Integrationsamt muss im Zustimmungsverfahren zur Kündigung aufklären und gütliche Einigung betreiben

03. November 2021 -

Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit Beschluss vom 02.11.2021 zum Aktenzeichen 3 A 5583/21 in einem von Rechtsanwalt & Fachanwalt Dipl.Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung fehlerhaft war.

Fraglich ist, ob die Kündigung aus einem Grund erfolgt ist, der im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung des Klägers steht (vgl. § 174 Abs. 4 SGB IX). Der Kläger hat u.a. substantiiert vorgetragen, dass ein Vertreter der Beigeladenen in einem Gespräch mit dem Kläger am 06.09.2021 dessen Arbeitsleistung negativ bewertet und hier ausdrücklich einen Zusammenhang zur Schwerbehinderung des Klägers hergestellt habe. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zu den Abmahnungen vom 09.09.2021 und dem Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung vom 14.09.2021 wäre auf Grundlage dieser Angaben, welche die Beigeladene im vorliegenden Verfahren nicht bestritten hat, weitere Aufklärung erforderlich. Gleiches gilt für einen möglichen Zusammenhang der Kündigung mit der Erkrankung des Klägers „Diabetes mellitus“, welche dessen Schwerbehinderung mitbegründet. Diese führt nach den unbestrittenen Angaben des Klägers u.a. bei Stress zu „Hibbeligkeit“ und Konzentrationsschwäche. Auch hier wäre weitere Aufklärung erforderlich, weil die Abmahnungen ausschließlich auf behaupteten Schlechtleistungen bzw. behauptetem Fehlverhalten des Klägers gestützt wurden. Der Beklagte hat demgegenüber keine hinreichende Aufklärung betrieben, indem er lediglich in dem streitgegenständlichen Bescheid ohne weitere Begründung festgestellt hat, dass ein Zusammenhang zwischen Kündigung und Schwerbehinderung „vom Integrationsamt […] nicht gesehen“ werde.

Das Integrationsamt hat die weitere Obliegenheit, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (vgl. § 170 Abs. 3 SGB IX); dem ist das Integrationsamt hier nicht gerecht geworden. Durch dieses Versäumnis des Beklagten blieb dem Kläger die Möglichkeit verschlossen, möglicherweise schon im Verwaltungsverfahren eine durch die Moderation des Beklagten herbeigeführte gütliche Einigung mit der Beigeladenen zu erzielen und dadurch einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden. In der Auswertung der Stellungnahme des Klägers durch den Beklagten liegt – anders als der Beklagte in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides ausgeführt hat – kein Hinwirken auf eine gütliche Einigung i.S.v. § 170 Abs. 3 SGB IX. Zur Auswertung der Stellungnahme ist der Beklagte ohnehin von Amts wegen verpflichtet (vgl. § 20 Abs. 1, 2 SGB X). Ein Hinwirken i.S.d. vorgenannten Norm liegt erst bei darüberhinausgehendem Verhalten des Beklagten vor. Ein solches ist hier nicht erkennbar.