Kappungsgrenze bei Sozialplanabfindungen

22. Mai 2022 -

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.02.2022 zum Aktenzeichen 1 AZR 252/21 entschieden, dass ein wegen einer Betriebsschließung durch Einigungsstellenspruch erstellter Sozialplan die Sozialplanabfindung auf einen Höchstbetrag deckeln und damit auch ältere Arbeitnehmer mit einer langen Betriebszugehörigkeit benachteiligen darf. Die Begrenzung von sehr hohen Abfindungen ist angemessen, sie dient der gerechteren Verteilung der begrenzten Sozialplanmittel auf alle Mitarbeiter.

Die Parteien streiten – im Rahmen einer Widerklage – über die Höhe einer Sozialplanabfindung. Der Widerkläger(Arbeitnehmer) war von 1994 bis 2019 bei der Widerbeklagten (Arbeitgeberin) beschäftigt. Er erhielt zuletzt ein monatliches Arbeitsentgelt i.H.v. 7.795,49 Euro brutto. Die Arbeitgeberin legte den Betrieb Ende Februar 2019 still. Der – auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhende – Sozialplan vom 04 . 01 . 2019 (SP) bestimmt neben der Berechnungsgrundlage(Bruttomonatsentgelt x Betriebszugehörigkeit x 1,45 = Abfindung brutto) für die Sozialplanabfindung u.a. in § 2 Nr. 5.1. eine Abfindungsobergrenze von 230.000,00 Euro brutto. Die Klägerin leistete an den Widerkläger eine Abfindung i.H.v.238.000,00 Euro brutto. Diese setzt sich zusammen aus einer Grundabfindung i.H.d. Obergrenze von 230.000,00 Euro, einem Zusatzbetrag für zwei Kinder i.H.v. insgesamt 5.000,00 Euro und einer Zahlung i.H.v. 3.000,00 Euro aus einem vorgesehenen Härtefallfonds. Der Arbeitnehmer ist der Auffassung, ihm stehe eine höhere Sozialplanabfindung zu. Die Regelung über den Abfindungshöchstbetrag in § 2 Nr. 5.1 SP sei unwirksam. Sie bewirke eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmerwegen des Alters nach § 3 Abs. 2 AGG. Die Deckelung sei nicht zum Ausgleich einer möglichen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer gerechtfertigt, weil sie keine Verteilungsgerechtigkeit herstelle. Der 1. Senat bestätigt die Entscheidung des LAG und lehnt einen weiteren Anspruch des Arbeitnehmers ab.

Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf eine weitere Abfindung. Die Höchstbetragsregelung in § 2 Nr. 5.1 SP ist wirksam.Die Norm verstößt nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG.Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in der Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden.Der Gesetzgeber hat die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote in § 75 Abs. 1 BetrVG übernommen. Die unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus einem in § 1 AGG genannten Grund ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig. Die Kappungsgrenze kann zwar eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters zur Folge haben, diese ist aber durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen. Mit der Festlegung einer Höchstabfindung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehen den finanziellen Mittel limitiert sind. Da die Abfindungen für ältere Arbeitnehmer aufgrund ihrer regelmäßig längeren Betriebszugehörigkeit typischerweise besonders hoch ausfallen, bezweckt die Regelung, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen.Vor dem Hintergrund begrenzter Sozialplanmittel soll möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden. Damit dient die Norm einem rechtmäßigen Ziel. DieG ewährung eines Ausgleichs für die Zukunft in Sozialplänen entsprechend den Bedürfnissen der betroffenen Arbeitnehmer,die der Notwendigkeit einer gerechten Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel Rechnung trägt, stellt sogar ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 Satz 1 AGG dar. Die Höchstbetragsregelung ist zudem geeignet,erforderlich und angemessen.

Sozialpläne haben typischerweise eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Die in ihnen vorgesehenen Leistungen sind kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlusts ausgleichen oder zumindest abmildern. Dabei müssen die Betriebsparteien die mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile nicht vollständig kompensieren. Der von ihnen vereinbarte Sozialplan darf lediglich den Normzweck nicht verfehlen, die wirtschaftlichen Nachteile zu mildern. Dies kann regelmäßig nur in typisierender und pauschalierender Form geschehen, weil die Betriebsparteien die für den einzelnen Arbeitnehmer zu erwartenden Nachteile nicht konkret voraussehen können.