Zwangsbehandlung von Schizophrenie durch Elektrokrampftherapie im Regelfall nicht genehmigungsfähig

20. Februar 2020 -

Der Bundesgerichtshof hat am 15.01.2020 zum Aktenzeichen XII ZB 381/19 über zur Frage der Zulässigkeit einer gerichtlichen Genehmigung der Zwangsbehandlung von an Schizophrenie erkrankten Betroffenen durch Elektrokonvulsionstherapie/Elektrokrampftherapie (EKT) entschieden, dass der Betreuer nur dann einwilligen kann, wenn die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl des Betreuten notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden.

Aus der Pressemitteilung des BGH Nr. 16/2020 vom 17.02.2020 ergibt sich:

Der Betroffene leidet an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie. Seit Februar 2018 war er wiederholt untergebracht und wurde – überwiegend zwangsweise – mit verschiedenen Medikamenten letztlich erfolglos behandelt. Nach Befürwortung durch ein Sachverständigengutachten hat das Amtsgericht die Einwilligung des zuständigen Betreuers in die Durchführung einer EKT in Form der elektrischen Auslösung von sechs großen zerebralen Anfällen mithilfe von uni- oder alternativ bilateral angelegten Elektroden innerhalb von zwei Wochen, außerdem die Einleitung einer Narkose durch Anästhesisten und – wenn der Betroffene von den ärztlichen Maßnahmen nicht überzeugt werden kann – die Anwendung von Gewalt (Festhalten, 3- bis 5-Punkt-Fixierung) genehmigt.
Das Landgericht hatte die Beschwerde des Betroffenen und seiner Mutter zurückgewiesen.

Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Mutter hatte vor dem BGH Erfolg.

Nach Auffassung des BGH kann der Betreuer, wenn eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme) in diese widerspricht – unter näheren gesetzlichen Voraussetzungen – nur dann einwilligen, wenn die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl des Betreuten notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden (§ 1906a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der BGH hat klargestellt, dass als „notwendig“ im Sinne des Gesetzes nur solche Behandlungen angesehen werden können, deren Durchführung einem breiten medizinisch-wissenschaftlichen Konsens entspricht, und zwar sowohl was die Therapie als solche betrifft als auch deren spezielle Durchführungsform im Wege der Zwangsbehandlung gegen den Widerstand des Patienten. Ein derartiger Konsens könne seinen Ausdruck in wissenschaftlichen Stellungnahmen des Beirats der Bundesärztekammer sowie in medizinischen Leitlinien finden.

Die in Bezug auf die EKT veröffentlichten Stellungnahmen und Leitlinien vermittelten allerdings keinen medizinisch-wissenschaftlichen Konsens, wonach die zwangsweise Durchführung dieser Maßnahme bei einem an (nicht katatoner und nicht akut exazerbierter) Schizophrenie leidenden Betroffenen gerechtfertigt wäre. Zwar könne eine EKT nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen auch zur Behandlung der Schizophrenie bei vorliegender schwerer depressiver Verstimmung mit Suizidalität indiziert sein. Ein depressives Krankheitsbild hätten die sachverständig beratenen Instanzgerichte indes nicht festgestellt. Die Einwilligung des Betreuers in die zwangsweise Durchführung dieser Maßnahme sei daher im vorliegenden Fall nicht genehmigungsfähig.