Ältere Mitarbeiter bringen nachweislich wertvolle Potenziale und Stärken in Unternehmen ein – gerade in Zeiten von Arbeitskräftemangel sind ihre Erfahrung und Kompetenzen sehr gefragt. Viele Betriebe stehen vor der Herausforderung, dass mit den geburtenstarken Jahrgängen eine Welle von Know-how-Trägern in Rente geht, während zu wenige Junge nachrücken. Vor diesem Hintergrund steigt die Bereitschaft der Arbeitgeber, leistungsfähige ältere Arbeitnehmer länger zu beschäftigen oder sogar aus dem Ruhestand zurückzuholen. Studien zeigen etwa, dass ältere Beschäftigte oft loyal, zuverlässig und sozial kompetent sind und seltener den Job wechseln.
Dennoch zeigt die Realität ein gemischtes Bild: Viele Beschäftigte scheiden bereits vor Erreichen des regulären Rentenalters aus dem Berufsleben aus. Laut Deutscher Rentenversicherung arbeiten nur rund 40 % der Neurentner tatsächlich bis zur gesetzlichen Altersgrenze, der Rest geht vorzeitig mit Abschlägen in Rente. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter lag 2024 bei etwa 64,7 Jahren – also deutlich unter der aktuell ansteigenden Regelaltersgrenze (die je nach Geburtsjahr inzwischen bei 66–67 Jahren liegt). Gründe dafür sind oft gesundheitliche Belastungen oder der Wunsch nach Freizeit im Alter. Häufig liegt es aber auch daran, dass die Arbeitsbedingungen nicht altersgerecht sind oder Arbeitgeber ältere Mitarbeiter gar nicht mehr weiterbeschäftigen wollen. Hier prallen zwei Entwicklungen aufeinander: Einerseits benötigen Wirtschaft und Gesellschaft die Expertise der Älteren, andererseits fühlen sich viele Senioren mit Blick auf Gesundheit und Arbeitsklima nicht in der Lage (oder nicht erwünscht), länger zu arbeiten.
Aktivrente: Steuerfreier Hinzuverdienst für Rentner geplant
Um ältere Menschen länger im Arbeitsleben zu halten, plant die Bundesregierung die Einführung der Aktivrente. Dieses Modell sieht vor, dass Rentnerinnen und Rentner ab 2026 bis zu 2.000 € im Monat steuerfrei hinzuverdienen können, wenn sie über die Regelaltersgrenze hinaus weiterarbeiten. Das würde bedeuten, dass ein Rentner z. B. mit Teilzeitjob neben seiner Rente bis zu 24.000 € jährlich verdienen dürfte, ohne dafür Einkommensteuer zu zahlen. Die große Koalition (CDU/CSU und SPD) hat diese Aktivrente im Koalitionsvertrag vereinbart, und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hofft auf einen Start Anfang 2026. Dieses steuerliche Zuckerbrot soll einen Anreiz schaffen, freiwillig länger zu arbeiten, ohne einen Zwang zur Anhebung des Rentenalters auszuüben. Merz betonte im Sommerinterview, es handele sich um ein freiwilliges Angebot: „Wir müssen die Lebensarbeitszeit verlängern – besonders für diejenigen, die es können und wollen“, und das solle ohne Zwang gelingen.
Die geplante Aktivrente ist jedoch politisch umstritten. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände kritisieren, dass punktuelle Steuervorteile das Rentensystem nicht nachhaltig stärken würden. Sie verweisen darauf, dass viele Ältere vor allem wegen ihrer Gesundheit oder ungünstiger Arbeitsbedingungen frühzeitig aussteigen – und weil manche Arbeitgeber sie schlicht nicht mehr haben wollen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert daher eher bessere Arbeitsbedingungen und altersgerechte Jobs statt Steuergeschenke für einige wenige. Auch Ökonomen zweifeln am Nutzen: Das Institut der deutschen Wirtschaft schätzt, die Aktivrente koste den Staat rund 2,8 Mrd. € jährlich an Steuerausfällen, bezweifelt aber, dass dadurch tatsächlich viele zusätzliche Senioren motiviert würden. Studien zeigen, dass Freude an der Arbeit und soziale Kontakte für ältere Arbeitnehmer oft wichtiger sind als finanzielle Anreize. Zudem kehren Rentner, die einmal in Ruhestand sind, nur selten in den Beruf zurück. Kritiker sprechen deshalb von einem „Steuergeschenk“ für diejenigen, die ohnehin weitergearbeitet hätten. Verfassungsrechtliche Bedenken werden ebenfalls diskutiert: Das Prinzip der steuerlichen Gleichbehandlung könnte verletzt sein, wenn nur Rentner einen solchen Freibetrag erhalten. Ob die Aktivrente tatsächlich kommt und in welcher Form, bleibt mit Blick auf diese Kritik abzuwarten.
Neben der Steuerfreiheit plant die Regierung weitere gesetzliche Erleichterungen, um Arbeit im Rentenalter attraktiver zu machen. So soll das Vorbeschäftigungsverbot im Teilzeit- und Befristungsrecht abgeschafft werden. Bislang gilt: Ein Arbeitnehmer, der bereits früher im Unternehmen beschäftigt war, darf nicht ohne Sachgrund befristet erneut eingestellt werden (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Dieses Verbot verhinderte z. B., dass ein Rentner nach Ende seines Arbeitsverhältnisses unkompliziert als befristeter Mitarbeiter zurückkehren kann – selbst wenn das ursprüngliche Arbeitsende Jahrzehnte zurückliegt. Geplant ist, diese Einschränkung für Rentner zu streichen, sodass ehemalige Mitarbeiter im Rentenalter leichter und rechtssicher wiederbeschäftigt werden können. Insgesamt zielen die Reformideen darauf ab, freiwilliges Weiterarbeiten im Alter zu erleichtern und bürokratische Hürden abzubauen.
Arbeiten neben der Rente: Aktuelle Rechtslage
Gegenwärtig dürfen Ruheständler bereits hinzuverdienen, jedoch ohne den speziellen Steuerbonus der geplanten Aktivrente. Wichtig zu unterscheiden ist: Ob jemand bereits eine Altersrente bezieht oder nicht. Wer nach Erreichen der Regelaltersgrenze (RA) seine Rente noch nicht beantragt, kann einfach weiterarbeiten – er schiebt den Rentenbezug auf und erhöht dadurch sogar seine spätere Rente. Für jeden Monat, den man über die Altersgrenze hinaus arbeitet, steigt der Rentenanspruch um 0,5 % (also 6 % pro Jahr). Dazu kommen die zusätzlichen Rentenbeiträge, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Weiterarbeit leisten. Dieses Hinausschieben des Rentenbeginns wird vom Gesetz bewusst belohnt, um längeres Arbeiten attraktiv zu machen. Es besteht keine Pflicht, zum frühestmöglichen Zeitpunkt in Rente zu gehen – man kann legal einfach weiter im Job bleiben und die Rente später beziehen.
Anders ist die Lage, wenn jemand bereits Altersrente bezieht und dennoch weiter arbeiten oder einen neuen Job annehmen möchte. Hier hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren die Zügel gelockert: Seit 2023 gibt es keine Hinzuverdienstgrenze mehr für vorgezogene Altersrentner. Früher durften Frührentner nur bis 6.300 € im Jahr hinzuverdienen, sonst wurde die Rente gekürzt. Diese Begrenzung hat der Bundestag abgeschafft – nun kann auch ein Rentner unter der Regelaltersgrenze unbegrenzt dazuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Damit gilt für alle Altersrentner: Rente beziehen und Einkommen aus Arbeit erzielen ist grundsätzlich möglich (Kombinationsparadigma „sowohl-als-auch“). Viele Ruheständler nutzen dies schon über Minijobs oder Teilzeit aus. Allerdings unterliegt der Arbeitslohn ganz normal der Besteuerung und Sozialversicherung, soweit er über den Minijob-Freibeträgen liegt. Ein Rentnerjob wird steuerlich behandelt wie ein Zuverdienst bei einem Arbeitnehmer: es fallen Lohnsteuer (abzüglich Freibeträge) und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an. Lediglich Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entfallen meist, da Altersrentner keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr erwerben. In der Rentenversicherung sind Altersrentner grundsätzlich versicherungsfrei; sie können aber freiwillig eigene Beiträge leisten, um ihren laufenden Rentenanspruch jährlich etwas zu erhöhen – der Arbeitgeberanteil wird ohnehin weiter entrichtet. Kurzum: Nach geltendem Recht darf jeder Rentner so viel arbeiten und verdienen, wie er möchte, muss aber die steuerlichen und sozialen Abgaben berücksichtigen, da es noch keinen generellen Steuerfreibetrag von 2.000 € speziell für Rentnerjobs gibt. Diese Steuerfreiheit wäre eine Neuerung durch die Aktivrente.
Kein automatisches Ende des Arbeitsverhältnisses bei Renteneintritt
Viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber glauben, mit Eintritt ins Rentenalter endet automatisch auch das Arbeitsverhältnis. Das stimmt so jedoch nicht: Ohne ausdrückliche vertragliche Regelung gibt es keine Altersgrenze, die ein unbefristetes Arbeitsverhältnis von Gesetzes wegen beendet. Weder das Erreichen eines bestimmten Lebensjahres noch der Bezug der Altersrente an sich führt per Gesetz zu einer Beendigung. Ein unbefristeter Arbeitsvertrag läuft also grundsätzlich weiter, bis er von einer Seite gekündigt oder per Aufhebungsvertrag beendet wird. Und wichtig: Eine Kündigung allein wegen des Alters ist unzulässig, da sie gegen das Verbot der Altersdiskriminierung (§ 1 AGG) verstößt. Der Arbeitgeber kann einen Mitarbeiter nicht einseitig „in Rente schicken“, sofern nicht entsprechende Klauseln vereinbart wurden.
In der Praxis wird daher meist vorsorglich eine vertragliche Altersgrenzenklausel vereinbart, um das Arbeitsverhältnis mit Renteneintritt enden zu lassen. Diese Klauseln können sich finden in:
- Tarifverträgen: Viele Branchen-Tarifverträge regeln, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats der Regelaltersgrenze endet. Z. B. bestimmt § 33 Abs. 1 TVöD, dass ein Beschäftigter automatisch ausscheidet, wenn er das gesetzliche Rentenalter erreicht, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das gilt unabhängig davon, ob der Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt tatsächlich einen Rentenantrag stellt. Tarifliche Altersgrenzen sind weit verbreitet und wirken normativ, d. h. sie gelten für alle tarifgebundenen Arbeitnehmer im Geltungsbereich.
- Betriebsvereinbarungen: In Betrieben ohne Tarifbindung können Arbeitgeber und Betriebsrat eine Altersgrenze per Betriebsvereinbarung festlegen. Auch hier wird oft die Regelaltersrente als Stichtag gewählt. Allerdings ist zu beachten, dass der Betriebsrat nur dann Regelungen treffen darf, wenn kein einschlägiger Tarif besteht (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Zudem müssen Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen angemessen sein – das Bundesarbeitsgericht (BAG) verlangt, dass die besondere Situation rentennaher Arbeitnehmer berücksichtigt wird, sonst kann die Klausel unwirksam sein. In der Regel sind aber auch betriebliche Vereinbarungen zulässig, solange sie an die gesetzliche Rentengrenze anknüpfen.
- Arbeitsverträge: Ist keine tarifliche Regelung vorhanden, vereinbaren viele Arbeitgeber individuell im Arbeitsvertrag eine Altersgrenze. Üblich ist die Formulierung, dass das Arbeitsverhältnis „mit dem Erreichen des Rentenalters“ oder „mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze vollendet“ endet. Diese Vertragsklauseln sind rechtlich gesehen Befristungsabreden auf einen auflösenden Zeitpunkt. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist, dass sie schriftlich vereinbart wurden (§ 14 Abs. 4 TzBfG) und dass ein Sachgrund für die Befristung vorliegt. Der erforderliche Sachgrund besteht bei Altersgrenzen typischerweise darin, dass der Arbeitnehmer ab Rentenalter sozial abgesichert ist (durch die gesetzliche Altersrente). Das BAG betont, der Mitarbeiter könne dann finanziell abgesichert ausscheiden und habe meist selbst zuvor vom Ausscheiden älterer Kollegen profitiert (Stichwort Generationengerechtigkeit). Daher wird das Arbeitgeberinteresse an planbarer Personal- und Nachwuchsplanung höher gewichtet als das individuelle Interesse des Seniors am Verbleib. Europarechtlich sind solche Klauseln ebenfalls anerkannt: Nach Art. 6 der EU-Richtlinie 2000/78/EG und § 10 Abs. 3 Nr. 5 AGG ist eine Vereinbarung, die das Ende ohne Kündigung auf den Rentenbeginn legt, zulässig. Sowohl der EuGH als auch das BAG haben entschieden, dass eine Befristung bis zum Erreichen der Regelaltersrente keine Altersdiskriminierung darstellt. Sie dient legitimen arbeits- und sozialpolitischen Zielen, insbesondere der Förderung einer ausgewogenen Altersstruktur und der Beschäftigungschancen Jüngerer. So hat das BAG etwa ausgeführt, dass das Freiwerden von Arbeitsplätzen durch Renteneintritt jüngeren Beschäftigten den Aufstieg und höhere Vergütungen ermöglicht – ein Aspekt der Generationengerechtigkeit, der letztlich der gesamten Gesellschaft dient.
Ohne eine solche Altersklausel läuft das Arbeitsverhältnis folglich nach Erreichen des Rentenalters unverändert weiter. Arbeitgeber müssen in diesem Fall, falls sie den Mitarbeiter nicht mehr beschäftigen wollen, eine reguläre Beendigung herbeiführen (etwa durch einen Aufhebungsvertrag oder eine betriebsbedingte Kündigung mit Sozialauswahl). Dabei dürfen sie das Alter nicht als Kündigungsgrund anführen. Umgekehrt bedeutet das: Beschäftigte haben de facto ein Weiterbeschäftigungsrecht, solange keine vereinbarte Altersgrenze greift. Vorsicht: Arbeitgeber sollten einen über die Altersgrenze weiterarbeitenden Mitarbeiter nicht einfach „laufen lassen“, wenn eigentlich eine Beendigung gewünscht ist. Nach § 15 Abs. 5 TzBfG gilt nämlich: Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis nach dem vorgesehenen Ende stillschweigend fortgesetzt, so entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Mit anderen Worten: Versäumt der Arbeitgeber, den Austritt bei 67 umzusetzen und der Arbeitnehmer arbeitet weiter, gilt das als Verlängerung auf unbestimmte Zeit. Deshalb ist klare Absprache wichtig.
Anspruch auf Weiterbeschäftigung: Was gilt über die Altersgrenze hinaus?
Angesichts der neuen Aktivrente stellt sich die Frage: Haben Arbeitnehmer – angespornt durch mögliche Steuerfreiheit – einen Anspruch darauf, über die vereinbarte Altersgrenze hinaus weiterbeschäftigt zu werden? Die Antwort lautet im Grundsatz: Nein, ein solcher Anspruch besteht nicht generell. Es kommt jedoch auf die Umstände an:
- Vertrag enthält Altersgrenze: Wurde wirksam vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Rentenalters endet, erlischt der Arbeitsvertrag automatisch zu diesem Zeitpunkt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Rechtsanspruch, einseitig darüber hinaus weiterzuarbeiten. Der Arbeitgeber muss ihn nicht über die Grenze hinaus beschäftigen – es sei denn, beide Seiten treffen eine neue Vereinbarung (siehe nächster Abschnitt). Ein Versuch, die Beendigung als Altersdiskriminierung anzugreifen, bleibt regelmäßig erfolglos, da die Klausel ja gerade nach AGG zulässig ist. Beispiel: In einem aktuellen Fall lehnte das BAG eine Entschädigung nach dem AGG ab, als ein Arbeitnehmer nach Erreichen der Altersgrenze nicht wieder eingestellt wurde – die Verweigerung der Weiterbeschäftigung aus Altersgründen sei durch das legitime Ziel der Generationenverteilung gerechtfertigt.
- Vertrag ohne Altersklausel: Fehlt eine Altersgrenze, kann der Arbeitnehmer über die Regelaltersgrenze hinaus im Unternehmen bleiben, sofern er arbeitsfähig ist. Der Arbeitgeber kann ihn nicht einfach wegen Erreichen eines bestimmten Alters kündigen. Ein Anspruch im engeren Sinne braucht es hier gar nicht – das bestehende Arbeitsverhältnis läuft schlicht fort. Erst wenn der Arbeitgeber aus anderen (betriebsbedingten oder verhaltensbedingten) Gründen kündigt, endet es, wobei das Alter bei der Sozialauswahl nach Kündigungsschutzgesetz eher ein Schutzkriterium (hohes Lebensalter = schutzbedürftiger) ist. Faktisch haben Arbeitnehmer ohne Altersgrenzenklausel also das „Recht“, so lange zu arbeiten, wie sie wollen bzw. können. Achtung: Ein Sonderfall ist der Öffentliche Dienst: Nach § 33 Abs. 1 TVöD endet das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Rentenaltersgrenze automatisch. Dort muss der Mitarbeiter also ausscheiden, sofern keine Weiterbeschäftigung vereinbart wird. Für Beamte gibt es ohnehin gesetzliche Altersgrenzen (meist 67 Jahre, mit Ausnahmen), die hier aber nicht im Mittelpunkt stehen.
- Unwirksame oder veraltete Klauseln: Es kann Konstellationen geben, in denen eine Altersgrenzenregelung zwar existiert, aber keine Wirkung entfaltet, sodass der Arbeitnehmer sich auf Weiterbeschäftigung berufen kann. Ein Beispiel ist eine vertragliche Klausel, die auf ein Lebensalter unterhalb der gesetzlichen Rentenaltersgrenze abstellt. Früher stand in vielen älteren Arbeitsverträgen, dass mit dem 65. Lebensjahr Schluss ist. Inzwischen liegt die Regelaltersgrenze jedoch bei 66–67. Das BAG hat entschieden, dass solche Klauseln in der Regel vertraglich so auszulegen sind, dass das Ende erst beim Erreichen der aktuellen Regelaltersgrenze eintreten soll. Im Umkehrschluss bedeutet das: Ein Arbeitnehmer kann verlangen, mindestens bis 67 weiterbeschäftigt zu werden, auch wenn im Vertrag noch „65“ steht. Hier handelt es sich weniger um einen gesetzlichen Anspruch als um eine Vertragsauslegung zugunsten des Arbeitnehmers. Sollte eine Altersklausel völlig unwirksam sein – etwa weil Formvorschriften nicht beachtet wurden oder ein unzulässiges Alter genannt ist –, dann greift sie nicht und das Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch. In solchen Fällen könnte der Arbeitnehmer im Wege einer Klage feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Abgesehen von solchen Ausnahmen gibt es kein generelles Weiterbeschäftigungsrecht gegen den Willen des Arbeitgebers. Insbesondere kann ein Arbeitnehmer, der mit 67 regulär ausgeschieden ist, nicht erzwingen, wieder eingestellt zu werden. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hilft ihm dann nicht, solange der Arbeitgeber sich auf die oben genannten sozialpolitischen Ziele stützen kann. So hat das BAG im April 2024 ausdrücklich bestätigt, dass selbst die Ablehnung einer Wieder-Einstellung eines Rentners wegen seines Alters im Grundsatz zulässig ist, weil damit das legitime Ziel verfolgt wird, jüngeren Bewerbern den Vorzug zu geben. Ältere Arbeitnehmer können also nicht auf unbestimmte Zeit „anwachsen“, sondern nur im Rahmen der vereinbarten Bedingungen oder durch neue Abmachungen weiterarbeiten.
Weiterarbeiten über die Altersgrenze: Welche Möglichkeiten gibt es?
Dass es keinen einseitigen Anspruch gibt, heißt nicht, dass niemand über 67 arbeiten kann – im Gegenteil. Wenn sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung wünschen, bietet das Arbeitsrecht geeignete Instrumente, um dies zu gestalten:
- Hinausschiebensvereinbarung nach § 41 S. 3 SGB VI: Diese Spezialregel erlaubt es, eine bereits vereinbarte Altersgrenze flexibel zu verschieben. Laut § 41 Satz 3 SGB VI können die Parteien eines Arbeitsvertrags, der eine Beendigung mit Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, während des laufenden Arbeitsverhältnisses vereinbaren, den Beendigungszeitpunkt hinauszuschieben – und zwar auch mehrmals. Praktisch bedeutet das: Hat Ihr Arbeitsvertrag (oder Tarifvertrag) ein Ende mit z. B. 67 vorgesehen, können Sie kurz bevor es soweit ist, gemeinsam beschließen, auf 68 zu verlängern. Diese Verlängerung gilt als befristete Weiterbeschäftigung und ist vom Gesetz ausdrücklich erlaubt (sie stellt einen eigenständigen Sachgrund dar). Wichtig ist, dass die Vereinbarung noch vor dem eigentlich vorgesehenen Ende getroffen wird. Geschieht dies erst nach dem Ausscheiden, wäre es rechtlich eine Neueinstellung (siehe Punkt 2). Eine Hinausschiebensvereinbarung sollte aus Beweisgründen schriftlich oder zumindest in Textform festgehalten werden. Früher verlangte das TzBfG hier die Schriftform, doch inzwischen genügt dank einer Gesetzesänderung auch Textform (z. B. E-Mail), solange es nur um die Verlängerung über die Altersgrenze geht. Vorteil: Durch § 41 S. 3 SGB VI wird die Weiterbeschäftigung rechtssicher; EuGH und BAG haben klargestellt, dass solche Befristungen im Rentenalter europarechtskonform und zulässig sind. Die ursprüngliche Altersgrenze bleibt als Endpunkt bestehen, wird aber nach beiderseitigem Wunsch verschoben. Aus Sicht des Arbeitgebers liegt darin kein Risiko, da das Arbeitsverhältnis zu dem neuen Datum automatisch endet – es sei denn, man schiebt erneut hinaus. Allerdings warnen Juristen vor zu häufiger Verlängerung: Wird § 41 S. 3 allzu oft genutzt (immer kurz befristet verlängert), könnte im Extremfall der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs entstehen. Empfohlen wird daher, maximal einmal oder nur in größeren Abständen zu verlängern, um auf der sicheren Seite zu bleiben.
- Neuer Arbeitsvertrag nach Rentenaustritt: Hat der Arbeitnehmer die Firma bereits verlassen (weil die Altersgrenze erreicht war oder er zwischenzeitlich in Rente gegangen ist), kann eine Wiedereinstellung erfolgen. Arbeitsrechtlich ist das eine Neueinstellung, auch wenn es früher schon ein Arbeitsverhältnis gab. Es gelten alle normalen Regeln für Arbeitsverträge: Man kann unbefristet oder befristet einstellen. Befristete Rentnerjobs sind in der Praxis beliebt, etwa um Projekttätigkeiten oder Urlaubsvertretungen abzudecken. Allerdings ist die Befristung ohne Sachgrund bei einer Wiedereinstellung problematisch, wenn zwischen Arbeitgeber und Rentner in den letzten drei Jahren schon ein Arbeitsverhältnis bestand – das aktuelle Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 14 Abs. 2 TzBfG) untersagt solch grundlose Befristungen nach kurzer Vorbeschäftigung. Genau dieses Hindernis will die Regierung mit der erwähnten Gesetzesänderung beseitigen. Bis dahin muss für eine zulässige Befristung ein Sachgrund vorliegen (z. B. projektbedingter Mehrbedarf, Vertretung, etc.) oder es muss eine Spezialregel wie § 14 Abs. 3 TzBfG greifen. § 14 Abs. 3 erlaubt immerhin, Arbeitnehmer über 52 Jahre nach längerer Arbeitslosigkeit befristet einzustellen, ohne weiteren Sachgrund. Doch direkt im Anschluss an die Rente trifft das oft nicht zu. Wichtig: Der Bezug einer Altersrente an sich ist kein anerkannter Sachgrund für eine Befristung, hat das BAG klargestellt. Man kann also nicht argumentieren, der- oder diejenige sei Rentner und deswegen nur befristet beschäftigen. Auch mehrfache Kettenverträge mit älteren Arbeitnehmern sind mit Vorsicht zu genießen – das ArbG Köln wertete die wiederholte Befristung desselben Rentners ohne Sachgrund als altersdiskriminierend. In Tarifverträgen (z. B. TVöD § 33 Abs. 5) ist teilweise vorgesehen, dass nach Renteneintritt ein neuer Vertrag abgeschlossen werden muss, wenn weitergearbeitet werden soll. Das unterstreicht: Der alte Vertrag ist beendet, und nun beginnt ein neues Arbeitsverhältnis zu möglicherweise veränderten Konditionen.
- Teilzeit und flexible Modelle: Oft wünschen beide Seiten für die Zeit nach der Rente kein Vollzeit-Arbeitsverhältnis mehr, sondern reduzierte Stunden. Hier kann man entweder im alten Vertrag eine Arbeitszeitreduzierung vereinbaren (am besten noch vor Renteneintritt), oder – nach Renteneintritt – gleich einen Teilzeitvertrag neu abschließen. Möglich ist auch, zunächst vollständig auszuscheiden und später auf Minijob-Basis wiederzukommen. Der Gesetzgeber betont die Flexibilität beim Übergang: Man spricht vom gleitenden Übergang in den Ruhestand. Modelle wie Teilrente (eine Kombination aus Teilzeitarbeit und anteiligem Rentenbezug) wurden mit der Flexirente reformiert. Beispielsweise kann ein 64-jähriger mit 50 % Teilzeit arbeiten und 50 % seiner vorgezogenen Rente beziehen – seit Abschaffung der Hinzuverdienstgrenze rechnet sich das eher, da keine Rentenkürzung mehr droht. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bieten sich hier individuelle Lösungen an, um Erfahrung zu sichern und zugleich die Arbeitsbelastung zu senken.
Wichtig ist in allen Fällen eine rechtzeitige Absprache. Wer über das Rentenalter hinaus arbeiten möchte, sollte frühzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen. Im Unternehmen müssen oft Planungen (Personalbudget, Nachwuchsstellen) angepasst werden. Außerdem bedarf es gegebenenfalls der Zustimmung des Betriebsrats: Das BAG hat entschieden, dass die Weiterbeschäftigung über die vereinbarte Altersgrenze hinaus als Neueinstellung im Sinne des § 99 BetrVG zu werten sein kann, die der Mitbestimmung unterliegt. Der Betriebsrat darf also mitreden, wenn ein Rentner im Betrieb gehalten oder erneut eingestellt wird – gerade bei tarifgebundenen Betrieben, wo eine tarifliche Altersgrenze überschritten werden soll. Dies sollte bei der Planung berücksichtigt werden.
Was Arbeitnehmer wissen sollten
Für Arbeitnehmer bedeuten diese Entwicklungen Folgendes: Es gibt neue Chancen, aber man muss sie aktiv nutzen. Ältere Beschäftigte sind heute gefragter denn je – ihre Erfahrung kann Gold wert sein. Die Politik will das mit finanziellen Anreizen wie der Aktivrente unterstützen. Doch ein gesetzlicher Anspruch, über das Rentenalter hinaus im selben Job zu bleiben, existiert nicht pauschal. Wer weiterarbeiten möchte, sollte daher:
- Vertrag prüfen: Schauen Sie in Ihren Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag, ob eine Altersgrenze vereinbart ist. Wenn nein, können Sie beruhigt sein: Ihr Arbeitsverhältnis läuft ohne Weiteres weiter. Wenn ja, wissen Sie, wann es endet (meist mit 67, gelegentlich früher – letzteres wäre ggf. anfechtbar).
- Früh planen: Melden Sie Ihrem Arbeitgeber frühzeitig Ihr Interesse an einer Weiterarbeit. Idealerweise einige Monate bevor Sie die Altersgrenze erreichen, damit genügend Zeit für eine Vereinbarung nach § 41 SGB VI oder einen Anschlussvertrag bleibt. Ist erst einmal das Ausscheidungsschreiben ausgehändigt, wird es komplizierter. Frühzeitige Kommunikation schafft Vertrauen – und ermöglicht dem Arbeitgeber Planungssicherheit.
- Schriftliche Vereinbarung treffen: Halten Sie jede Absprache unbedingt schriftlich oder textlich fest. Eine einfache Zusatzklausel wie „Die Parteien verschieben die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den 30.06.2026“ genügt, um die Weiterbeschäftigung rechtswirksam zu machen. Verhandeln Sie in dem Zuge auch gleich eventuelle Anpassungen (z. B. Arbeitszeitreduzierung, neue Aufgaben oder Gehalt). So vermeiden Sie Missverständnisse und sind vor Überraschungen sicher.
- Betriebsrat einbinden: Falls es einen Betriebsrat gibt, informieren Sie ihn über Ihre Absicht bzw. bitten den Arbeitgeber, die Mitbestimmungsrechte zu beachten. In der Regel wird ein Betriebsrat nichts gegen eine freiwillige Weiterbeschäftigung einzuwenden haben, sofern die Bedingungen fair sind. Aber formell muss er zustimmen, wenn es als Neueinstellung gilt.
- Steuerliche und finanzielle Aspekte bedenken: Überlegen Sie, was für Sie finanziell sinnvoll ist. Ohne Aktivrente müssen Sie Ihr Arbeitseinkommen voll versteuern. Mit dem geplanten Freibetrag ab 2026 könnten bis 2.000 € mtl. brutto steuerfrei bleiben – das würde einem Rentner mit einem 20-Stunden-Job zugutekommen. Prüfen Sie auch die Auswirkungen auf Kranken- und Pflegeversicherung (Altersrentner zahlen Beiträge daraus). Falls Sie Ihre Rente noch nicht beantragt haben, bedenken Sie den Rentenzuschlag von 0,5 % pro Monat Aufschub: Vielleicht lohnt es sich, die Rente ein paar Monate später zu nehmen, wenn Sie sowieso weiterarbeiten möchten. Andererseits: Wenn Sie bereits Rente beziehen, können Sie diese nicht mehr steigern außer durch (freiwillige) Beiträge aus einem Job – dafür bekommen Sie dann jährlich eine kleine Erhöhung gutgeschrieben.
- Flexibilität nutzen: Denken Sie über Alternativen nach. Vielleicht kommt statt einer Vollzeit-Weiterbeschäftigung eher eine Teilzeit- oder Projektarbeit infrage. Viele Arbeitgeber sind offen für flexible Lösungen mit ihren Rentnern, z. B. auf Beraterbasis oder Abrufarbeit (wie in KAPOVAZ-Modellen erwähnt). Wichtig ist, dass Sie und Ihr Arbeitgeber sich auf einen Modus einigen, der beiden Seiten passt.
Abschließend lässt sich sagen: Ältere Arbeitnehmer haben heute bessere Karten als früher, um über den Renteneintritt hinaus im Erwerbsleben zu bleiben. Die Rechtsprechung erlaubt altersbedingte Vertragsbeendigungen, aber sie verbietet nicht, freiwillig weiter zusammenzuarbeiten. In der aktuellen Diskussion um Aktivrente wird deutlich, dass die Gesellschaft die Erfahrung der „Silver Worker“ braucht – aber es kommt darauf an, individuell passende Vereinbarungen zu finden. Ein Rechtsanspruch mag fehlen, doch mit guter Planung und offener Kommunikation können Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam profitieren. Die Devise lautet: Informiert sein (auch über aktuelle Reformpläne) und proaktiv die Weichen stellen, damit aus „Ü65 und raus“ ein „Ü67 und gerne noch dabei“ werden kann.