Insolvenzverwalter scheitert mit Verfassungsbeschwerde wegen stattgebender Kündigungsschutzklagen

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05. Januar 2021 zum Aktenzeichen 1 BvR 1771/20 entschieden, dass das Bundesarbeitsgericht Kündigungsschutzklagen von Piloten einer insolventen Fluggesellschaft verfassungsgemäß stattgegeben hat.

Der Beschwerdeführer ist der Insolvenzverwalter einer deutschen Fluggesellschaft. Die Kläger der Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerden waren alle als Piloten oder Co-Piloten.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sind die Kündigungen nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG, § 134 BGB unwirksam. Bei der Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG sei der maßgebliche Betriebsbegriff der unionsrechtlichen Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie – MERL) verkannt und deswegen die Anzeige nicht für den richtigen Betrieb erstattet worden. Daher sei die Anzeige bei einer örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit erfolgt und habe nicht die erforderlichen Angaben enthalten. Der Betrieb im Sinne des § 17 Abs. 1 KSchG sei unionsrechtlich determiniert.

Das Bundesarbeitsgericht hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht verletzt. Es hat vertretbar dargelegt, warum es in der Sache entscheiden durfte, ohne vorher den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.

Seine Handhabung der aus Art. 267 Abs. 3 AEUV resultierenden Vorlagepflicht ist vertretbar. Es hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Vorabentscheidungsverfahren durchzuführen ist und dies ausdrücklich verneint. Dabei ist das Bundesarbeitsgericht nicht bewusst von einer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgewichen, sondern hat diese ausgewertet und seine Entscheidung hieran orientiert. Auf dieser Grundlage ist das Bundesarbeitsgericht vertretbar von einem „acte éclairé“ ausgegangen.

Der Einwand des Beschwerdeführers, der Großteil der Instanzgerichte habe den Begriff des Betriebs anders ausgelegt als das Bundesarbeitsgericht, greift nicht durch. Liegen sich widersprechende Entscheidungen einzelstaatlicher Gerichte vor, ist dies kein ausschlaggebendes Kriterium dafür, dass die in Art. 267 Abs. 3 AEUV genannte Vorlagepflicht besteht.