Läuft die Arbeitszeit weiter, wenn die Technik ausfällt?

01. Juli 2025 -

Ein Arbeitnehmer im Homeoffice ist frustriert, weil die Technik streikt – IT-Pannen können im Arbeitsalltag jederzeit auftreten. In vielen Betrieben läuft ohne funktionierende EDV und Internet gar nichts. Fällt bei der Arbeit die Technik aus – ob Strom, Server oder Computer –, steht in manchen Fällen tatsächlich alles still. Für Arbeitnehmer stellt sich dann sofort die Frage: Zählt die Ausfallzeit trotzdem als Arbeitszeit und wird normal bezahlt? Oder müssen Mitarbeiter die verlorene Zeit nacharbeiten? Und was sollten Arbeitgeber in solchen Situationen tun? Im Folgenden geben wir einen ausführlichen Rechtstipp zu dieser aktuellen Frage des Arbeitsrechts – sowohl aus Sicht von Arbeitnehmern als auch von Arbeitgebern.

Arbeitsrechtliche Grundlage: Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber

Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn. Das bedeutet: Wird keine Arbeitsleistung erbracht, muss der Arbeitgeber eigentlich keinen Lohn zahlen. Doch von diesem Grundsatz gibt es wichtige Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen betrifft den Annahmeverzug des Arbeitgebers und das sogenannte Betriebsrisiko. Vereinfacht heißt das: Kann ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung anbieten, aber aus betrieblichen Gründen nicht arbeiten, bleibt der Vergütungsanspruch bestehen – ohne dass er die ausgefallene Arbeit nachholen muss.

§ 615 BGB regelt ausdrücklich, dass der Arbeitgeber auch dann Lohn zahlen muss, wenn er sich im Annahmeverzug befindet oder das Betriebsrisiko trägt. Befindet sich der Arbeitgeber im Verzug der Annahme der Arbeitsleistung, „so kann der Verpflichtete (der Arbeitnehmer) für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein“. Genau dies greift bei technischen Ausfällen im Betrieb: Die Arbeitnehmer*innen sind arbeitsbereit und leistungsfähig, können jedoch wegen einer Störung im Betrieb nicht arbeiten.

Nach der Lehre vom Betriebsrisiko trifft in solchen Fällen das Risiko den Arbeitgeber. Er trägt die Verantwortung für die Betriebsabläufe und muss dafür sorgen, dass die nötigen Arbeitsmittel zur Verfügung stehen. Ist es den Beschäftigten aus betriebstechnischen Gründen unmöglich zu arbeiten – etwa durch einen Maschinendefekt, einen Softwarefehler, einen Server-Ausfall oder eine Unterbrechung der Energieversorgung – darf der Arbeitgeber den Lohn nicht kürzen. Solche Ereignisse gelten als Betriebsstörungen, für die grundsätzlich der Arbeitgeber haftet. Er muss also auch bei einem IT- oder Stromausfall die Vergütung fortzahlen, weil sich ein betriebliches Risiko verwirklicht hat. Mit anderen Worten: Wenn Sie arbeiten wollen, aber nicht können, weil der Arbeitgeber den Betrieb nicht am Laufen hält, trägt der Arbeitgeber das finanzielle Risiko und muss Sie trotzdem bezahlen. Maßgeblich ist dabei die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit, nicht die tatsächlich geleistete Arbeit.

Keine Pflicht zum Nacharbeiten der Ausfallzeit

Ein wichtiger Punkt für Arbeitnehmer ist, dass keine automatische Nacharbeitspflicht besteht. Beschäftigte müssen ausgefallene Arbeitszeit in der Regel nicht vor- oder nacharbeiten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsausfall zu vertreten hat. Der Arbeitgeber darf also nicht einseitig verlangen, die Schicht einfach um einige Stunden zu verschieben oder an einem anderen Tag nachzuholen. Ein gesetzliches Nacharbeitsgebot gibt es in solchen Situationen nicht. Arbeitnehmer*innen sind grundsätzlich nur verpflichtet, während der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu arbeiten – nicht darüber hinaus.

Dies bedeutet auch: Entstehen durch den technischen Ausfall Minusstunden (etwa weil ein Arbeitszeitkonto geführt wird), dürfen diese dem Arbeitnehmer nicht angelastet werden. Bei Annahmeverzug des Arbeitgebers dürfen keine Minusstunden auf dem Arbeitszeitkonto verbucht werden, da das Risiko des Arbeitsausfalls nicht bei den Beschäftigten liegt. Unverschuldete Ausfallzeiten führen folglich weder zu einem Minus auf dem Zeitkonto noch zu einer Kürzung des Gehalts. Arbeitnehmer müssen die ausgefallenen Stunden nicht nacharbeiten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsausfall verursacht hat. Eine Pflicht zur Nachleistung besteht nur, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde (z.B. in einem Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag) und der Fall nicht vom Betriebsrisiko des Arbeitgebers abgedeckt ist.

Im Ergebnis gilt also: Verursacht der Arbeitgeber den Arbeitsausfall oder tritt dieser in seinem Risikobereich auf, behalten Arbeitnehmer ihren Lohnanspruch und müssen die ausgefallene Zeit nicht nachholen. Der Grundsatz des Betriebsrisikos schützt Arbeitnehmer davor, für betriebliche Störungen bestraft zu werden.

Besonderheiten bei IT-Ausfall im Homeoffice

Gilt das oben Gesagte auch im Homeoffice? Grundsätzlich ja – auch bei Heimarbeit trägt der Arbeitgeber in vielen Fällen das Betriebsrisiko. Allerdings gibt es im Homeoffice ein paar Besonderheiten. Entscheidend ist, wo und wodurch der Arbeitsausfall verursacht wird:

  • Technik des Arbeitgebers fällt aus: Wenn z.B. der vom Arbeitgeber gestellte Laptop defekt ist oder die firmeninterne IT-Infrastruktur streikt, liegt der Fall klar. Auch im Homeoffice können Arbeitnehmer dann nicht weiterarbeiten. Hier greift ebenfalls das Betriebsrisiko: Der Arbeitgeber muss für schnellstmögliche Behebung sorgen und die Ausfallzeit bezahlen. Arbeitnehmer sind allerdings verpflichtet, hierbei mitzuwirken, also den Defekt umgehend zu melden und zumutbare Schritte zur Störungsbeseitigung zu unterstützen.
  • Internet- oder Stromausfall zu Hause: Schwieriger ist die Lage, wenn am häuslichen Arbeitsort z.B. das private Internet ausfällt oder ein Stromausfall im Wohnviertel eintritt. Diese Störungen sind weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer verschuldet (sogenannte beidseitig unvermeidbare Leistungsstörung). Nach herrschender Auffassung trifft auch in solchen Fällen den Arbeitgeber das Risiko, sofern vertraglich nichts Abweichendes geregelt ist. Allein die Vereinbarung von Homeoffice schließt das Betriebsrisiko des Arbeitgebers nicht aus. Fehlt also eine besondere Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag, müssen Arbeitnehmer bei einem externen Internetausfall im Homeoffice die Zeit nicht nacharbeiten, solange sie den Ausfall nicht selbst verschuldet haben. Das Gehalt wird in solchen Fällen weitergezahlt.
  • Vom Arbeitnehmer verschuldeter Ausfall: Anders kann die Situation beurteilt werden, wenn der technische Ausfall in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers fällt. Eigenes Verschulden liegt zum Beispiel vor, wenn der Mitarbeiter seine Internetrechnung nicht bezahlt hat und deshalb offline ist, oder wenn er durch unsachgemäße Behandlung technische Geräte beschädigt. In solchen Fällen entfällt der Vergütungsanspruch u.U. vorübergehend, da der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung selbst verhindert hat. Ob die ausgefallene Zeit nachgearbeitet werden muss, hängt dann von den Absprachen im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ab. Im Zweifel sollte der Arbeitnehmer das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, um eine einvernehmliche Lösung (z.B. Nacharbeit, Abbau von Überstunden oder bezahlten/unbezahlten Urlaub) zu finden.

Generell ist zu empfehlen, bereits im Vorfeld klare Regelungen für Homeoffice-Pannen zu treffen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung Vereinbarungen für IT-Ausfälle im Homeoffice festhalten (z.B. Meldewege, Nacharbeitsoptionen, Bereitstellung von Ersatz-Hardware). Solche Vorkehrungen schaffen Rechtssicherheit und beugen Streit über die Vergütung von Ausfallzeiten vor.

Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer

Was können Arbeitnehmer*innen konkret tun, wenn bei der Arbeit plötzlich die Technik versagt? Hier einige Tipps aus arbeitsrechtlicher Sicht:

  • Arbeitsbereitschaft aufrechterhalten: Auch wenn Sie wegen einer Panne gerade nicht weiterarbeiten können, bleiben Sie grundsätzlich arbeitsbereit. Verlassen Sie nicht einfach den Arbeitsplatz (oder im Homeoffice: schalten Sie nicht einfach ab), ohne Rücksprache. Halten Sie sich bereit, sobald die Störung behoben ist, weiterzuarbeiten.
  • Störung unverzüglich melden: Informieren Sie sofort Ihren Vorgesetzten oder die IT-Abteilung über den technischen Ausfall. Dies ist nicht nur kollegial, sondern auch arbeitsrechtlich geboten, damit der Arbeitgeber gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen kann. Im Homeoffice sollten Sie den Kontakt zum Arbeitgeber suchen, sobald z.B. das Internet wegbricht.
  • Eigeninitiative zeigen: Versuchen Sie, im Rahmen des Zumutbaren, die Störung zu beheben oder Alternativen zu finden. Beispielsweise können Sie bei Internetproblemen im Homeoffice prüfen, ob ein mobiler Hotspot über das Handy oder ein Wechsel des WLAN-Netzes möglich ist. Oder fragen Sie nach, ob Sie ersatzweise andere Aufgaben erledigen können, die keine Internetverbindung erfordern.
  • Ausfallzeit dokumentieren: Notieren Sie sich genau, wann und wie lange Sie aufgrund der technischen Störung nicht arbeiten konnten. Falls später Unklarheiten über die Arbeitszeit auftauchen, haben Sie so einen Nachweis. Laut Experten sollten Arbeitnehmer nicht nur Überstunden, sondern auch Ausfallzeiten für sich selbst festhalten und den Grund dokumentieren. Das schützt Sie, falls der Arbeitgeber doch Minusstunden anrechnen oder Lohn abziehen möchte.
  • Keine eigenmächtige Nacharbeit ohne Absprache: Fühlen Sie sich nicht verpflichtet, spontan abends länger zu arbeiten, um den Ausfall zu kompensieren. Ohne Anweisung oder Vereinbarung brauchen Sie Ausfallzeiten nicht nachzuholen. Möchten Sie freiwillig etwas nacharbeiten, klären Sie dies vorher mit dem Arbeitgeber, damit kein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften oder betriebliche Regelungen erfolgt.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

Auch für Arbeitgeber ist ein Technik-Ausfall eine Herausforderung. Folgende Hinweise helfen, rechtlich korrekt und fair zu handeln:

  • Lohnfortzahlung sicherstellen: Akzeptieren Sie, dass Ausfallzeiten bei Betriebsstörungen vergütungspflichtig sind. Kürzen Sie weder Gehalt noch verbuchen Sie Minusstunden, wenn Ihre Beschäftigten wegen einer IT-Panne nicht arbeiten konnten. Das Risiko trägt Ihr Unternehmen, nicht der einzelne Arbeitnehmer. Unverschuldete Ausfälle sollten nicht auf dem Arbeitszeitkonto der Mitarbeiter als Minuszeit erscheinen.
  • Schnelle Problemlösung organisieren: Sorgen Sie dafür, dass technische Störungen so rasch wie möglich behoben werden. Stellen Sie gegebenenfalls IT-Support bereit, der den Fehler behebt. Kommunikationswege sollten klar sein, damit Mitarbeiter Ausfälle umgehend melden können. Je schneller der Betrieb wieder läuft, desto besser für alle Seiten.
  • Ersatzarbeit anbieten: Prüfen Sie, ob Ihre Arbeitnehmer während der Downtime andere sinnvolle Tätigkeiten ausüben können. Vielleicht gibt es organisatorische Aufgaben, Fortbildungen (z.B. Fachartikel lesen) oder aufgeschobene Projekte, die ohne die ausgefallene Technik erledigt werden können. Weisen Sie solche Ersatzaufgaben jedoch einvernehmlich zu und berücksichtigen Sie, dass Mitarbeiter ggf. erst verfügbar sein müssen, wenn die Haupttätigkeit wieder möglich ist.
  • Keine einseitigen Nacharbeitsanordnungen: Vermeiden Sie den Reflex, spontan die Arbeitszeit Ihrer Beschäftigten zu verlegen oder Verlängerungen anzuordnen. Ohne Zustimmung der Arbeitnehmer (und ggf. Zustimmung des Betriebsrats) ist eine verschobene oder verlängerte Arbeitszeit nicht zulässig. Halten Sie sich an die vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten. Wenn es betrieblich erforderlich ist, die ausgefallene Arbeit nachzuholen, suchen Sie das Gespräch mit den Mitarbeitern. Einvernehmliche Lösungen – etwa das Verschieben der Arbeitszeit auf einen späteren Zeitpunkt – sind möglich, aber eben nur mit Zustimmung. In mitbestimmungspflichtigen Betrieben ist zudem der Betriebsrat bei Änderungen der Arbeitszeit einzubeziehen.
  • Klare Regeln und Vorsorge treffen: Lernen Sie aus dem Vorfall und etablieren Sie Vorkehrungen für künftige Ausfälle. Das kann bedeuten, wichtige Daten zu redundieren, Notfallpläne für IT-Ausfälle zu erstellen oder auch mit den Arbeitnehmern Regelungen im Arbeitsvertrag/Betriebsvereinbarung zu vereinbaren. Legen Sie fest, wie im Homeoffice bei Internetausfall verfahren wird, wer wann erreichbar sein muss und ob es Möglichkeiten gibt, an einem anderen Ort zu arbeiten (z.B. im Büro, falls das Homeoffice betroffen ist). Solche präventiven Maßnahmen können die Auswirkungen von Technikpannen minimieren und schaffen Rechtssicherheit.

Ein unverschuldeter Technikausfall im Betrieb oder Homeoffice darf für Arbeitnehmer nicht zum Nachteil werden. Arbeitsrechtlich läuft die Arbeitszeit in aller Regel weiter, wenn die Beschäftigten arbeitsbereit sind, aber wegen einer IT-Panne keine Arbeit leisten können. Der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko und muss den Lohn fortzahlen – Ausfallstunden müssen nicht nachgeholt werden. Arbeitnehmer sollten gleichwohl ihre Mitwirkungspflichten ernst nehmen, also Störungen sofort melden und nach Möglichkeit an der Behebung mitwirken. Arbeitgeber wiederum sind gut beraten, auf technische Störungen vorbereitet zu sein und fair mit der Situation umzugehen, indem sie ihre Arbeitnehmer weder finanziell noch zeitlich für den Ausfall belangen. So lassen sich IT-Pannen gemeinsam meistern, ohne dass der Betriebsfrieden gestört wird oder rechtliche Konflikte entstehen.