Berufung muss bei Streit zur Heranziehung zu Wasserverbandsbeiträgen zugelassen werden

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 16. April 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 2705/16 entschieden, dass die Nichtzulassung der Berufung zur Frage der rechtmäßigen Heranziehung zu Wasserverbandsbeiträgen verfassungswidrig ist.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin von Grundstücken im Verbandsgebiet eines Wasser- und Bodenverbands. Dieser entstand durch Zusammenlegung eines Deichverbands und eines Gewässerunterhaltungsverbands.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die Gründungssatzung des heutigen Wasser- und Bodenverbands sei nichtig, so dass es an einer Rechtsgrundlage für den Erlass des Beitragsbescheids fehle. Die Satzung leide an mehreren Mängeln. So liege ein Verstoß gegen das Gebot der klaren und eindeutigen Verbandsgebietsfestlegung aus § 6 Abs. 2 Nr. 3 Wasserverbandsgesetz (WVG) vor, da für die Aufgabe der Erhaltung der Hochwasserschutzdeiche und die Aufgabe der Gewässerunterhaltung jeweils ein unterschiedliches Verbandsgebiet definiert werde.

Nach erfolglosem Widerspruch gegen einen Beitragsbescheid wurde ihre Klage mit Urteil des Verwaltungsgerichts abgewiesen.

Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung wurde mit angegriffenem Beschluss abgelehnt. Darin führt das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung dargelegt. Die Verbandssatzung sei nicht wegen fehlender Bestimmtheit im Hinblick auf die Verbandsaufgabe nichtig. Die zwei unterschiedlichen Aufgaben des Verbands rechtfertigten die Festlegung zweier nicht vollständig deckungsgleicher Verbandsgebiete. Entsprechend würden auch unterschiedliche Beiträge erhoben, so dass vor diesem Hintergrund § 6 Abs. 2 Nr. 3 WVG der Festsetzung mehrere Verbandsgebiete nicht entgegenstehe. Dessen Wortlaut sei insofern offen. Außerdem sei nur durch die Ausweisung abweichender Verbandsgebiete die Zuweisung mehrerer Aufgaben an einen Verband möglich, was wiederum § 2 WVG ausdrücklich vorsehe.

Eine von der Beschwerdeführerin daraufhin erhobene Anhörungsrüge wurde mit ebenfalls angegriffenem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung in Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 103 Abs. 1 sowie in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Nichtzulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht und durch die Zurückweisung der Anhörungsrüge durch das Oberverwaltungsgericht.

Das Oberverwaltungsgericht habe die Berufungszulassungsvoraussetzungen insgesamt übermäßig streng gehandhabt. Sie habe sowohl den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dargelegt als auch den der grundsätzlichen Bedeutung. Dadurch, dass das Oberverwaltungsgericht im Nichtzulassungsbeschluss die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es bestehe nur ein einziges Satzungsgebiet, für unzutreffend erklärt und stattdessen eigene Erwägungen angestellt habe, warum die erstinstanzliche Entscheidung dennoch richtig sei, werde sie in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Die vom Oberverwaltungsgericht stattdessen angestellten Erwägungen zu der Frage, ob ein Wasser- und Bodenverband ohne Verstoß gegen § 6 Abs. 2 Nr. 3 WVG mehrere Verbandsgebiete haben kann, gehe über den Umfang dessen hinaus, was das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf den Austausch der Begründung durch das Berufungsgericht im Berufungszulassungsverfahren gestatte. Die Frage hätte nur im Berufungsverfahren und nicht im Berufungszulassungsverfahren beantwortet werden dürfen. Es handele sich um die Frage grundsätzlicher Bedeutung, derentwegen sie die Berufungszulassung begehrt habe. Es sei bislang ober- und höchstrichterlich ungeklärt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Wasser- und Bodenverband mehrere Verbandsgebiete haben könne. Dies werfe unter anderem Probleme der doppelten Mitgliedschaft sowie bei der Erhebung der Mitgliedsbeiträge auf. So werde ihr die Möglichkeit zur Revision in dieser Grundsatzfrage genommen.

Der Deich- und Unterhaltungsverband führt in seiner Stellungnahme aus, das Ersatzargument des Oberverwaltungsgerichts, mit der es die Nichtzulassung begründet habe, habe auf der Hand gelegen. Da das Oberverwaltungsgericht eine rein rechtliche Auslegung vornehme, zu der von den Beteiligten bereits vorgetragen worden war, liege auch kein Abschneiden von Rechten mit überraschenden Ersatzargumenten vor. In der Praxis würden die von der Beschwerdeführerin beschriebenen Probleme nicht auftreten, da in der Regel alle Aufgaben das gleiche Gebiet beträfen, so dass die Umschreibung eines Verbandsgebiets ausreiche. Im vorliegenden Fall liege wasserrechtlich eine besondere Situation vor, da es sich um einen landesgesetzlich bestimmten Sonderverband nach § 80 WVG handele. Der Verband sei durch Zusammenschluss zweier ebenfalls landesgesetzlich bestimmter Sonderverbände entstanden, nämlich eines Unterhaltungsverbands nach § 64 Niedersächsisches Wassergesetz (NWG) und eines Hochwasserdeichverbands nach § 7 Abs. 2 Niedersächsisches Deichgesetz (NDG). Das Verbandsgebiet des Unterhaltungsverbands bestimme sich nach Anlage 4 zu den §§ 63 f. NWG nach dem Niederschlagsgebiet der dort aufgeführten Hauptgewässer, während sich das Verbandsgebiet eines Hochwasserdeichverbands aus der Festlegung des deichgeschützten Gebiets durch Verordnung der Deichbehörde nach § 9 Abs. 3 NDG folge. Da beide Verbände Aufgaben in landesgesetzlich vorgesehenen Gebieten zu erfüllen hätten, sei man gezwungen gewesen, nach dem Zusammenschluss weiterhin zwei getrennte Verbandsgebiete vorzusehen. Der Zusammenschluss beider Verbände sei zur Senkung der Kosten durch Nutzung von Synergieeffekten erfolgt.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Entscheidung durch die Kammer liegen diesbezüglich vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulassung der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; 125, 104 <140>; 134, 106 <118>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 -, Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Dezember 2010 – 1 BvR 2011/10 -, Rn. 17; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Januar 2017 – 2 BvR 2615/14 -, Rn. 18 f.; Beschluss des Ersten Senats vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 -, Rn. 26 ff.).

Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist im Hinblick auf eine Verletzung der Beschwerdeführerin in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zulässig (a) und hat – soweit sie zulässig ist – auch in der Sache Erfolg (b).

Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig, als die Beschwerdeführerin eine Verletzung in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG rügt, weil die Berufung im Hinblick auf die Frage, ob die Verbandssatzung zwei Verbandsgebiete ausweist und ob dies zur Nichtigkeit der Satzung führt, nicht zugelassen wurde. Im Hinblick auf die weiteren Rügen genügt das Vorbringen jedoch nicht den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde (§ 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVerfGG).

Die Verfassungsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Darlegung eines Berufungszulassungsgrunds überspannt und damit die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt.

Aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergeben sich Anforderungen an die gerichtliche Handhabung des Rechtsmittelrechts. Zwar gewährleistet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG keinen Anspruch auf die Errichtung eines Instanzenzuges. Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgrün-de nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden. Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht – wie hier die §§ 124, 124a VwGO – den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit eröffnet, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 134, 106 <117 Rn. 34> m.w.N.; stRspr).

Danach ist eine Auslegung und Anwendung der §§ 124, 124a VwGO mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert. Dies gilt sowohl für die gerichtliche Handhabung der Anforderungen an die Darlegung der gesetzlich vorgesehenen Zulassungsgründe als auch für die Handhabung der Anforderungen an das Vorliegen von Zulassungsgründen (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34> m.w.N.; stRspr).

Die Anforderungen an die Darlegung werden etwa dann verfassungswidrig überspannt, wenn an die Begründung eines Zulassungsantrags nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dieselben Anforderungen gestellt werden wie an die spätere Berufungsbegründung nach § 124a Abs. 3 VwGO, für die zusätzliche Zeit zur Verfügung steht. Ebenso wenig kann dem Antrag auf Zulassung der Berufung – auch im Hinblick auf die Frist zu seiner Begründung – die Darlegung vollständiger Gründe abverlangt werden, die das Gericht im Fall der Stattgabe selbst zu entwickeln hätte (vgl. BVerfGE 125, 104 <139> m.w.N.). Generell dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f.>). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verpflichtet das Zulassungsgericht insbesondere dazu, den Vortrag des Antragstellers angemessen zu würdigen und durch sachgerechte Auslegung selbstständig zu ermitteln, welche Zulassungsgründe der Sache nach geltend gemacht werden und welche Einwände welchen Zulassungsgründen zuzuordnen sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. Juni 2005 – 1 BvR 2615/04 -, Rn. 23 f.; Beschluss des Ersten Senats vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 -, Rn. 29).

Die Anforderungen an das Vorliegen eines Zulassungsgrunds selbst werden insbesondere dann in verfassungswidriger Weise überspannt, wenn das Gericht zur Ablehnung der Zulassung in einer sachlichen Tiefe argumentiert oder argumentieren müsste, die dem eigentlichen Rechtsmittelverfahren vorbehalten ist. Dies wird dem Charakter des Zulassungsverfahrens nicht gerecht und versperrt unzulässig den Zugang zur nächsten Instanz, in der eine vertiefte Auseinandersetzung mit den aufgeworfenen Fragen stattfinden müsste. Steht wie hier ein Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 4 VwGO in Rede, wird dann nicht nur die Möglichkeit des Berufungsverfahrens abgeschnitten, sondern kann zugleich der Rechtsweg zum Bundesverwaltungsgericht als der zur abschließenden fachgerichtlichen Klärung rechtsgrundsätzlicher Fragen des Bundesrechts zuständigen Instanz versperrt sein (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 -, Rn. 30).

Für die Handhabung der Anforderungen an Darlegung und Vorliegen von Zulassungsgründen ergeben sich daraus für die verschiedenen Zulassungsgründe je eigene verfassungsrechtliche Anforderungen.

Der in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genannte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils wurde verfassungsrechtlich dahingehend konkretisiert, dass die Berufung zuzulassen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; 125, 104 <140>; 134, 106 <118 Rn. 35 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 -, Rn. 15). Die Handhabung des Zulassungsgrunds ernstlicher Zweifel ist demgemäß dann mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unvereinbar, wenn das Gericht in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise und damit objektiv willkürlich verneint, dass schlüssige Gegenargumente gegen einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung bestehen (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; 125, 104 <140>; 134, 106 <118 Rn. 35 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 -, Rn. 29).

Ernstliche Zweifel sind nicht erst gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfGE 110, 77 <83>; 125, 104 <139 f.>; BVerfGK 15, 37 <47>). Das Zulassungsverfahren hat nicht die Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfGE 125, 104 <139>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 – 1 BvR 830/00 -, Rn. 15; BVerfGK 15, 37 <47>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Januar 2017 – 2 BvR 2615/14 -, Rn. 19). Dabei begegnet es keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) im Rahmen des im Zulassungsverfahren vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfangs auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es – soweit rechtliches Gehör gewährt ist – die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist (BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>).

Der Berufungs- und Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache wird dahingehend ausgelegt, dass es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommen muss, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juni 2016 – 1 BvR 2453/12 -, Rn. 20; stRspr). Allerdings dürfen die Anforderungen an das Vorliegen dieser Voraussetzungen von Verfassungs wegen nicht unzumutbar überspannt werden. Insbesondere darf die Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage nicht in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise und damit objektiv willkürlich verneint werden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Juni 2019 – 1 BvR 587/17 -, Rn. 34).

Diesen Maßstäben wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Berufung nicht gerecht. Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung der Zulassungsanforderungen den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise erschwert und dadurch die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt.

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts genügt den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzanforderungen insoweit nicht, als im Hinblick auf die Rüge der Beschwerdeführerin, die Verbandssatzung weise entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zwei Verbandsgebiete aus und dies stelle einen Fehler dar, der zur Nichtigkeit der Satzung führe, das Vorliegen des Zulassungsgrunds der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts verneint wurde (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Das Oberverwaltungsgericht ist in seinem Beschluss der Auffassung der Beschwerdeführerin gefolgt, dass die Verbandssatzung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zwei Verbandsgebiete und nicht eines ausweist. Die Beschwerdeführerin hatte damit das Urteil des Verwaltungsgerichts in einer tragenden Begründung erschüttert. Zwar war es dem Oberverwaltungsgericht nach den oben angeführten Maßstäben nicht verwehrt, die Berufung dennoch nicht zuzulassen, weil das Urteil sich aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Dem Oberverwaltungsgericht war es jedoch bei Beachtung des Gebots effektiven Rechtsschutzes verwehrt, zur Begründung der Ergebnisunerheblichkeit bereits im Berufungszulassungsverfahren die Rechtsfrage zu klären, die die Beschwerdeführerin im eigentlichen Berufungsverfahren klären lassen wollte, nämlich, ob die Ausweisung zweier Verbandsgebiete in der Satzung eines Wasser- und Bodenverbands einen Fehler darstellt, der zur Nichtigkeit der Satzung führt. Diese Frage ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang ungeklärt.

Dass die Ausweisung zweier Verbandsgebiete nicht vollkommen unproblematisch ist, ergibt sich daraus, dass zum einen gemäß § 23 Abs. 2 WVG die Mitgliedschaft in einem Wasserverband auch gegen den Willen eines Betroffenen begründet werden kann, und zum anderen, dass die Mitgliedsbeiträge gemäß § 28 WVG von den Mitgliedern eines Wasser- und Bodenverbands nur im Hinblick auf die Erfüllung der Verbandsaufgabe erhoben werden können, derentwegen die Mitgliedschaft begründet wurde. Bei einem Wasser- und Bodenverband, der wegen zweier unterschiedlicher Aufgaben zwei unterschiedliche Verbandsgebiete definiert und damit zwei nicht deckungsgleiche Gruppen von Mitgliedern aufweist, eröffnen sich zahlreiche Fragen, beispielsweise welche rechtlichen Anforderungen an die Berechnung des Finanzbedarfs und die Beitragsverwendung zu stellen sind oder auch welche Mitwirkungsrechte den Mitgliedern zustehen.

Zwar geht das Oberverwaltungsgericht auf die Problematik der Beitragserhebung und -verwendung in seinem Beschluss ein. Damit nimmt es aber bereits das Berufungsverfahren vorweg. Selbst wenn es so sein sollte, dass die Mehrzahl der Wasserverbände mehrere Verbandsaufgaben hat, wie der Gegner des Ausgangsverfahrens meint, liegt es nicht auf der Hand, dass und unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist. Bei den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts handelt es sich daher nicht um ein Ersatzargument, das sich von selbst versteht.

Aus den gleichen Gründen genügt die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzanforderungen auch insofern nicht, als es angenommen hat, die Rüge der Beschwerdeführerin, die Verbandssatzung weise zwei Verbandsgebiete aus und dies stelle einen Fehler dar, der zur Nichtigkeit der Satzung führe, begründe keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen auch dieses Zulassungsgrunds unter Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verneint. Wie vorstehend ausgeführt, hat das Oberverwaltungsgericht durch die Begründung seines Nichtzulassungsbeschlusses das Berufungsverfahren vorweggenommen und in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage verneint.

Da das Oberverwaltungsgericht die Zulassung der Berufung nicht ohne Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ablehnen konnte, beruht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf diesen Verfassungsverstößen.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Nichtzulassung der Berufung beruht auf der Verletzung von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Er ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 93c i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Mit der Aufhebung dieses Beschlusses wird der ebenfalls angegriffene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Anhörungsrüge gegenstandslos.