Datum zu tragen, das dem Tag der tatsächlichen Ausfertigung entspricht.
Es bestand also keine Pflicht, das Zeugnis ausdrücklich auf das Ende des Arbeitsverhältnisses zu datieren. Fehlt eine solche Abrede, widerspricht es dem Wahrheitsprinzip des Zeugnisses, ein früheres Datum anzugeben. Das Gericht verwies sogar darauf, dass die hergebrachte Gepflogenheit, Zeugnisse auf das Beendigungsdatum zu datieren, hinter dem allgemeinen Prinzip zurücktritt, Erklärungen mit ihrem tatsächlichen Datum auszustellen.
Das Urteil des LAG Köln (6 SLa 25/24)
Im entschiedenen Fall war das Arbeitsverhältnis eines Mitarbeiters – Ende: 28.02.2023 – im Wege eines gerichtlichen Vergleichs beendet worden. Das Zeugnis (Bewertung „gut“) wurde allerdings erst im April 2023 ausgestellt. Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin, das Zeugnis auf den 28.02.2023 zurückzudatieren. Er befürchtete, ein späteres Ausstellungsdatum könnte bei künftigen Arbeitgebern den Eindruck eines Rechtsstreits erwecken.
Das LAG Köln wies die Klage ab und bestätigte die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass kein Anspruch auf Rückdatierung bestehe. Kernaussagen des Urteils waren:
- Tatsächliches Ausstellungsdatum maßgeblich. Sofern nichts anderes vereinbart wurde, muss das Zeugnisdatum dem Tag der tatsächlichen Erstellung entsprechen. Das Gericht stützt dies auf den Grundsatz der Zeugniswahrheit: Das Dokument darf nicht „falsch datiert“ sein. Wörtlich hieß es: „Das Zeugnis darf das Datum tragen, das dem Tag der tatsächlichen Ausfertigung entspricht.“
- Keine Benachteiligung durch übliche Wartezeit. Ein Zeitraum von rund vier bis acht Wochen nach dem Austritt bewertete das Gericht als üblich. Gründe wie hohe Arbeitsbelastung, Urlaubszeiten oder Krankheit könnten die spätere Ausstellung erklären und rechtfertigen; daraus ließen sich keine negativen Rückschlüsse auf einen Streit ziehen.
- Keine Rückdatierung ohne Abrede. Das Gericht betonte, dass eine Rückdatierung nur möglich ist, wenn sie ausdrücklich vereinbart wurde (z.B. schriftlich im Vergleich oder als ausdrückliches Vorschlagsrecht). Liegt eine solche Vereinbarung nicht vor, besteht kein Rechtsanspruch auf ein früheres Zeugnisdatum.
- Bewertungszeitraum bleibt gleich. Unabhängig vom Datum des Zeugnisses gilt, dass die Bewertung (Leistung und Verhalten) grundsätzlich bis zum letzten Arbeitstag erfolgt – wie es § 109 Abs. 1 S. 3 GewO vorsieht. Das Argument des Klägers, die Beurteilung ende ohnehin mit dem Austritt, überzeugte das Gericht nicht. Im Urteil heißt es, auch das Verhalten am letzten Arbeitstag könne noch Gegenstand der Beurteilung sein.
Zusammenfassend blieb es bei der Entscheidung, dass der Arbeitgeber mit der Ausstellung des Zeugnisses die gesetzlichen Anforderungen erfüllt hatte. Ohne vorliegende Vereinbarung ist eine nachträgliche Rückdatierung nicht zu erzwingen. Der Kläger trug zudem selbst vor, nie konkret verlangt zu haben, das Zeugnis früher zu erhalten – sein Anspruch auf das Zeugnis war erst nach Ausübung seines Wahlrechts wirksam geworden.
Für Arbeitnehmer: Hinweise und Tipps
- Arbeitszeugnis rechtzeitig anfordern. Wer ein Zeugnis zum Austrittsdatum möchte, sollte es frühzeitig – bestenfalls schon vor oder mit Beendigung – schriftlich beim Arbeitgeber verlangen. Damit klärt man Erwartungen und regt eine zügige Ausstellung an.
- Verständnis für Bearbeitungszeit: Die Entscheidung stellt klar: 4–8 Wochen sind eine übliche Frist für die Erstellung. Kleine Verzögerungen, etwa durch Krankheit oder Urlaub in der Personalabteilung, sind normal. Eine geringfügige Abweichung des Datums ist daher meist unproblematisch.
- Klären statt voreilig klagen: Erscheint das Zeugnisdatum „falsch“ (z.B. deutlich nach dem letzten Arbeitstag), sollte man zuerst höflich beim Arbeitgeber nachfragen. Oft gibt es nachvollziehbare Gründe. Rechtlich kann man nur bei zuvor vereinbartem Datum eine Änderung verlangen. Ohne solche Abrede haben Arbeitnehmer keinen generellen Anspruch auf Rückdatierung.
- Anspruch durchsetzen: Sollte das Zeugnis unüblich lange ausbleiben (deutlich über zwei Monate) oder gar nicht erteilt werden, kann man das Zeugnis nach § 109 GewO gerichtlich einfordern. Normalerweise gilt aber: Solange der Antrag zeitnah gestellt wurde, muss der Arbeitnehmer nicht befürchten, dass ein späteres Erstelldatum sein Zeugnis entwertet.
Für Arbeitgeber: Hinweise und Tipps
- Tatsächliches Ausstellungsdatum nutzen. Arbeitgeber dürfen – und sollen – das Zeugnis mit dem Datum versehen, an dem sie es tatsächlich ausfertigen. Dies entspricht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit. Eine Ausnahme besteht nur bei ausdrücklicher Absprache (z.B. im Sozialplan oder Vergleich).
- Rückdatierungswünsche sorgfältig prüfen: Wenn ein Arbeitnehmer um Rückdatierung bittet, sollte der Arbeitgeber höflich erklären, dass eine solche Änderung rechtlich unüblich ist und nur bei vorheriger Vereinbarung verlangt werden kann. Kommt es dennoch zu einer Einigung, sollte diese schriftlich festgehalten werden. Generell besteht keine Pflicht, das Zeugnis auf einen früheren Tag zurückzudatieren.
- Zeugnis zügig erstellen: Verspätungen können zu Konflikten führen. Daher ist es ratsam, Zeugnisse zeitnah nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder der Antragstellung auszustellen. Selbst wenn die Bearbeitungszeit einige Wochen beträgt, hält das Gericht dies für üblich. Eine transparente Kommunikation über etwaige Verzögerungsgründe (z.B. Urlaub, Krankheitsvertretung) kann Unmut vermeiden.
- Dokumentation von Absprachen: Möchte ein Arbeitnehmer ein bestimmtes Datum im Zeugnis, kann man im Einzelfall flexibel sein. Zur Absicherung empfiehlt es sich aber, alle Absprachen über das Datum schriftlich festzuhalten. Das schafft Klarheit und schützt beide Seiten vor späteren Missverständnissen.
- Inhaltliche Sorgfalt: Unabhängig vom Datum gilt weiterhin: Das Zeugnis muss wohlwollend formuliert sein und darf keine versteckten Negativformulierungen enthalten (vgl. § 109 Abs. 2 GewO). Bei Unklarheiten zum Zeugnisrecht empfiehlt sich im Zweifel eine Beratung durch Fachleute.
Handlungsempfehlungen
Für Arbeitnehmer: Fordern Sie Ihr Zeugnis möglichst früh schriftlich an und klären Sie im Vorfeld, ob ein bestimmtes Datum gewünscht wird. Behalten Sie im Hinterkopf, dass eine kurze Verzögerung (ca. 1–2 Monate) normal ist und nicht automatisch negativ bewertet wird. Falls das Datum ungewöhnlich spät ist und keine Vereinbarung vorliegt, können Sie Ihren Anspruch schriftlich nachhaken – gesetzlich erzwingen lässt sich eine Rückdatierung aber nur mit vorheriger Abrede.
Für Arbeitgeber: Stellen Sie Ihr Zeugnis mit dem aktuellen Ausstellungsdatum aus. Ein rückwirkendes Datum sollten Sie nur dann setzen, wenn dies explizit mit dem Mitarbeiter vereinbart wurde. Achten Sie auf eine zügige Erstellung (innerhalb einiger Wochen) und dokumentieren Sie alle Absprachen zum Zeugnisdatum schriftlich. So vermeiden Sie Missverständnisse und wahren den Grundsatz der Zeugniswahrheit.