Im Arbeitsalltag kommt es häufig vor, dass Beschäftigte aus privaten Gründen stunden- oder halbtageweise freinehmen möchten – etwa für einen Arzttermin, eine dringende Reparatur durch den Handwerker zu Hause oder einen Besuch bei einer Behörde. Doch stellt sich die Frage: Ist es arbeitsrechtlich überhaupt zulässig, nur einen halben Urlaubstag zu nehmen – oder muss stets ein ganzer Urlaubstag verbraucht werden?
Gesetzlicher Urlaubsanspruch – nur ganze Tage geregelt
Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) regelt in § 1, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub haben – grundsätzlich mindestens 24 Werktage bei einer 6-Tage-Woche. Wichtig: Das Gesetz geht grundsätzlich von ganzen Urlaubstagen aus. Wörtlich heißt es in § 5 Abs. 2 BUrlG:
„Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.“
Daraus ergibt sich: Der gesetzliche Mindesturlaub kann nicht halbtagsweise genommen werden – zumindest nicht gegen den Willen des Arbeitgebers.
Abweichungen durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung möglich
Viele Arbeitsverhältnisse werden heute jedoch flexibler gehandhabt als es das BUrlG vorsieht. In der Praxis ist es üblich, dass in Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen die Möglichkeit geschaffen wird, auch halbe Urlaubstage zu nehmen – beispielsweise mit folgender Formulierung:
„Urlaub kann auf halbe Urlaubstage aufgeteilt werden, soweit betriebliche Belange dem nicht entgegenstehen.“
Ist eine solche Regelung vorhanden, können Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers auch nur einen halben Tag Urlaub nehmen – etwa am Vormittag oder Nachmittag.
Fehlt eine solche Regelung, liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er sich auf eine halbtägige Urlaubsgewährung einlässt. Er ist aber nicht verpflichtet, halbe Urlaubstage zu gewähren.
Abgrenzung: Urlaub vs. bezahlte oder unbezahlte Freistellung
Nicht jeder Anlass erfordert zwingend die Inanspruchnahme eines Urlaubstags – ganz oder halb. Folgende Alternativen können in Betracht kommen:
- Bezahlte Freistellung nach § 616 BGB: Bei kurzen, unverschuldeten Verhinderungen – etwa bei Arztbesuchen, die nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich sind – kann ein Anspruch auf bezahlte Freistellung bestehen. Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeits- oder Tarifvertrag § 616 BGB nicht ausgeschlossen hat – was häufig der Fall ist.
- Unbezahlte Freistellung: In Absprache mit dem Arbeitgeber kann auch eine stunden- oder halbtägige unbezahlte Freistellung erfolgen. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch schon verbraucht hat oder diesen nicht belasten möchte.
- Gleitzeit / Arbeitszeitkonto: Wer in einem Betrieb mit flexibler Arbeitszeitregelung arbeitet, kann ggf. einfach Stunden „abbauen“, ohne Urlaub nehmen zu müssen.
Technische Umsetzung: Halbe Tage korrekt erfassen
Wird ein halber Urlaubstag gewährt, muss dies arbeitszeittechnisch und lohnabrechnungstechnisch korrekt erfasst werden. Dies gilt insbesondere bei digitaler Zeiterfassung oder Urlaubskonten, die automatisiert laufen. Arbeitgeber sollten darauf achten, dass ihre Systeme halbe Urlaubstage korrekt verbuchen können, um spätere Unstimmigkeiten zu vermeiden.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG): Keine Pflicht zu halben Tagen
Das Bundesarbeitsgericht hat in ständiger Rechtsprechung klargestellt, dass Arbeitgeber nicht verpflichtet sind, halbe Urlaubstage zu gewähren (vgl. BAG, Urteil vom 17.11.2015, Az. 9 AZR 179/15). Ein Arbeitnehmer kann also nicht einseitig bestimmen, dass er nur einen halben Urlaubstag nimmt. Es bedarf der Einwilligung des Arbeitgebers oder einer entsprechenden Regelung.
Fazit: Halbe Urlaubstage sind möglich – aber nicht gesetzlich garantiert
Für Arbeitnehmer gilt: Wer nur einen halben Tag Urlaub benötigt, sollte rechtzeitig das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen und sich erkundigen, ob halbe Urlaubstage im Betrieb erlaubt sind. Ggf. kann auch eine Freistellung außerhalb des Urlaubsanspruchs erreicht werden.
Für Arbeitgeber gilt: Eine gewisse Flexibilität im Umgang mit Urlaubszeiten kann die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöhen. Arbeitgeber sind aber gut beraten, klare Regelungen im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung zu treffen, um einheitliche und rechtssichere Lösungen im Unternehmen zu etablieren.
FAQ – Häufige Fragen zu halben Urlaubstagen
Kann ich für einen Arzttermin einen halben Urlaubstag nehmen?
Ja, sofern der Arbeitgeber zustimmt oder entsprechende Regelungen im Arbeitsvertrag dies zulassen.
Muss mein Arbeitgeber mir einen halben Tag Urlaub gewähren?
Nein, er kann verlangen, dass der Urlaub nur tageweise genommen wird – es sei denn, eine andere Regelung besteht.
Kann ich auch nur eine Stunde Urlaub nehmen?
Der gesetzliche Urlaub kennt keine Stundenregelung. Solche Regelungen sind nur möglich, wenn vertraglich Gleitzeit oder Stundenkonten vorgesehen sind.
Was passiert, wenn ich nur einen halben Tag arbeite – wird mir dann automatisch ein halber Urlaubstag abgezogen?
Nein – ein Urlaubstag wird nur abgezogen, wenn Urlaub beantragt und genehmigt wurde. Für andere Fehlzeiten muss eine klare Regelung (z. B. Gleitzeitabbau) bestehen