Anerkennung von Zeiten förderlicher Tätigkeiten nach dem TV-L

14. Dezember 2021 -

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.10.2021 zum Aktenzeichen 6 AZR 254/20 entschieden, dass die Anerkennung von Zeiten förderlicher Tätigkeit nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L nicht als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetzt, dass der Bewerber bei seiner Einstellung eine Berücksichtigung solcher Zeiten verlangt.

Die Parteien streiten über die tarifliche Stufenzuordnung der Klägerin und damit im Zusammenhang stehende Rückforderungsansprüche des beklagten Landes.

Die bereits zuvor von Mai bis Juli 2014 eingesetzte Klägerin ist als Musikschullehrerin seit dem 5. September 2014 mit Unterbrechungen im Schuldienst des beklagten Landes als Vertretungslehrerin mit einem kleinen und wechselnden Stundendeputat beschäftigt. Zuvor war sie an einer städtischen Musikschule als Musikschullehrerin tätig.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

§ 16 Abs. 2 TV-L enthält u.a. folgende Regelungen zur Stufenzuordnung bei Neueinstellung:

„Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. … 4Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.“

Das beklagte Land ordnete die Klägerin, die inzwischen nach Entgeltgruppe 10 TV-L vergütet wird, bei der Einstellung zum 5. September 2014 zunächst der Stufe 4 der Entgeltgruppe 9 TV-L zu. Es berücksichtigte dabei nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L Vorbeschäftigungszeiten als förderliche Tätigkeit. Ein entsprechendes Verlangen hatte die Klägerin vor Abschluss des Arbeitsvertrags nicht geäußert.

Nachdem der Landesrechnungshof die Einstufung der Klägerin überprüft und eine fehlende Dokumentation der Anerkennung förderlicher Zeiten gerügt hatte, informierte das beklagte Land die Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 2018 darüber, dass es die Stufenzuordnung wegen unberechtigter Berücksichtigung förderlicher Zeiten iSv. § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L korrigiere und kündigte eine Rückforderung überzahlter Bezüge durch das Landesamt für Finanzen an. Dieses forderte mit Schreiben vom 17. Juli 2018 unter Berücksichtigung der tariflichen Ausschlussfrist nach § 37 TV-L einen Betrag iHv. noch 778,55 Euro netto für den Zeitraum von Dezember 2017 bis Juni 2018 zurück.

Der für die Einstellung der Klägerin am 5. September 2014 zuständige Vertreter des Fachreferats beim beklagten Land äußerte im Verlauf des Verfahrens, dass die damalige konkrete Bewerberlage zwar nicht mehr nachvollzogen werden könne, es im Fach Musik allerdings sehr schwierig sei, überhaupt Bewerber zu finden; in Kombination mit der geringen Stundenzahl habe man sonst keinen Bewerber für die Stelle gefunden.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Feststellung verlangt, dass dem beklagten Land kein Rückforderungsanspruch zustehe. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Einstellung am 5. September 2014 sei zur Deckung des Personalbedarfs iSv. § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L erfolgt. Sie sei offenkundig die einzige Bewerberin gewesen. Ein ausdrückliches Verlangen, Zeiten einer förderlichen Tätigkeit für die Stufenzuordnung zu berücksichtigen, sei deshalb nicht erforderlich gewesen. Wäre sie über die beabsichtigte Zuordnung zu einer niedrigeren Stufe in Kenntnis gesetzt worden, hätte sie auf eine höhere Vergütung bestanden. Eine korrigierende Rückstufung komme daher nicht in Betracht.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land unter Vertiefung seiner rechtlichen Argumentation weiterhin die Abweisung der Klage.

Die Revision ist unbegründet.

Das beklagte Land hat die Voraussetzungen für eine korrigierende Rückstufung und einen hiermit zusammenhängenden Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin nicht dargelegt, sodass die negative Feststellungsklage Erfolg hat.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte negative Feststellung.

Es steht nicht fest, ob das beklagte Land gegen sie einen Rückzahlungsanspruch hat.

Das beklagte Land hat die Voraussetzungen für eine korrigierende Rückstufung, auf deren Wirksamkeit es sich beruft, nicht hinreichend dargelegt.

Bei einer Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L kommt eine korrigierende Rückstufung nur in Betracht, wenn sich der Arbeitgeber bei der Rechtsanwendung und damit auf der Tatbestandsebene über das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale geirrt hat.

Im Umfang der Ermessensausübung auf der Rechtsfolgenseite ist eine solche Rückstufung nicht zulässig.

§ 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L setzt neben den ausdrücklich aufgeführten Tatbestandsmerkmalen zur Deckung des Personalbedarfs und dem Vorhandensein von vorherigen Beschäftigungszeiten, die für die vorgesehene Tätigkeit förderlich sind, nicht als weiteres, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraus, dass der in die Auswahl gekommene Bewerber die Berücksichtigung dieser Zeiten tatsächlich geltend oder sogar zur Bedingung seiner Einstellung macht.

Die Berücksichtigung von Zeiten förderlicher Tätigkeiten i.S.v.  § 16 Abs. 2 Satz 4 TV-L ohne ein entsprechendes Verlangen des Bewerbers genügt auch den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, wenn der öffentliche Arbeitgeber einen objektiv nachvollziehbaren Grund für seine Entscheidung hat.

Eine Feststellungsklage, die einen bestimmten Anspruch leugnet, darf somit nur abgewiesen werden, wenn der Anspruch feststeht.

Bleibt hingegen unklar, ob die streitige Forderung besteht, muss der auf Negation gerichtete Feststellungsklage ebenso stattgegeben werden, als wenn feststeht, dass der streitige Anspruch nicht besteht.

Das folgt daraus, das bei der negativen Feststellungsklage der Beklagte die Beweislast für das Bestehen des von ihm behaupteten Anspruchs trägt.