Keine Entgeltfortzahlung für Ausübung eines kommunalpolitischen Mandats

Das Bundesarbeitsgericht hat am 19.05.2021 zum Aktenzeichen 5 AZR 318/20 entschieden, dass ein Arbeitnehmer für Abwesenheitszeiten, die durch die Ausübung eines kommunalpolitischen Mandats veranlasst sind, keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 616 Satz 1 iVm. § 611a BGB hat.

Die Übernahme eines kommunalen Wahlmandats beruht auf einem freien Willensentschluss und nicht auf einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung.

Sie ist der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers zuzurechnen.

Die Parteien streiten über Zeitgutschriften auf einem Arbeitszeitkonto.

Die Klägerin ist seit 2005 bei der Beklagten beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) Anwendung.

In § 32 TV-BA sind verschiedene Fälle des § 616 BGB genannt, in denen Beschäftigte unter Fortzahlung des Gehalts von der Arbeit freigestellt werden, so u.a. bei Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht.

Die Klägerin ist Mitglied des Stadtrats und zugleich Mitglied der Fraktion ihrer Partei.

Für ihre Teilnahme an den regelmäßig montags stattfindenden Rats- und Fraktionssitzungen schrieb die Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 01.08.2017 bis zum 08.04.2019 bei ganztägiger Sitzungsdauer arbeitstäglich 7 Stunden und 48 Minuten, sonst die jeweils für die Teilnahme an den Sitzungen aufgewendete Zeit als „Tag Ist-Zeit“ gut.

Für die Folgezeit lehnte die Beklagte entsprechende Gutschriften unter Berufung auf eine Ergänzung ihrer Durchführungsanweisung zu § 32 Abs. 2 TV-BA ab.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer Klage geltend gemacht, sie habe Anspruch auf Gutschrift der Hälfte der für die Ausübung ihres kommunalpolitischen Mandats aufgewendeten Zeit als „Tag Ist-Zeit“ auf ihrem Arbeitszeitkonto aus § 616 BGB i.V.m. § 32 Abs. 2 TV-BA.

Das ArbG hat der Klage stattgegeben, das LAG hat sie abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrten Gutschriften.

Die Klägerin kann für die Zeit, in der sie während der Gleitzeit an Ratssitzungen als Mitglied des Stadtrats oder an Sitzungen ihrer Fraktion teilnimmt, keine Zeitgutschrift als „Tag Ist-Zeit“ auf dem Arbeitszeitkonto verlangen.

Ein Anspruch auf die begehrte Gutschrift ergibt sich nicht aus § 616 Satz 1 BGB.

§ 616 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Arbeitnehmer durch einen in seiner Person oder in seinen persönlichen Verhältnissen liegenden Grund an der Arbeitsleistung tatsächlich verhindert ist.

Ein persönliches Leistungshindernis in diesem Sinne kann auch in der Erfüllung öffentlich-rechtlicher und/oder ehrenamtlicher Verpflichtungen liegen.

Das gilt aber nur, wenn es sich um eine Pflicht handelt, der sich der Arbeitnehmer aufgrund rechtlicher Vorgaben grundsätzlich nicht entziehen kann, wie etwa einer Inanspruchnahme als ehrenamtlicher Richter.

Die Übernahme eines Mandats beruht demgegenüber auf einem freien Willensentschluss und nicht auf rechtlichem Zwang.

Ein Anspruch auf die begehrte Zeitgutschrift folgt auch nicht aus § 32 TV-BA. § 32 TV-BA beschreibt in seinem Abs. 1 verschiedene Anlässe, die als Fälle des § 616 BGB gelten.

Die Ausübung eines kommunalen Mandats ist dort nicht benannt.

Die Ausübung eines kommunalen Wahlmandats ist keine solche Pflicht, da sie auf freiwilliger Mandatsübernahme beruht (vgl. den Anwendungsbereich von § 29 Abs. 2 TVöD).

Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Satz 1 TV-BA liegen hier nicht vor.

Dafür ist nicht entscheidend, ob ein „sonstiger dringender Fall“ i.S.d. Tarifbestimmung auch dann vorliegen kann, wenn es sich um einen Anlass handelt, der in § 32 Abs. 1 TV-BA nicht benannt ist, der aber grundsätzlich einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Verhinderungsgrund i.S.v. § 616 Satz 1 BGB darstellt.

Die Tätigkeiten im Rahmen der Ausübung eines kommunalen Wahlmandats bilden gerade keinen solchen Grund.

Dem Anspruch steht der Klägerin stünde allerdings nicht entgegen, dass § 616 Satz 1 i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung regelt, die Klägerin dagegen eine Zeitgutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto begehrt.

Ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte und gezahlte Vergütung erbringen muss.

Es drückt damit – in anderer Form – den Vergütungsanspruch aus.