Vor Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer ist eine Entschädigungsklage erforderlich

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 06.07.2021 zum Aktenzeichen 125/20.VB-2 entschieden, dass vor der Erhebung einer Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer zum Rechtsweg eine Entschädigungsklage nach § 202 Satz 2 SGG i.V.m. § 198 Abs. 5 GVG gehört.

Rügt ein Beschwerdeführer die Dauer des fachgerichtlichen Verfahrens, so gehört die Entschädigungsklage nach § 198 Abs. 5GVG zum zu erschöpfenden Rechtsweg.

Sie soll nach der Konzeption des Gesetzgebers den Rechtsschutz bei einer überlangen Verfahrensdauer gewährleisten.

Dies gilt auch dann, wenn das fachgerichtliche Ausgangsverfahren noch anhängig ist.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Entschädigungsklage nicht dazu geeignet ist, eine unangemessen lange Verfahrensdauer in einem noch nicht abgeschlossenen fachgerichtlichen Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen.

Auch eine verfassungsgerichtliche Entscheidung könnte nur eine unangemessen lange Verfahrens-dauer feststellen, aber weder das Verfahren unmittelbar beschleunigen noch eine bereits eingetretene Verfahrensverzögerung beseitigen.

Zwar mag es Konstellationen geben, in denen ein Interesse des Beschwerdeführers daran anzuerkennen sein kann, in einem laufenden Verfahren durch die verfassungsgerichtliche Feststellung der überlangen Verfahrensdauer jedenfalls eine mittelbare Beschleunigung zu erreichen.

Dem könnte in einem solchen Fall aber bei der Anwendung der Voraussetzungen, unter denen der Verfassungsgerichtshof ausnahmsweise auch vor Erschöpfung des Rechtsweges entscheiden kann, vgl. § 54 Satz 2 VerfGHG, Rechnung getragen werden. Vorliegend ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen gegeben sind, unter denen eine verfassungsgerichtliche Entscheidung vor Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache angezeigt wäre (vgl. § 54 Satz 2 VerfGHG).

Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Verfassungsbeschwerde von allgemeiner Bedeutung ist oder dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf die Erschöpfung des Rechtswegs im Entschädigungsverfahren verwiesen würde.

Dabei ist im Hinblick auf den Nachteil des Beschwerdeführers zu bedenken, dass der Verfassungsgerichtshof bei einem etwaigen Erfolg der Verfassungsbeschwerde weder die in der Vergangenheit liegende Verfahrensverzögerung ungeschehen machen noch dem Sozialgericht gegenüber die beschleunigte Behandlung des Verfahrens anordnen, sondern gegebenenfalls allein die Unangemessenheit der Verfahrensdauer fest-stellen könnte.

Die damit gegebenenfalls einhergehende mittelbare Beschleunigungswirkung dürfte hier aber bereits durch den stattgebenden PKH-Beschluss des Landessozialgerichts erzielt werden.

Auch ist nicht erkennbar, dass der Beschwerdeführer die Nachteile, die ihm durch die Dauer der Entscheidung über die ihm seiner Ansicht nach zustehenden Leistungen entstehen, auf andere Weise, etwa durch die Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren abzuwenden versucht hat.

Dass dem Beschwerdeführer aus anderen Gründen die Verweisung auf den Rechtsweg unzumutbar sein könnte, ist nicht ersichtlich.