In Darmstadt und Langen hat der Automobilzulieferer BorgWarner (Mutterkonzern der früheren Akasol) Anfang September 2025 überraschend einen drastischen Stellenabbau angekündigt. Nach Angaben der IG Metall sollen bis Januar 2026 rund 40 % der Stellen im Engineering-Bereich (Battery Technology Center, BTC) und 45 % der Arbeitsplätze im Werksbereich wegfallen. Das entspricht nahezu 350 Jobs, von insgesamt rund 800 Beschäftigten an den Standorten. Als Hauptgrund nannte das Management eine angespannte Auftragslage bei Großkunden – insbesondere Daimler Truck und Volvo – sowie allgemein schwierige Marktbedingungen. Die Mitarbeiter wurden am 8. September über diese Pläne informiert, was bei vielen für einen Schock sorgte.
Besonders brisant: Erstmals sind bei BorgWarner Akasol offenbar auch betriebsbedingte Kündigungen vorgesehen, um die geplante Reduzierung zu erreichen. In früheren Umbaumaßnahmen hatte das Unternehmen versucht, Entlassungen zu vermeiden – etwa am Standort Kirchheimbolanden wurde 2024 ein Stellenabbau ohne Zwangskündigungen vereinbart, indem Versetzungen und freiwillige Programme angeboten wurden. In Darmstadt/Langen hingegen zeichnen sich nun betriebsbedingte Kündigungen („Kahlschlag“) ab, sollte kein Alternativkonzept gefunden werden.
IG Metall und Betriebsrat reagierten empört und haben Widerstand angekündigt. Jörg Köhlinger, Bezirksleiter der IG Metall Mitte, kritisierte, es sei „völlig unverständlich, dass im Bereich einer Zukunftstechnologie wie der Batterieherstellung massiv Arbeitsplätze abgebaut werden sollen“, anstatt zukunftsfähige Konzepte zu entwickeln. Daniel Bremm, Geschäftsführer der IG Metall Darmstadt, bezeichnete die Pläne als Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten und die ganze Region Südhessen. Der Betriebsrat steht nun in intensiven Verhandlungen mit der Geschäftsführung. Offiziell bestätigte BorgWarner die „marktbedingten Anpassungen“, gab jedoch keine Details zur Verteilung der Kündigungen preis und verwies auf die laufende gesetzlich vorgeschriebene Informations- und Konsultationsphase mit den Betriebsräten. Es ist davon auszugehen, dass in diesem Rahmen über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt wird, um die Folgen für die Belegschaft abzumildern.
Betriebsbedingte Kündigungen – Voraussetzungen und Ablauf
Steht ein Arbeitsplatzabbau wie bei BorgWarner an, erfolgt dieser in der Regel durch betriebsbedingte Kündigungen. Eine betriebsbedingte Kündigung bedeutet, dass der Arbeitgeber die Kündigung mit „dringenden betrieblichen Erfordernissen“ begründet (§ 1 Abs. 2 KSchG). Typische Gründe sind z.B. Auftragsrückgänge, Umstrukturierungen oder die Schließung von Betriebsteilen. Im vorliegenden Fall beruft sich BorgWarner auf einen erheblichen Auftragsrückgang bei wichtigen Kunden, der zu Überkapazitäten führt – ein solcher Umsatz- und Auftragsrückgang kann laut ständiger Rechtsprechung durchaus eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, sofern dadurch das Arbeitsvolumen so weit sinkt, dass für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Beschäftigungsbedarf mehr besteht. Wichtig ist jedoch, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigungen eine unternehmerische Entscheidung getroffen hat (z.B. Produktionsdrosselung, Schließung einer Abteilung). Erst durch die Umsetzung dieser Entscheidung entfällt der Arbeitsplatz und entsteht ein dringendes betriebliches Erfordernis für Kündigungen.
Allerdings dürfen Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen nicht willkürlich oder vorschnell aussprechen. Es gelten strenge Voraussetzungen unter dem Kündigungsschutzgesetz (sofern der Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter hat und das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht). Insbesondere muss der Arbeitgeber prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz möglich ist, bevor er kündigt. Außerdem muss jede Kündigung „sozial gerechtfertigt“ sein – dazu gehört vor allem die korrekte Sozialauswahl (dazu gleich mehr). Auch formelle Anforderungen müssen eingehalten werden, etwa die schriftliche Anhörung des Betriebsrats vor jeder Kündigung (§ 102 BetrVG) und ggf. die Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit (§ 17 KSchG) bei großen Entlassungswellen. Fehler in diesen Verfahren können eine Kündigung unwirksam machen.
Beispiel: Sollte BorgWarner z.B. versäumen, den Betriebsrat ordnungsgemäß anzuhören oder die Massenentlassung nicht korrekt anzeigen, könnten betroffene Kündigungen bereits aus formellen Gründen unwirksam sein. Ebenso müssen die Kündigungsschreiben fristgerecht zugestellt und die jeweils geltenden Kündigungsfristen eingehalten werden. Für langjährig Beschäftigte können sich längere Kündigungsfristen aus Gesetz oder Tarifvertrag ergeben – auch das ist zu prüfen, wenn ein Kündigungsschreiben vorliegt.
Sozialauswahl – wer muss gehen, wer darf bleiben?
Stehen betriebsbedingte Kündigungen im Raum, kann der Arbeitgeber nicht einfach frei auswählen, wen er entlässt. Er ist gesetzlich verpflichtet, eine Sozialauswahl durchzuführen (§ 1 Abs. 3 KSchG). Ziel der Sozialauswahl ist es, die sozial am wenigsten schutzwürdigen Mitarbeiter als erste zu entlassen, um besondere Härten zu vermeiden. Vier Hauptkriterien sind dabei zu berücksichtigen:
- Betriebszugehörigkeit: Arbeitnehmer mit sehr langer Betriebszugehörigkeit genießen höheren sozialen Schutz. Jemand, der z.B. 20 Jahre im Unternehmen ist, soll weniger wahrscheinlich gekündigt werden als jemand mit 2 Jahren Betriebszugehörigkeit.
- Lebensalter: Ältere Arbeitnehmer haben es erfahrungsgemäß schwerer, eine neue Anstellung zu finden. Daher fällt eine Kündigung für sie härter ins Gewicht. In der Sozialauswahl wird höheres Alter zugunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt.
- Unterhaltspflichten: Beschäftigte mit Familienverantwortung (z.B. Kindern oder unterhaltsberechtigten Angehörigen) sind sozial schutzwürdiger. Wer z.B. Alleinverdiener mit mehreren Kindern ist, soll eher geschont werden als ein Kollege ohne Unterhaltspflichten.
- Schwerbehinderung: Schwerbehinderte Menschen haben einen besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz und sind in der Sozialauswahl ebenfalls besonders zu berücksichtigen.
Kurz gesagt: Die Personalabteilung muss alle vergleichbaren Arbeitnehmer in eine Rangfolge bringen. Oft wird dazu ein Punktesystem verwendet, bei dem für jedes Kriterium Punkte vergeben werden (z.B. pro Jahr Betriebszugehörigkeit, pro Lebensjahr, pro Kind etc.). Wer die geringste soziale Schutzbedürftigkeit aufweist – etwa jung, ledig, kurze Betriebszugehörigkeit, keine besondere Schwerbehinderung – steht in der Rangfolge vorn und wird als Erstes gekündigt. Umgekehrt sollen die sozial schutzwürdigsten Personen nach Möglichkeit im Betrieb verbleiben.
Natürlich darf nur unter vergleichbaren Arbeitnehmern ausgewählt werden. Vergleichbar sind meist diejenigen auf gleichen oder ähnlichen Positionen und Ebenen. Man bildet sogenannte Vergleichsgruppen – z.B. alle Mitarbeiter in einer bestimmten Abteilung oder mit derselben Tätigkeitsebene. Nicht vergleichbar wären z.B. ein Produktionsmitarbeiter und ein Abteilungsleiter, da sie völlig unterschiedliche Funktionen haben. Der Arbeitgeber muss also zunächst die Kreise der in Betracht kommenden Kündigungskandidaten korrekt bestimmen.
Ausnahmen: Das Gesetz erlaubt dem Arbeitgeber in gewissen Grenzen, einzelne Leistungsträger aus der Sozialauswahl herauszunehmen, wenn deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG). Darunter fallen insbesondere Arbeitnehmer mit besonderen Kenntnissen oder Fähigkeiten, die für das Unternehmen unentbehrlich sind, oder um eine ausgewogene Personalstruktur zu erhalten. In der Praxis heißt das: BorgWarner könnte versuchen, bestimmte Spezialisten oder Schlüsselpersonen trotz geringerer Sozialpunkte zu behalten. Allerdings ist diese Herausnahme nur in engen Grenzen zulässig und oft streitig – man darf damit keine Sozialauswahl „nach Belieben“ aushebeln. Im Zweifel muss der Arbeitgeber vor Gericht genau darlegen, warum gerade dieser Mitarbeiter unersetzlich war.
Wichtig für Betroffene: Eine fehlerhafte Sozialauswahl ist ein häufiger Angriffsgrund in Kündigungsschutzklagen. Wenn vergleichbare Kollegen mit deutlich längerer Betriebszugehörigkeit oder größerer Unterhaltslast gekündigt wurden, während weniger schutzbedürftige bleiben durften, kann die Kündigung als „sozial ungerechtfertigt“ unwirksam sein. Betroffene sollten daher hinterfragen, warum gerade sie ausgewählt wurden und ob alle relevanten Kriterien berücksichtigt wurden. Im Zweifel kann ein Anwalt oder der Betriebsrat die Sozialauswahl prüfen.
Abfindung – gibt es einen Anspruch auf Abfindungszahlung?
Viele gekündigte Arbeitnehmer hoffen auf eine Abfindung als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes. Automatisch gibt es bei einer betriebsbedingten Kündigung aber keinen gesetzlichen Abfindungsanspruch. Das ist ein häufiger Irrtum. Ein Anspruch auf Abfindung entsteht nur, wenn eine entsprechende Vereinbarung existiert – sei es gesetzlich, tariflich oder individuell vertraglich. Im Wesentlichen kommen drei Konstellationen in Betracht:
- Sozialplan: In größeren Unternehmen mit Betriebsrat wird bei Massenentlassungen meist ein Sozialplan ausgehandelt. Ein Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, die Abfederungsmaßnahmen für die Kündigungen festlegt – typischerweise Abfindungszahlungen nach einer bestimmten Formel, oft abhängig von Betriebszugehörigkeit und Alter. Beispiel: In einem Sozialplan könnte stehen, dass jedem gekündigten Mitarbeiter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Bruttomonatsgehalt als Abfindung zusteht. Sozialpläne sehen teilweise auch höhere Abfindungen vor (zwischen 0,5 und 1,0 Monatsgehälter pro Jahr sind gängig), außerdem evtl. Prämien für Härtefälle, Zahlungen in eine Transfergesellschaft usw. Wichtig: Ein Sozialplan wird erzwingbar verhandelt (notfalls durch eine Einigungsstelle). Sobald er steht, besteht ein Rechtsanspruch der einzelnen Mitarbeiter auf die ausgehandelten Leistungen. Im Fall BorgWarner ist ein Sozialplan wahrscheinlich, da über 20 Mitarbeiter betroffen sind und der Betriebsrat ihn verlangen kann. Betroffene sollten sich genau informieren, welche Abfindung ihnen nach dem Sozialplan zusteht, falls eine Einigung erzielt wird.
- Gesetzliche Abfindung nach § 1a KSchG: Das Kündigungsschutzgesetz kennt in § 1a eine Art Regelabfindung. Dieser Sonderfall greift jedoch nur, wenn der Arbeitgeber in der Kündigung schriftlich anbietet, eine Abfindung zu zahlen, falls der Mitarbeiter keine Kündigungsschutzklage erhebt. Die Höhe dieser gesetzlichen Abfindung ist festgelegt: 0,5 Monatsverdienste pro Jahr Betriebszugehörigkeit (§ 1a II KSchG). In der Praxis formulieren einige Arbeitgeber solche Angebote, um Rechtsfrieden zu schaffen. Falls Sie also ein Kündigungsschreiben von BorgWarner erhalten, schauen Sie genau nach: Steht dort ein Abfindungsangebot für den Fall des Klageverzichts? Wenn ja, hätten Sie einen gesetzlichen Abfindungsanspruch, sofern Sie die Klagefrist verstreichen lassen. Achtung: Überlegen Sie gut, ob das Angebot ausreichend ist – oft kann man durch Verhandlungen mehr erreichen. Zudem verzichten Sie bei Annahme auf eine Kündigungsschutzklage, mit der Sie evtl. eine höhere Abfindung erstreiten könnten.
- Individuelle Vereinbarungen/Verträge: In manchen Arbeits- oder Tarifverträgen gibt es Klauseln, die bei betriebsbedingter Kündigung Abfindungen vorsehen. Dies ist aber selten. Häufiger ist es, dass Arbeitgeber freiwillig Abfindungen anbieten, um Kündigungen einvernehmlich zu lösen (etwa durch Aufhebungsverträge oder Abwicklungsvereinbarungen). Solche Abfindungen sind Verhandlungssache – es besteht kein Anspruch, aber man kann versuchen, eine gute Summe herauszuholen. Gerade im Kündigungsschutzprozess ist es üblich, dass am Ende ein Vergleich steht, in dem das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet wird. Faustformel: Ein gerichtlich ausgehandelter Vergleich orientiert sich oft an der Regelabfindung (0,5 Monatsgehälter pro Jahr), kann aber je nach Prozessrisiko auch deutlich höher liegen. Wenn z.B. die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage für den Arbeitnehmer gut sind (weil dem Arbeitgeber Fehler unterlaufen sind), wird dieser eher bereit sein, eine höhere Abfindung zu zahlen, um einen Prozess zu vermeiden.
Fazit: Ohne Sozialplan oder Abfindungsangebot muss niemand leer ausgehen, aber man muss selbst aktiv werden – etwa durch eine Kündigungsschutzklage, um Verhandlungsdruck aufzubauen. Dann besteht eine realistische Chance, eine Abfindung im Vergleich zu erzielen, auch wenn anfangs kein Anspruch darauf bestand. Umgekehrt sollte man ein Sozialplan-Angebot nicht vorschnell ausschlagen; es bietet zumindest eine sichere Basis. Ein Anwalt kann helfen, abzuwägen, ob im konkreten Fall eine höhere Abfindung verhandelbar wäre (z.B. bei offenkundigen Kündigungsfehlern).
Kündigungsschutzklage – Fristen, Verfahren und Chancen
Wer von einer Kündigung betroffen ist und sich dagegen wehren möchte, dem steht in Deutschland die Kündigungsschutzklage zur Verfügung. Damit wird vor dem Arbeitsgericht geprüft, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt und rechtmäßig war. Wichtig ist die strikte Frist: Innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung muss die Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden. Diese dreiwöchige Klagefrist ist gesetzlich in § 4 KSchG verankert. Wird sie versäumt, gilt die Kündigung automatisch als rechtswirksam – selbst wenn sie inhaltlich eigentlich unwirksam wäre. Nach Fristablauf hat man nur in sehr seltenen Ausnahmefällen eine Chance auf nachträgliche Zulassung (z.B. schwere Krankheit ohne Verschulden), die jedoch fast nie greift. Deshalb: Frist im Kalender markieren und unbedingt einhalten!
Das Verfahren einer Kündigungsschutzklage läuft in der Regel so ab: Nach Klageeinreichung bestimmt das Gericht zeitnah einen Gütetermin. Dort wird versucht, eine gütliche Einigung zu erzielen – oft geht es direkt um die Frage einer Abfindung. Kommt keine Einigung zustande, folgt ein Kammertermin (Haupttermin), in dem Beweise erhoben werden können und das Gericht am Ende ein Urteil spricht. Inhaltlich muss der Arbeitgeber dem Gericht darlegen, warum die Kündigung gerechtfertigt war: also den betrieblichen Grund (z.B. Wegfall von Arbeitsplätzen durch Auftragsmangel) und dass er die Sozialauswahl korrekt durchgeführt hat. Gelingt ihm das nicht, wird die Kündigung für unwirksam erklärt.
Für den Arbeitnehmer bedeutet ein obsiegendes Urteil zunächst, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. In der Praxis enden die meisten Kündigungsschutzklagen jedoch mit einem Vergleich, in dem sich beide Seiten auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung einigen. Arbeitgeber bevorzugen oft diese Lösung, um keine ungewollte Weiterbeschäftigung im Betrieb zu haben, und Arbeitnehmer nehmen die Abfindung, weil das Vertrauensverhältnis meist zerrüttet ist. Die Erfolgsaussichten einer Klage hängen stark vom Einzelfall ab. Bei BorgWarner wird es darauf ankommen, ob das Unternehmen alle Vorgaben (Sozialauswahl, korrekte Verfahren, echte betriebliche Erfordernisse) eingehalten hat. Jede Unachtsamkeit des Arbeitgebers kann die Kündigung zu Fall bringen – etwa eine falsche Sozialauswahl, fehlende Anhörung des Betriebsrats, Formfehler im Kündigungsschreiben oder Versäumnisse bei der Massenentlassungsanzeige. Für Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz (d.h. das Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar) lohnt es sich daher fast immer, die Kündigung zumindest prüfen zu lassen. Oft bestehen Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Klage oder zumindest für eine Verbesserung der Abfindung im Vergleichswege.
Zu beachten ist: Während des laufenden Verfahrens bleibt der Arbeitnehmer zwar grundsätzlich ohne Lohn (da die Kündigung vorerst wirksam ist, bis ein Gericht etwas anderes entscheidet). Sollte er jedoch gewinnen, kann er in vielen Fällen sogar die Nachzahlung des entgangenen Gehalts verlangen – es sei denn, ein Vergleich regelt etwas anderes. Dieses Risiko erhöht natürlich den Druck auf den Arbeitgeber, sich gütlich zu einigen.
Tipp: Lassen Sie sich spätestens nach Erhalt der Kündigung sofort anwaltlich oder von der Gewerkschaft beraten, um die Klage rechtzeitig und in richtiger Form einzureichen. Viele Fachanwälte bieten eine Erstberatung an, um die Erfolgsaussichten einzuschätzen. Wenn Sie Rechtsschutzversicherung oder Gewerkschaftsmitgliedschaft haben, übernimmt diese oft die Kosten des Verfahrens.
Rolle des Betriebsrats – Mitbestimmung beim Stellenabbau
In einer Situation wie bei BorgWarner haben Betriebsrat und Gewerkschaft eine zentrale Rolle. Der Betriebsrat vertritt die Belegschaft und besitzt nach dem Betriebsverfassungsgesetz bei Betriebsänderungen umfangreiche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte. Konkret bedeutet das:
- Informations- und Beratungsrechte: Die Geschäftsführung muss den Betriebsrat frühzeitig und umfassend informieren, wenn ein größerer Stellenabbau geplant ist. Dies ist hier offenbar geschehen („gesetzlich vorgeschriebene Informations- und Konsultationsphase“ läuft bereits). Der Betriebsrat darf die Hintergründe der Planung erfahren (wirtschaftliche Lage, Auftragsentwicklung etc.) und eigene Vorschläge einbringen, wie Entlassungen ggf. vermieden oder reduziert werden können.
- Interessenausgleich verhandeln: Bei Massenentlassungen oder größeren Umstrukturierungen wird in der Regel ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verhandelt. Darin wird festgehalten, ob, wann und wie die geplante Maßnahme umgesetzt wird – z.B. wie viele Stellen in welchen Bereichen abgebaut werden. Der Interessenausgleich soll die Interessen beider Seiten ausgleichen. Gelingt keine Einigung, kann der Betriebsrat zwar den Stellenabbau nicht dauerhaft verhindern, aber zumindest eine Einigungsstelle anrufen. In jedem Fall verzögert ein Streit darüber oft die Umsetzung und erhöht den Druck auf den Arbeitgeber, sozialverträgliche Lösungen zu finden.
- Sozialplan erzwingen: Wie oben schon erwähnt, hat der Betriebsrat bei Betrieben >20 Mitarbeitern ein Recht auf einen Sozialplan (§ 112 BetrVG). In diesem Sozialplan werden typischerweise Abfindungen, Überbrückungshilfen, Transfergesellschaften oder ähnliche Maßnahmen festgelegt, um die wirtschaftlichen Nachteile für die Gekündigten abzumildern. Kommt keine Einigung zustande, entscheidet notfalls die Einigungsstelle über den Inhalt des Sozialplans – der Arbeitgeber kann sich dem also nicht entziehen. Die IG Metall wird den Betriebsrat bei diesen Verhandlungen unterstützen, sodass Betroffene darauf hoffen können, zumindest eine finanzielle Kompensation oder Unterstützungsleistungen zu erhalten.
- Anhörung zu jeder Kündigung: Unabhängig von den großen Verhandlungen muss der Betriebsrat vor jeder einzelnen Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG). Er bekommt vom Arbeitgeber eine Mitteilung mit den Gründen der geplanten Kündigung und kann dazu Stellung nehmen. Er hat zwar kein Vetorecht, kann aber Widerspruch einlegen, insbesondere wenn er der Meinung ist, dass soziale Auswahlkriterien verletzt wurden, der Betroffene an anderer Stelle weiterbeschäftigt werden könnte oder die Kündigung aus formalen Gründen unwirksam ist. Legt der Betriebsrat Widerspruch ein, muss der Arbeitgeber dies dem Arbeitnehmer in der Kündigung mitteilen. Für den Arbeitnehmer bringt ein formeller Widerspruch den Vorteil, dass er im Falle einer Kündigungsschutzklage bis zum Abschluss des Verfahrens Weiterbeschäftigung verlangen kann (§ 102 Abs. 5 BetrVG) – ein zusätzliches Druckmittel.
- Unterstützung und Beratung der Beschäftigten: Ein guter Betriebsrat wird die Kollegen in so einer Krise nicht allein lassen. Er kann Informationsversammlungen abhalten, die Belegschaft über ihre Rechte aufklären und ggf. rechtliche Beratung vermitteln. Betriebsratsmitglieder kennen oft die individuellen Fälle und können bei sozialen Härtefällen (Alleinerziehende, Schwerbehinderte etc.) besonders intervenieren. Zudem kann der Betriebsrat bei Bedarf Transfergesellschaften oder Weiterbildungsangebote initiieren, um den Gekündigten den Übergang in neue Jobs zu erleichtern (falls z.B. BorgWarner dazu bereit ist, so etwas mitzufinanzieren, was häufig Teil eines Sozialplans sein kann).
Der Betriebsrat ist Ihr Ansprechpartner im Betrieb, wenn Sie von den Kündigungen betroffen sind. Scheuen Sie sich nicht, dort nachzufragen, wie der Stand der Verhandlungen ist, ob es einen Sozialplan gibt und worauf Sie achten müssen. Betriebsrat und IG Metall werden auch öffentlich Druck machen, wie die zitierten Stellungnahmen zeigen, um vielleicht doch noch Alternativen (wie Kurzarbeit, Verlagerung innerhalb des Konzerns, Freiwilligenprogramme) zu erwirken. Ganz verhindern lässt sich ein Stellenabbau meist nicht, aber die Bedingungen für die Beschäftigten lassen sich verbessern, wenn eine starke Arbeitnehmervertretung am Tisch sitzt.
Handlungsempfehlungen: Was sollten Betroffene jetzt tun?
Wenn Sie zu den potenziell betroffenen Mitarbeitern bei BorgWarner gehören, ist die Situation zweifellos belastend. Wichtig ist jedoch, aktiv zu bleiben und nichts Wichtiges zu versäumen. Hier sind konkrete Tipps, wie Sie jetzt vorgehen sollten:
- Ruhe bewahren und informieren: Lassen Sie sich nicht von Gerüchten verrückt machen. Verschaffen Sie sich einen Überblick: Gibt es schon offizielle Schreiben oder persönliche Gespräche mit Vorgesetzten? Welche Abteilungen und Personen sind voraussichtlich betroffen? Informieren Sie sich über Ihre Rechte – zum Beispiel auf Betriebsversammlungen, über die IG Metall oder bei einem Fachanwalt.
- Kündigungsschreiben abwarten – und dann genau prüfen: Nicht jeder wird sofort eine Kündigung erhalten; es kann gestaffelt passieren. Sobald Sie jedoch ein Kündigungsschreiben in den Händen halten, prüfen Sie es sorgfältig (ggf. mit anwaltlicher Hilfe). Achten Sie auf folgende Punkte:
- Kündigungsgrund: Ist einer angegeben? (Bei größeren Betrieben muss er nicht im Detail im Schreiben stehen, oft steht nur „aus betriebsbedingten Gründen“.)
- Kündigungsfrist: Entspricht das Beendigungsdatum der vertraglichen/gesetzlichen Kündigungsfrist? (BorgWarner muss zumindest die Mindestkündigungsfristen einhalten – je nach Betriebszugehörigkeit können das mehrere Monate sein.)
- Hinweise auf Abfindung oder Angebote: Enthält das Schreiben ein Angebot nach § 1a KSchG (Abfindung für Klageverzicht) oder Verweis auf einen Sozialplan? Solche Hinweise sind wichtig für Ihre Entscheidung.
- Betriebsratsanhörung: Idealerweise steht im Schreiben, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde. Wenn nicht, könnte das ein Ansatzpunkt für eine Klage sein.
- *Drei-Wochen-Frist* für Kündigungsschutzklage notieren: Falls Sie eine Kündigung erhalten, tickt ab Zugang die 3-Wochen-Uhr. Spätestens innerhalb von 3 Wochen müssen Sie Klage beim Arbeitsgericht einreichen, sonst ist der Kampf ums Weiterbeschäftigung oder eine Abfindung praktisch verloren. Diese Frist sollten Sie unbedingt einhalten, auch wenn Sie zunächst unsicher sind. Eine Klage kann man notfalls später zurückziehen, aber eine versäumte Frist lässt sich kaum reparieren. Gehen Sie also frühzeitig zu einem Anwalt oder zur Gewerkschaft, um die Klageschrift aufzusetzen.
- Ansprüche sichern – nichts vorschnell unterschreiben: Seien Sie vorsichtig mit Aufhebungsverträgen oder Freiwilligenprogrammen, die Ihnen angeboten werden könnten. Unterschreiben Sie nicht übereilt! Ein Aufhebungsvertrag kann zwar eine schnelle Abfindung bringen, aber auch Nachteile wie Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Lassen Sie so etwas immer erst prüfen. Beachten Sie: Wenn es einen Sozialplan gibt, bekommen Sie Ihre Abfindung ohnehin, auch ohne sofort etwas zu unterschreiben. Nehmen Sie sich die Zeit, Angebote in Ruhe abzuwägen oder professionellen Rat einzuholen.
- Unterlagen und Beweise sammeln: Dokumentieren Sie alles, was den Stellenabbau und Ihre Position betrifft. Wichtige Dokumente sind z.B.:
- Ihr Arbeitsvertrag und relevante Zusatzvereinbarungen (für Prüfungen von Kündigungsfristen, Versetzungsklauseln etc.).
- Kündigungsschreiben (wenn erhalten) – bewahren Sie den Umschlag mit Poststempel auf, um das Zugangsdatum nachweisen zu können.
- Falls vorhanden: Sozialplan-Kopie oder Infos über Abfindungsregelungen.
- Schriftverkehr mit dem Arbeitgeber, Memos, E-Mails, in denen evtl. Gründe genannt werden oder Aussagen über Ihre Leistung/Fähigkeiten gemacht wurden. (Z.B. wenn kurz vor der Kündigung noch neue Aufgaben verteilt wurden oder jemand Ihre Unentbehrlichkeit betont hat – könnte wichtig sein, falls der Arbeitgeber behauptet, er musste gerade Sie entlassen.)
- Leistungsbeurteilungen, Zeugnisse, um im Zweifel darzulegen, dass keine verhaltensbedingten Gründe vorlagen und Sie vergleichbar mit Kollegen sind.
- Notizen: Fertigen Sie ein Gedächtnisprotokoll an, falls relevante Gespräche stattgefunden haben (z.B. Ankündigungen in Meetings: „Wir müssen leider 45% abbauen…“). Diese Notizen können später helfen, sich zu erinnern und ggf. dem Anwalt ein vollständiges Bild zu geben.
- Frühzeitig arbeitssuchend melden: Sobald Sie von Ihrer Kündigung wissen (oder bei einem Aufhebungsvertrag die Beendigung vereinbaren), melden Sie sich unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend. Dafür müssen Sie nicht bis zum letzten Arbeitstag warten – es reicht die Kenntnis, dass Ihr Job endet. Die Meldung sollte spätestens innerhalb von 3 Tagen nach Erhalt der Kündigung erfolgen, um keine Nachteile zu riskieren. Eine frühe Meldung ermöglicht auch, dass Sie schneller Vermittlungsangebote oder Schulungen bekommen.
- Kontakt zum Betriebsrat/IG Metall halten: Nutzen Sie Ihre Interessenvertretung. Fragen Sie den Betriebsrat nach dem Stand der Verhandlungen: Gibt es schon einen Interessenausgleich oder Sozialplan-Entwurf? Werden Kriterien und Auswahlprozesse offen gelegt? Der Betriebsrat kann Ihnen auch sagen, ob er Ihrer Kündigung widersprochen hat – was für eine mögliche Weiterbeschäftigungsklage relevant wäre. Wenn Sie IG Metall-Mitglied sind, können Sie sich zusätzlich von der Gewerkschaft beraten und ggf. rechtlich vertreten lassen (die IG Metall bietet Mitgliedern Rechtsschutz in solchen Fällen). Auch wenn Sie bisher kein Mitglied sind, kann es sinnvoll sein, jetzt beizutreten, um Unterstützung zu erhalten.
- Berufliche Neuorientierung angehen: So hart es klingt – beginnen Sie parallel damit, Ihre Zukunft zu planen. Nutzen Sie Angebote zur Weiterqualifizierung oder Transfermaßnahmen, falls BorgWarner so etwas anbietet. Aktualisieren Sie Ihre Bewerbungsunterlagen und informieren Sie Ihr Netzwerk darüber, dass Sie eventuell verfügbar sind. Oft ergeben sich über Kontakte schneller neue Chancen, als man denkt. Die frühzeitige Arbeitssuchend-Meldung bei der Arbeitsagentur (siehe oben) ist auch wichtig, um z.B. an Beratungs- und Vermittlungsangebote zu kommen. Denken Sie daran: Eine Kündigungsschutzklage kann einige Monate dauern und eine Abfindung (falls erreicht) ersetzt zwar finanziell einiges, aber eine perspektivisch neue Stelle zu finden, ist langfristig ebenso wichtig.
Zum Schluss: Lassen Sie den Kopf nicht hängen. Auch wenn BorgWarner gerade viele Stellen streicht – Sie haben Rechte und Chancen, die Situation abzufedern. Informieren Sie sich, nutzen Sie Betriebsrat und anwaltliche Beratung, und halten Sie wichtige Fristen ein. So erhöhen Sie Ihre Aussichten, entweder Ihren Arbeitsplatz doch noch zu behalten oder zumindest mit einer fairen Abfindung und neuen Perspektiven aus der Krise zu gehen. Die aktuelle Lage ist ernst, aber mit dem richtigen Vorgehen können Sie das Bestmögliche für sich herausholen. Bleiben Sie nicht passiv, sondern kümmern Sie sich aktiv um Ihre Interessen – dabei stehen Fachleute wie ein Anwalt für Arbeitsrecht (etwa Dr. Usebach) gern an Ihrer Seite. Viel Kraft und Erfolg dabei!