Der Hinweis des noch nicht befugten Instanzrichters

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 27.04.2021 zum Aktenzeichen VerfGH 157/20.VB-1 in einem von Rechtsanwalt & Fachanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. von der Kölner Schwerpunktkanzlei für Kündigungsschutz & Arbeitsrecht JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass ein rechtlicher Hinweis des noch nicht entscheidungsbefugten Landesarbeitsgerichts vor der Abhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts im Beschwerdeverfahren keine Befangenheit des Richters des Landesarbeitsgerichts begründet, da das Arbeitsgericht in diesem Fall frei über die Abhilfe oder Nichtabhilfe entscheiden könne.

Die Beschwerdeführerin betrieb die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich vor dem Arbeitsgericht. Noch bevor das Arbeitsgericht über den Antrag entschied, kam der Arbeitgeber der Pflicht aus dem Vergleich nach. Die Beschwerdeführerin erklärte sodann den Antrag für erledigt. Das Arbeitsgericht legte die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens der Beschwerdeführerin auf, wogegen diese Beschwerde einlegte. Das Arbeitsgericht hatte noch keine Abhilfeentscheidung getroffen. Das Landesarbeitsgericht erließ sodann einen Hinweis, dass die Beschwerdeführerin die Kosten der Zwangsvollstreckung zu tragen habe und regte die Rücknahme der Beschwerde. Für den Fall der Aufrechterhaltung der Beschwerde wurde die Zuleitung der Akte an das Arbeitsgericht in Aussicht gestellt, damit die Abhilfeentscheidung ergehen könne.

Daraufhin wurde der Vorsitzende des Landesarbeitsgerichts abgelehnt, weil er einen rechtlichen Hinweis erteilt habe, bevor das Arbeitsgericht über die Abhilfe habe entscheiden können. Das Landesarbeitsgericht sei erst nach einer Nichtabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts zur rechtlichen Bewertung und Entscheidung befugt. In Anbetracht des erteilten rechtlichen Hinweises sei die Wahrscheinlichkeit einer Abhilfe durch das Arbeitsgericht nunmehr „gleich null“.

Das Landesarbeitsgericht wies das Ablehnungsgesuch zurück, da es nach § 139 Abs. 4 ZPO gehalten sei so früh wie möglich Hinweise zu erteilen. Das Arbeitsgericht sei in seiner Entscheidung über die Abhilfe ungeachtet des erteilten Hinweises frei.

Die Verfassungsrichter stellten fest, dass die Annahme des Landesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung über das Befangenheitsgesuch, der vom Vorsitzenden Richter zeitlich vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Frage der Abhilfe erteilten Hinweis stelle keinen Grund dar, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen, verkennt nicht grundlegend die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Landesarbeitsgericht hat auf die richterliche Hinweispflicht nach § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO Bezug genommen und darauf verwiesen, dass das Arbeitsgericht durch den Hinweis nicht gebunden worden ist, sondern über die Frage der Abhilfe weiterhin in richterlicher Unabhängigkeit entscheiden konnte.