Beschwerde des Innensenators gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu Versammlungsauflagen für eine pro-palästinensische Versammlung

02. Mai 2024 -

Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 30.04.2024 zum Aktenzeichen 1 B 163/24 der Beschwerde des Innensenators gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu Versammlungsauflagen für eine pro-palästinensische Versammlung teilweise stattgegeben.

Aus der Pressemitteilung des OVG Bremen vom 30.04.2024 ergibt sich:

Die Antragstellerin möchte ab dem 02.05.2024 wöchentlich eine stationäre Kundgebung zur „Situation im Nahen Osten“ durchführen. Die Versammlung soll in dem Zeitraum vom 02.05.2024 bis 13.06.2024 jeweils donnerstags zwischen 16:30 Uhr und 18:30 Uhr auf dem Grasmarkt in Bremen stattfinden.

Das Ordnungsamt der Antragsgegnerin bestätigte mit Verfügung vom 25.04.2024 die Durchführung der Versammlung im angemeldeten Umfang, erteilte der Antragstellerin aber verschiedene Auflagen. U.a. untersagte sie der Antragstellerin die Verwendung des Slogans „From the river to the sea – Palestine will be free“, die Darstellung des israelischen Staatsgebietes in den Farben der palästinensischen Flagge sowie den Slogan „Kindermörder Israel“. Sie begründete diese Auflagen u.a. damit, dass die Verwendung dieser Inhalte Straftatbestände erfüllen würde (Öffentliche Billigung von Straf-taten, Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung oder Verwenden von Kennzeichen verbotener und terroristischer Vereinigungen).

Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die genannten Auflagen wiederhergestellt.

Mit Beschluss vom 30.04.2024 hat das OVG der dagegen gerichteten Beschwerde des Innensenators teilweise stattgegeben. Es hat die verwaltungsgerichtliche Entscheidung abgeändert und den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Ordnungsamtes hinsichtlich des Verbots der Parole: “From the River to he sea“, abgelehnt. Diese Parole darf damit bei der geplanten Versammlung nicht verwendet werden. Im Übrigen hat das OVG die Beschwerde des Innensenators zurückgewiesen.

Das OVG betont in seiner Entscheidung, dass die durch die verhängten Auflagen bewirkte Beschränkung der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Verwendung der verbotenen Parolen und Abbildungen gegen Strafgesetze verstoße. Bei der Verwendung von mehrdeutigen Äußerungen sei maßgeblich, ob eine der nicht auszuschließenden Bedeutungsvarianten straffrei wäre.

Hinsichtlich der Parole „From the river to the sea-Palestine will be free“ könne die Frage der Strafbarkeit im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens nicht geklärt werden. Damit würden entgegen der Auffassung des Innensenators zwar weder die Tatbestände der Billigung von Straftaten, des öffentlichen Aufforderns zu Straftaten noch der Volksverhetzung verwirklicht. Offen sei allerdings, ob der Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen einer verbotenen Organisation der Hamas (§ 86a StGB), durch eine Verwendung der Parole bei der geplanten Kundgebung verwirklicht sei. Deshalb sei eine Folgenabwägung geboten, die vorliegend zu Lasten der Antragstellerin ausfalle. Sie könne auch ohne Verwendung der Parole ihr zentrales Anliegen, die Aufklärung über die Lage der Bewohner Gazas, hinreichend vorbringen. Falls sich die verbotene Parole als strafbar erweise, wäre deren Verwendung irreversibel.

Das Verbot von Abbildungen des israelischen Staatsgebietes, ausgefüllt mit den Farben der palästinensischen Flagge, sei voraussichtlich rechtswidrig, denn dies sei voraussichtlich nicht strafbar.

Gleiches gelte auch für das Verbot der Parole „Kindermörder Israel“. Diese verwirkliche voraussichtlich nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB), denn unter Würdigung der konkreten Umstände ihrer möglichen Verwendung bei einer vergleichsweise kleinen Versammlung zum Thema „Situation im Nahen Osten“ sei anzunehmen, dass sich die Äußerung auf den Staat Israel als politischen Akteur im Gaza-Krieg beziehe und aus Sicht eines Durchschnittsbetrachters nicht zum Hass gegenüber (in Deutschland lebenden) jüdischen Menschen aufstachele.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.