Annahmeverzug nach unwirksamer Kündigung ohne Hinweis auf Ende der Arbeitsunfähigkeit

18. Januar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 11.07.2019 zum Aktenzeichen 6 Sa 663/18 entschieden, dass im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis die arbeitsunfähige Arbeitnehmerin nicht verpflichtet ist, die Arbeitgeberin über ihre Wiedergenesung zu unterrichten.

Die Voraussetzungen der Einwendung aus § 297 BGB hat vielmehr die Arbeitgeberin darzulegen, die aus dieser Rechte herleitet.

Die Klägerin war nicht verpflichtet, auf das Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit hinzuweisen, um die Beklagte in Annahmeverzug geraten zu lassen. Es genügt im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der objektive Wiedereintritt ihrer Leistungsfähigkeit; die Kenntnis der Arbeitgeberin hiervon ist nicht zuletzt wegen der Verschuldensunabhängigkeit des Annahmeverzuges unerheblich. Der Hinweis der Arbeitnehmerin auf die fortbestehende oder wieder eingetretene Leistungsfähigkeit gehört grundsätzlich nicht zu den positiven Tatbestandsvoraussetzungen des Verzugslohnanspruchs nach §§ 615, 293 bis 296 BGB (hierzu und im Folgenden: BAG v. 19.04.1990 – 2 AZR 591/89 -; sowie in Fortentwicklung dieser Rechtsprechung zu einem Fall langer Arbeitsunfähigkeit wie hier: BAG v. 24.11.1994 – 2 AZR 179/94 -). Die Bestimmung des § 297 BGB, der zufolge die Arbeitgeberin nicht in Verzug kommt, wenn die Arbeitnehmerin außerstande ist, die Arbeitsleistung zu bewirken, wenn sie also zum Beispiel arbeitsunfähig ist, enthält eine Einwendung, deren tatbestandliche Voraussetzungen die Arbeitgeberin darzulegen und ggf. zu beweisen hat. Stellt man allein auf den Wortlaut des § 297 BGB ab, so läge vorliegend Annahmeverzug schon deswegen vor, weil die Klägerin jedenfalls ab dem 08.06.2015, also zu der Zeit, als die Beklagte als Gläubigerin nach § 296 BGB der Klägerin Arbeit hätte zuweisen können, zur Bewirkung ihrer Arbeitsleistung imstande war – denn sie war nicht mehr arbeitsunfähig, was sich schon aus der Leistung der Bundesagentur für Arbeit ab diesem Zeitpunkt und mangels entgegenstehendem substantiierten Vortrages der Beklagten ergibt. Dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt mangels Mitteilung durch die Klägerin nicht wusste, dass die Klägerin wieder arbeitsfähig war, dass also sie – die Beklagte – zur Vermeidung der Verzugsfolgen der Klägerin Arbeit hätte zuweisen müssen, hindert den Anspruch auf Annahmeverzugsentgelt nicht. Auf eine derartige Kenntnis von der Leistungsfähigkeit des Schuldners wird in §§ 296, 297 BGB nicht abgestellt (BAG v. 19.04.1990 – 2 AZR 591/89 – Rn. 19; BAG v. 24.11.1994 – 2 AZR 179/94 -).

Mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung der Beklagten zum 31.05.2015 sei unwirksam. Sie hat damit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angestrebt und damit ihre Leistungsbereitschaft (wenn auch nicht ihre Leistungsfähigkeit) angezeigt. Eines zusätzlichen Antrages auf Weiterbeschäftigung bedurfte es hierfür nicht. Muss der Gläubiger – hier die Beklagte – bei der Arbeitszuweisung unter kalendermäßiger Bestimmung mitwirken, so braucht der Schuldner – hier die Klägerin – bei eindeutig bestehender und mitgeteilter Leistungsbereitschaft nicht auch noch seine tatsächlich bestehende Leistungsfähigkeit anzeigen. Denn das Gesetz geht in § 296 BGB davon aus, der Gläubiger müsse von sich aus ohne jeden Anhaltspunkt betreffend die Leistungsfähigkeit des Schuldners mitwirken. Selbst wenn die Beklagte Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Klägerin im Zeitraum ab dem 08.06.2015 gehabt haben sollte, so ist das unerheblich, weil nach § 296 BGB der Gläubiger ohnehin über die Leistungsfähigkeit des Schuldners grundsätzlich im Unklaren gelassen wird, Zweifel in dieser Hinsicht also gesetzesimmanent sind. Es war deshalb Sache der Beklagten, der Klägerin Arbeit zuzuweisen. Da sie dies nicht getan hat, schuldet sie den der Höhe nach unstreitigen Betrag aus Annahmeverzug gemäß §§ 615, 293, 296 BGB (vgl. hierzu insgesamt: BAG v. 19.04.1990 – 2 AZR 591/89 – BAGE 65, 98-105).