Abweisung von Klagen der Wirecard-Anleger gegen die BaFin: LG Frankfurt legt Urteilsbegründungen vor

11. Februar 2022 -

Das Landgericht Frankfurt hat am 19.01.2022 in vier Verfahren zu den Aktenzeichen 2-04 O 65/21, 2-04 O 531/20, 2-04 O 561/20, 2-04 O 563/20 die Klagen von Anlegern der Wirecard-Aktien gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) abgewiesen.

Aus der Pressemitteilung des LG Frankfurt vom 11.02.2022 ergibt sich:

Die geschädigten Wirecard-Aktionäre hatten mit ihren Klagen Schadensersatz in unterschiedli-cher Höhe von der BaFin verlangt. Sie waren der Meinung, die beklagte Bundesanstalt habe die Marktmanipulationen von Wirecard nicht verhindert und die Öffentlichkeit nicht ausreichend infor-miert. Außerdem hätten Bedienstete der BaFin ihr Amt missbraucht.

Die Kammer hat nun ausgeführt, eine Amtshaftung sei ausgeschlossen, weil die BaFin keine einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt habe. Die Kläger zählten nicht zu dem Personenkreis, dessen Belange nach den rechtlichen Bestimmungen des Finanzdienstleistungs-aufsichtsgesetzes geschützt werden sollten. Danach werde die BaFin nur im öffentlichen Inte-resse tätig, nicht aber im Individualinteresse der Kapitalanleger. „Der einzelne Anleger wird durch die bankenaufsichtsrechtliche Tätigkeit der Beklagten lediglich mittelbar als reflexartige Folgewir-kung der im öffentlichen Interesse (…) beaufsichtigten Unternehmen (…) geschützt“, erklärten die Richter in ihrer schriftlichen Begründung unter Verweis auf eine bereits bestehende und ge-festigte höchstrichterliche Rechtsprechung.

Die Wirecard-Anleger könnten sich auch nicht mit Erfolg auf einen Amtsmissbrauch der BaFin berufen, und zwar selbst wenn einzelne Mitarbeiter der Behörde ihrerseits Wirecard-Aktien er-worben hatten. Ein Amtsmissbrauch erfordere ein besonders verwerfliches Verhalten, das von sachfremden, rein persönlichen Motiven getragen werde. „Allein der Umstand, dass Mitarbeiter der Beklagten Aktien der Wirecard AG besessen und mit diesen gehandelt hatten, vermag ein sittenwidriges Verhalten nicht zu begründen. Zudem ist nicht ersichtlich, dass diese Mitarbeiter (…) nicht an dem Wertverfall der Aktien teilgenommen haben“, erläuterte die Kammer in ihrer Urteilsbegründung.

Schließlich scheiterten die Klagen auch daran, dass die geschädigten Anleger möglicherweise auf andere Weise Ersatz für ihre Vermögenseinbußen erlangen können. Bei einem nur fährlässi-gen Handeln seien Amtshaftungsansprüche der Behörde nämlich subsidiär, so dass die klagen-den Wirecard-Anleger zunächst anderweitige Ersatzmöglichkeiten hätten ausschöpfen müssen. In Betracht kämen Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder der Wirecard AG. Dass ein Vorstand unbekannten Aufenthalts sei, stehe einer Klage nicht entgegen, denn es bestehe die Möglichkeit einer sog. öffentlichen Zustellung einer gegen ihn gerichteten Klage. Es sei auch nicht vorgetra-gen, dass im Inland kein Vermögen der Vorstände mehr vorhanden sei. „Jedenfalls kommt als Ersatzmöglichkeit aber die Inanspruchnahme der vormaligen Abschlussprüfer der Wirecard AG, der (…) Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, in Betracht“, so die Richter.

Die Entscheidungsgründe der vier Urteile vom 19.1.2022 (Az.: 2-04 O 65/21, 2-04 O 531/20, 2-04 O 561/20, 2-04 O 563/20) werden in Kürze in der Landesrechtsprechungsdatenbank (www.lareda.hessenrecht.hessen.de) veröffentlicht. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Gegen eine bereits am 5.11.2021 ergangene, klageabweisende Entscheidung der 8. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (Az.: 2-08 O 98/21) wurde Berufung eingelegt. Sie ist in der Landesrechtsprechungsdatenbank abrufbar.