Ein Arzt als Gerichtsgutachter haftet nicht für verkannte Erkrankung

Das Landgericht Köln hat mit Urteil vom 05.08.2019 zum Aktenzeichen 3 O 338/18 in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Rechtsanwaltskanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass ein Arzt der als Sachverständiger in einem Gerichtsverfahren fungierte nicht dafür haftet, wenn er eine schwere Erkrankung entdeckt aber nicht weitergibt oder diese Erkrankung aus seinem Fachgebiet nicht erkennt.

Die Richter stellten zunächst fest, dass eine Haftung des Arztes aus einem ärztlichen Behandlungsvertrag nicht in Betracht kommt, da der Arzt den Kläger lediglich im Rahmen einer Begutachtung für das Gericht untersucht hat und kein Behandlungsverhältnis bestand.

Auch eine Haftung des Arztes nach § 839a BGB kommt nach dem Landgericht Köln nicht in Betracht. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein innerhalb eines Rechtsstreits gefertigtes Gutachten eine gerichtliche Entscheidung beeinflusst hat und dann dieser Entscheidung schädigende Auswirkungen nachfolgen. Drum geht es hier aber nicht. Auf die Frage, ob das Gutachten falsch oder unvollständig ist, kommt es nicht an.

Denkbar war für die Richter ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung des Körpers und der Gesundheit, die Anspruchsvoraussetzungen liegen aber nicht vor.

Zwar käme dem Arzt im Rahmen einer Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB eine Haftungsprivilegierung nicht zu Gute, da nicht ein Versehen, Fehler oder Pflichtverletzung des Sachverständigen dazu geführt haben, dass ein unrichtiges Gutachten erstattet wurde, das wiederum zu einem angeblich unrichtigen Urteil führte. Die Besonderheit des vorliegenden Verfahrens liegt darin, dass hier eine Prozesspartei einen Schaden bei der Vorbereitung des gerichtlichen Gutachtens behauptet, ohne dass dieser Fehler sich im Gutachten auswirkte. Der Kläger behauptet, bei der Vorbereitung des Gutachtens einen Schaden dadurch erlitten zu haben, dass der Sachverständige Pflichten verletzt hat, wofür er unabhängig von dem Gerichtsverfahren wie jedermann nach § 823 Abs. 1 BGB einzustehen hätte. Es besteht kein Anlass, für diese Fälle besondere Haftungsbegrenzungen zu suchen, die sich nicht in den allgemeinen Rechtsregeln finden.

Der Schädiger muss jedoch nur für Schäden einstehen, die aufgrund einer von ihm willentlich steuer- und beherrschbaren Handlung entstanden sind. Eine Verletzungshandlung durch positives Tun kommt nach dem streitgegenständlichen Sachverhalt nicht in Betracht. Der Kläger wirft dem Arzt vor, ihn über einen laborchemisch festgestellten Wert und den daraus abzuleitenden Krankheitswert nicht informiert zu haben.

Eine Verletzungshandlung des Arztes könnte hier somit lediglich in einem Unterlassen, nämlich einer nicht erfolgten Benachrichtigung des Klägers über den festgestellten Blutwert und den Krankheitswert liegen, eine Haftung scheidet jedoch aufgrund der mangelnden Garantenstellung des Arztes aus. Zwar steht der Handlung das Unterlassen einer gebotenen Handlung gleich. Allerdings besteht keine allgemeine Rechtspflicht andere vor Schäden an anderen Rechten und Rechtsgütern zu bewahren, so dass das Unterlassen einer Handlung nur dann zur Haftung führt, wenn den Schädiger eine Pflicht zum Handeln traf.

Für sein Unterlassen kann der Arzt nach allgemeinen Grundsätzen somit nur haften, wenn ihn als Gerichtsgutachter eine Pflicht traf, dem seinerzeitigen Probanden und heutigen Kläger die strittigen Laborwerte mitzuteilen und auf eine etwaige Abweichung von der Norm mit potentiellen Krankheitswert hinzuweisen. Eine solche Garantenstellung lässt sich nicht begründen. Muss der gerichtliche Sachverständige in Vorbereitung seines medizinischen Gutachtens den Anspruchssteller körperlich untersuchen und Laborwerte erheben, ist er weder bei der Befunderhebung noch bei den daran anknüpfenden Schlussfolgerungen verpflichtet, Behandlungserfordernisse aufzuzeigen oder Therapieempfehlungen zu geben. Daher können Versäumnisse in diesem Bereich nicht zu Schadensersatzhaftung des Gutachters führen. Als Gerichtsgutachter hatte der Arzt die Aufhabe, Erkenntnisse darüber zu vermitteln, ob der Kläger unter einer Berufskrankheit litt. Ihn traf dagegen nicht die Pflicht zu irgendwelchen Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge zu Gunsten des Klägers. Eine solche Pflicht war ihm weder gerichtlich auferlegt worden noch hatte er insoweit eine Gewährzusage gemacht.