Ausgleichspflichten zwischen Versicherungen bei „doppelt versichertem Risiko“

17. Januar 2020 -

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 17.12.2019 zum Aktenzeichen 8 U 73/18 entschieden, dass die Haftpflichtversicherung eines Belegarztes eine im Krankenhaus angestellte Hebamme persönlich nicht auf anteiligen Ausgleich in Anspruch nehmen kann, wenn der aufgrund von Behandlungsfehlern verursachte Geburtsschaden sowohl über die Versicherung des Arztes als auch über die des Anstellungskrankenhauses der Hebamme versichert ist.

Aus der Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 4/2020 vom 14.01.2020 ergibt sich:

Vorrangig sei die Versicherung des Krankenhauses in Rückgriff zu nehmen, so das Oberlandesgericht.

Die klagende Haftpflichtversicherung eines Arztes begehrte von der beklagten Hebamme anteiligen Ausgleich geleisteter Zahlungen für einen Geburtsschaden. Der versicherte Arzt und die beklagte Hebamme waren an der Entbindung eines Kindes im Jahr 1995 beteiligt. Der Frauenarzt war Belegarzt in dem Hospital, die Beklagte war dort angestellt. Nach dem Belegarztvertrag haftete der Arzt den Patienten gegenüber unmittelbar für alle Schäden, die bei der ärztlichen Versorgung entstehen. Mitwirkende Angestellte des Krankenhauses, wie die Hebamme, sind sog. Erfüllungsgehilfen des Belegarztes.
Der Belegarzt war verpflichtet, eine ausreichende Haftpflichtversicherung für sie abzuschließen. Das Kind erlitt unter der Geburt eine schwere Asphyxie. Der versicherte Arzt wurde wegen Behandlungsfehlern rechtskräftig zu Schadensersatz und einem Schmerzensgeld i.H.v. 300.000 Euro verurteilt. Mit der Klage nahm die Versicherung des Arztes die Hebamme auf Ausgleich von 75% dieser Verpflichtungen in Anspruch.
Das Landgericht hatte der Klage auf Basis einer hälftigen Haftungsverteilung stattgegeben. Hiergegen richtete sich die Berufung der beklagten Hebamme.

Das OLG Frankfurt hat der Berufung stattgegeben.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat die klagende Versicherung keine Ansprüche gegen die Hebamme. Dabei könne offenbleiben, ob der Hebamme möglicherweise ebenso wie dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen sei. Der Belegarztvertrag sehe jedenfalls vor, dass der Belegarzt den Patienten gegenüber unmittelbar für alle Schäden hafte und eine ausreichende Haftpflichtversicherung auch für die Hebamme abzuschließen habe. Der Hebamme sei damit für den Fall der Verletzung ihrer Pflichten Haftpflichtschutz gegen Ansprüche von Patienten zugesagt, ohne dass ein Rückgriff vorbehalten wäre.

Außerdem sei die Beklagte im Rahmen ihrer Tätigkeit doppelt versichert gewesen: Zum einen über die Haftpflichtversicherung des Arztes, zum anderen über die Haftpflichtversicherung ihres Krankenhauses. Die Hebamme sei damit vor Vermögenseinbußen wegen der Belastung mit Schadensersatzansprüchen von Patienten doppelt abgesichert gewesen. Sei das identische Interesse gegen die identische Gefahr, wie hier, mehrfach haftpflichtversichert, liege ein Fall vor, der zu einem Innenausgleich zwischen den Haftpflichtversicherern führe. Es bestehe demnach ein Vorrang des Innenausgleichs zwischen den beiden beteiligten Versicherern. Die klagende Versicherung müsse sich damit an die Versicherung des Krankenhauses wenden, soweit sie Ausgleich der bereits erbrachten Zahlungen begehre.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.