EuGH-Vorlage: Sind Urlaubszeiten für Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen?

19. Juni 2020 -

Das Bundesarbeitsgericht hat am 17.06.2020 zum Aktenzeichen 10 AZR 210/19 (A) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, um zu klären, ob ein Tarifvertrag, der für die Berechnung von Mehrarbeitszuschlägen nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt und nicht auch die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Mindestjahresurlaub in Anspruch nimmt, gegen Unionsrecht verstößt.

Aus der Pressemitteilung des BAG Nr. 16/2020 vom 17.06.2020 ergibt sich:

Zwischen den Parteien besteht seit Januar 2017 ein Arbeitsverhältnis. Sie waren im streitigen Zeitraum an den Manteltarifvertrag für die Zeitarbeit in der Fassung vom 17.09.2013 gebunden. Der Tarifvertrag regelt, dass Mehrarbeitszuschläge in Höhe von 25% für Zeiten gezahlt werden, die im jeweiligen Kalendermonat über eine bestimmte Zahl geleisteter Stunden hinausgehen. Der Kläger macht Mehrarbeitszuschläge für August 2017 geltend, in dem er 121,75 Stunden tatsächlich gearbeitet hat. Daneben hat er in diesem Monat in der Fünftagewoche für zehn Arbeitstage Erholungsurlaub in Anspruch genommen. Die Beklagte hat dafür 84,7 Stunden abgerechnet. Die tarifvertragliche Schwelle, die überschritten werden muss, damit in diesem Monat Mehrarbeitszuschläge zu leisten sind, liegt bei 184 Stunden. Der Kläger meint, ihm stünden Mehrarbeitszuschläge zu, weil auch die für den Urlaub abgerechneten Stunden einzubeziehen seien.
Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Das BAG ersucht den EuGH zu klären, ob die tarifliche Regelung mit Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vereinbar ist. Die Auslegung des Tarifvertrags lasse es nicht zu, Urlaubszeiten bei der Berechnung der Mehrarbeitszuschläge zu berücksichtigen. Klärungsbedürftig sei, ob der Tarifvertrag damit einen unionsrechtlich unzulässigen Anreiz begründet, auf Urlaub zu verzichten.

Der Tenor der Vorlage lautet wie folgt:
1. Der EuGH wird nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Frage ersucht: Stehen Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG einer Regelung in einem Tarifvertrag entgegen, die für die Berechnung, ob und für wie viele Stunden einem Arbeitnehmer Mehrarbeitszuschläge zustehen, nur die tatsächlich gearbeiteten Stunden berücksichtigt und nicht auch die Stunden, in denen der Arbeitnehmer seinen bezahlten Mindestjahresurlaub in Anspruch nimmt?
2. Das Revisionsverfahren wird bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.