Missachtung der Schwellengebühr und Toleranzgrenze verfassungswidrig?

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 16.03.2021 zum Aktenzeichen 114/20.VB-3 in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Verfassungsbeschwerdeverfahren entschieden, dass die Missachtung der Schwellengebühr und Toleranzgrenze nicht verfassungswidrig sind.

Gegenstand des Verfahrens war ein sozialgerichtliches Verfahren in dem die Höhe von Rechtsanwaltsgebühren streitig waren.

Das Sozialgericht nahm Bezug auf Nr. 2302 Nr. 1 VV RVG der einen Betragsrahmen von 50 bis 640 Euro umfasse und eine Gebühr von mehr als 300 Euro nur gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimme der Rechtsanwalt die Gebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Kriterien nach billigem Ermessen. Ihm sei zudem ein Ermessensspielraum von 20 % zuzugestehen. Bei der Bestimmung der Rahmengebühr sei von der Mittelgebühr auszugehen, mit der die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Durchschnitt abgegolten werde. Ob ein Durchschnittfall vorliege, sei aufgrund wertender Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Abweichend von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG sei die Mittelgebühr bei der Geschäftsgebühr nur dann anzusetzen, wenn Umfang und Schwierigkeit des anwaltlichen Handelns über  dem Durchschnitt lägen. Andernfalls sei anstelle der Regelmittelgebühr die Schwellengebühr von 300 Euro als billig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG anzusetzen. Das Sozialgericht setzte eine Gebühr von 250 Euro unterhalb der Schwellengebühr fest.

Das Landessozialgericht führte im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aus, dass die inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der Toleranzgrenze im konkreten Fall keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bedeute und ließ die Berufung nicht zu.

Das Verfassungsgericht führte aus, dass der Rechtsanwendungsfehler im Zusammenhang mit der Gebührenberechnung durch das Sozialgericht den Grad objektiver Willkür nicht erreicht. Das Sozialgericht hat mit § 14 Abs. 1 RVG und Nr. 2302 VV RVG die für die Gebührenbestimmung einschlägigen Normen herangezogen. Es hat sich hieran anknüpfend mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt und die dazu einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wiedergegeben. Soweit in der Subsumtion unberücksichtigt geblieben sein könnte, dass dem Rechtsanwalt auch im Bereich unterhalb der Schwellengebühr nach Nr. 2302 VV RVG ein Ermessensspielraum von 20 % verbleibt, läge darin ein einfacher Rechtsanwendungsfehler, welcher für sich genommen nicht den Vorwurf verfassungsrechtlich relevanter Willkür im Sinne sachfremder Erwägungen rechtfertigt.

Dass das Sozialgericht kein Gebührengutachten nach § 14 Abs. 2 RVG eingeholt hat entspricht ständiger  höchstrichterlicher Rechtsprechung.