Keine pauschale Gleichstellung von Fleischverarbeitungsbetrieben mit Schlachthöfen und Zerlegebetrieben

10. August 2020 -

Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Beschluss vom 06.08.2020 zum Aktenzeichen 5 L 596/20 auf den Eilantrag eines Fleischverarbeitungsbetriebs aus dem Kreis Warendorf entschieden, dass die Allgemeinverfügung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen zur Vermeidung weiteren Infektionsgeschehens in Großbetrieben der Fleischwirtschaft voraussichtlich rechtswidrig ist.

Aus der Pressemitteilung des VG Münster vom 07.08.2020 ergibt sich:

Nummer 1 der Allgemeinverfügung vom 20.07.2020 ordnet für Schlachthöfe, Zerlegebetriebe und fleischverarbeitende Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten in der Produktion insbesondere an, dass die Beschäftigten grundsätzlich mindestens zwei Mal pro Woche auf Kosten des Betriebsinhabers auf das Coronavirus getestet werden müssen.

Das VG Münster hat dem hiergegen gerichteten Eilantrag stattgegeben.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die auf dem Infektionsschutzgesetz beruhende Allgemeinverfügung aller Voraussicht nach (offensichtlich) rechtswidrig. Die Gefahrenlage durch die Corona-Pandemie sei zwar allgemein, aber auch konkret in der Fleischindustrie weiterhin als hoch einzustufen. In Bezug auf den Betrieb der Antragstellerin seien die angeordneten Maßnahmen allerdings nicht erforderlich. Fleischverarbeitungsbetriebe wie derjenige der Antragstellerin dürften nicht, jedenfalls nicht ohne nähere Begründung, mit Schlachthöfen und Zerlegebetrieben gleich gestellt werden. Es sei von dem Antragsgegner nichts Belastbares dazu vorgebracht worden, dass die Gefahrenlage der „Fleischindustrie“ auch auf den Betrieb der Antragstellerin zutreffe. Die Produktionsbedingungen der Antragstellerin wichen von den der Allgemeinverfügung zugrunde gelegten ab. Insbesondere werde das bereits zerlegte Fleisch nicht unter denselben klimatischen Bedingungen (Umluftkühlungen) verarbeitet. Für das Verwaltungsgericht sei nur ersichtlich, dass Schlacht und Zerlegebetriebe sog. Hotspots für Infektionsgeschehen darstellen. Der Antragsgegner setze sich durch die generalisierende Anordnung somit in Widerspruch zu seiner selbst bekundeten Einschätzung der Gefahrenlage und der zu ihrer Bewältigung einzusetzenden Mittel, keine besonderen Schutzvorschriften für das gesamte produzierende Gewerbe vorzusehen. Ferner sei die Anordnung auch deswegen rechtswidrig, weil eine ausnahmslose Verpflichtung, ohne die Möglichkeit, den jeweiligen Produktionsbedingungen durch Befreiungstatbestände Rechnung zu tragen, nicht notwendig sei. Schließlich falle auch die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus, weil es keine belegbaren Anhaltspunkte für eine besondere Gefährdung der Allgemeinheit durch den Betrieb der Antragstellerin gebe.

Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde zum OVG Münster eingelegt werden.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig.