Anspruch auf Strafverfahren gegen Arzt

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. Januar 2020 zum Aktenzeichen 2 BvR 859/17 entschieden, dass es gegen Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes verstößt, soweit ein Strafermittlungsverfahren gegen einen Arzt eingestellt wurde.

Die Tochter des Beschwerdeführers, der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, Frau F., befand sich seit dem Jahr 2003 mehrfach in psychiatrischer Behandlung und unternahm wiederholt Suizidversuche. Im Jahr 2009 wurde bei ihr eine schizoaffektive beziehungsweise schizophrene Störung diagnostiziert. Sie befand sich nach einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustands im Zeitraum vom 11. August 2011 bis zu ihrem Tod am 12. November 2011 in stationärer akutpsychiatrischer Behandlung in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums N.

Bei Ausgängen am 27. September 2011 und 29. Oktober 2011 unternahm Frau F. jeweils einen Suizidversuch, am 9. November 2011 unternahm sie einen solchen auf der Station. Für den 12. November 2011 gewährte ihr der Oberarzt der Station, Dr. M., einen unbegleiteten Ausgang für maximal vier Stunden auf dem Klinikgelände. Während dieses Ausgangs begab sich Frau F. auf die ungesicherte Außentreppe eines Gebäudes, stürzte sich etwa aus der Höhe des vierten Stocks von der Treppe hinab und verstarb.

Der Beschwerdeführer erstattete mit Schreiben vom 10. April 2012 Strafanzeige gegen den Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Dr. X., den bis zum 3. November 2011 tätigen Oberarzt der Station Dr. H., den im Anschluss daran dort tätigen Oberarzt Dr. M. sowie die Stationsärztin Dr. K.

Dem Beschwerdeführer steht ein Anspruch auf effektive Strafverfolgung aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG zu. Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war der Verdacht der fahrlässigen Tötung zum Nachteil seiner Tochter, mithin eine erhebliche Straftat gegen das Leben, deren Verfolgung vom Beschwerdeführer als nahem Angehörigen verlangt werden kann. Ein Verzicht auf die effektive Verfolgung einer Tat, die das eventuell nachlässige Verhalten eines Klinikarztes (oder sogar mehrerer Ärzte) betrifft und nach dem Vorwurf des Beschwerdeführers zum Tod einer in dortiger Obhut befindlichen Patientin geführt haben kann, kann im Hinblick auf den hohen Stellenwert des menschlichen Lebens zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und zu einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen.