Der Grundsatz der Lohngleichheit wurzelt im Gleichberechtigungsgebot des Grundgesetzes und wurde in Deutschland durch ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) von 1955 erstmals konkretisiert, wonach Tarifvertragsparteien Lohngruppen für Männer und Frauen gleichermaßen festlegen müssen. Auf europäischer Ebene verankern Artikel 157 AEUV und die ursprünglich 1975 erlassene Richtlinie 75/117/EWG (später konsolidiert in der Richtlinie 2006/54/EG) das Recht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. National wurde die Entgeltgleichheitsrichtlinie zunächst durch § 612 Abs. 3 BGB umgesetzt, der jedoch seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) 2006 außer Kraft ist, und mit dem Entgelttransparenzgesetz von 2017 um individuelle Informations‐ und Klageansprüche ergänzt. Aktuelle BAG-Entscheidungen legen klar, dass individuelles Verhandlungsgeschick nicht zu einer dauerhaften Ungleichbezahlung führen darf. Trotzdem besteht der durchschnittliche Gender Pay Gap in der EU weiterhin bei rund 13 %.
Historische Entwicklung in Deutschland
Wegweisendes BAG-Urteil von 1955
Am 6. April 1955 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Tarifvertragsparteien bei der Bildung von Lohnkategorien zwingend gleichermaßen zwischen Männern und Frauen differenzieren müssen; Lohngruppen durften nicht geschlechtsabhängig ausgestaltet sein. Das BAG empfahl die Bildung objektiver Lohnkategorien nach dem Leistungsvermögen und betonte, dass jede Differenzierung zulässig sei, solange sie nicht auf dem Geschlecht beruht.
Leichtlohngruppen und Gleichstellungsgesetz
In der Folge etablierte sich das System der sogenannten „Leichtlohngruppen“, bei denen überwiegend Frauen beschäftigt wurden, was zu Verdachtsmomenten indirekter Diskriminierung führte. Mit dem Gleichstellungsgesetz von 1958 wurde das historische Vormundschaftsrecht, das bis 1958 § 1358 BGB Männern erlaubte, Dienstverträge ihrer Ehefrauen zu kündigen, aufgehoben.
Reform des BGB und Einführung des AGG
1977 überwanden Reformen des Ehe- und Familienrechts die Hausfrauenehe. 1980 führte § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB das generelle Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligungen im Arbeitsverhältnis ein (jetzt in § 7 AGG). Mit Inkrafttreten des AGG 2006 wurde § 612 Abs. 3 BGB, der die EU-Richtlinie umsetzte, außer Kraft gesetzt und alle Formen direkter und indirekter Diskriminierung bei der Entlohnung verboten.
Europäische Rechtsgrundlagen
Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV)
Artikel 157 AEUV schreibt jedem Mitgliedstaat vor, den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen und definiert „Entgelt“ sehr weit, inklusive aller Leistungsbestandteile.
Richtlinie 75/117/EWG und Konsolidierung
Die Entgeltgleichheitsrichtlinie 75/117/EWG von 1975 verpflichtete die Mitgliedstaaten zur Angleichung ihrer nationalen Vorschriften und wurde 2009 durch die Richtlinie 2006/54/EG zur Konsolidierung verschiedener Gleichstellungsrichtlinien abgelöst. Diese konsolidierte Richtlinie erweitert den Anwendungsbereich und zählt alle Vergütungsbestandteile zum Anwendungsfeld.
Nationale Umsetzung und aktuelle Rechtsprechung
Umsetzung in deutsches Recht
Die Richtlinie 75/117/EWG wurde über § 612 Abs. 3 BGB umgesetzt; dieser wurde durch das AGG aufgehoben, das ein umfassendes Diskriminierungsverbot enthält. Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) von 2017 schuf individuelle Ansprüche auf Information über Entgeltstrukturen und stärkte Klagemöglichkeiten für Beschäftigte.
Aktuelle BAG-Entscheidung
Im Urteil von KW 10/2024 stellte das BAG klar, dass der Umstand, dass ein männlicher Kollege aufgrund besserer Verhandlungsführung ein höheres Gehalt erzielt, nicht rechtfertigt, einer Frau dauerhaft weniger zu zahlen; sie hat Anspruch auf das gleiche Grundentgelt.
Aktuelle Herausforderungen und Ausblick
Persistierender Gender Pay Gap
Trotz der rechtlichen Vorgaben liegt der unbereinigte Gender Pay Gap in der EU bei etwa 13 %, was auf strukturelle und sektorale Segregation sowie mangelnde Transparenz zurückzuführen ist.
Ausblick auf Transparenzmaßnahmen
Die geplante EU-Richtlinie zur Lohngleichheit sieht verbindliche Berichtspflichten für Unternehmen und verschärfte Sanktionen bei Verstößen vor. Die Wirksamkeit wird von nationaler Umsetzung und gerichtlicher Durchsetzung abhängen.