BGH muss nicht dem EuGH vorlegen

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Mai 2020 zum Aktenzeichen 1 BvR 1300/16 entschieden, dass keine Pflicht des Bundesgerichtshofs zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof in einer urheberrechtlichen Streitigkeit über die öffentliche Wiedergabe geschützter Werke und Leistungen durch Fernsehgeräte mit Zimmerantenne in Hotelzimmern aus der Verfassung besteht.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Der Bundesgerichtshof habe entgegen der gesicherten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angenommen, dessen Rechtsprechung zur öffentlichen Wiedergabe gelte nicht für vom Hotelier in den Gästezimmern des Hotels aufgestellte Fernsehgeräte, wenn diese Geräte das Fernsehprogramm über eine Zimmerantenne empfingen. Eine solche Einschränkung sei der europäischen Rechtsprechung aber gerade nicht zu entnehmen. Der Bundesgerichtshof habe die Sache daher dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorlegen müssen. Die Auslegung der europäischen Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof sei nicht haltbar.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsätzen vom 28. Februar und vom 14. November 2019 auf das Vorabentscheidungsersuchen C-753/18 des Högsta domstolen (Schweden) an den Europäischen Gerichtshof hingewiesen, das die Frage betrifft, ob das Bereitstellen von Radioempfangsgeräten in Mietwagen eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG beziehungsweise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG darstellt.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die hierfür nach § 93a Abs. 2 BVerfGG erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Die Verfassungsbeschwerde hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin erforderlich, weil sie aufgrund entfallenen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist.

Aufgrund der Beantwortung der Vorlagefrage des Högsta domstolen (Schweden) im Vorabentscheidungsverfahren C-753/18 (EuGH, Urteil der Fünften Kammer vom 2. April 2020, C-753/18, ECLI:EU:C:2020:268) durch den Europäischen Gerichtshof ist eine Vorlage durch den Bundesgerichtshof jedenfalls nicht mehr geboten. Der Europäische Gerichtshof hat eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG respektive Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG bei standardmäßig mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteten Mietfahrzeugen verneint. Der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ vereine zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werks und dessen „öffentliche“ Wiedergabe. Die Bereitstellung eines Radioempfangsgeräts, das in ein Mietfahrzeug eingebaut sei und das ohne weiteres Tätigwerden seitens der Autovermietung die terrestrische Rundfunksendung empfangen könne, die in dem Gebiet, in dem sich das Fahrzeug befinde, zugänglich sei, stelle keine Wiedergabe im Sinne der Richtlinien 2001/29/EG und 2006/115/EG dar. Das Radioempfangsgerät unterscheide sich von den Handlungen der Wiedergabe, mit denen Dienstleister geschützte Werke absichtlich dadurch an ihre Kunden übertrügen, indem sie willentlich ein Signal über installierte Fernseh- oder Radioempfänger verbreiteten (EuGH, Urteil der Fünften Kammer vom 2. April 2020, C-753/18, ECLI:EU:C:2020:268, Rn. 35).

Mit der Auslegung des Merkmals der „öffentlichen Wiedergabe“ durch den Europäischen Gerichtshof im Hinblick auf Radioempfangsgeräte in Mietwagen kann eine Klärung der urheberrechtlichen Rechtslage jedenfalls insoweit angenommen werden, dass ein Absehen von einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV im Hinblick auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fallkonstellation – Fernsehgeräte mit Zimmerantenne in Hotelzimmern – innerhalb des Wertungsspielraums des Fachgerichts liegt (zu diesem vgl. BVerfGE 149, 222 <285 f. Rn. 141> m.w.N., stRspr). Es kann insoweit offenbleiben, ob die Auslegung der bis dahin vorliegenden unionsrechtlichen Rechtsprechung durch den Bundesgerichtshof im Zeitpunkt des der angegriffenen Entscheidung haltbar war oder ob die Sache gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Europäischen Gerichtshof hätte vorgelegt werden müssen.