Rechtsanwalt muss Ladung zum Termin, in dem der Klageeingang mitgeteilt wird, auf Wahrung der Klagefrist prüfen

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 08.09.2021 zum Aktenzeichen­ 3 Sa 224/21 entschieden, dass die Kenntnis der verspäteten Klageeinreichung durch Mitteilung des Zeitpunkts des Klageeingangs in der Güteterminsladung des Gerichts ausreicht, um diese erkennen zu können.

Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über die nachträgliche Klagezulassung.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.07.2020 ordentlich fristgerecht zum 30.09.2020. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 17.07.2020 zu. Eine unter dem 07.08.2020 gefertigte Kündigungsschutzklage ging am 10.08.2020 beim Arbeitsgericht Bonn ein. Mit gerichtlichem Schreiben vom 12.08.2020 wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zum Gütetermin am 08.09.2020 geladen. Zugleich wurde er in der Ladung über das Datum des Klageeingangs informiert. Diese Ladung erhielt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausweislich des Faxprotokolls am 13.08.2020.

Mit Schriftsatz vom 04.09.2020 beantragte die Klägerin vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Antrag festzustellen, dass die Klägerin ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen sei, die Klagefrist von drei Wochen einzuhalten. Eine Begründung dieses Antrags erfolgte zunächst nicht. Mit Schriftsatz vom 10.09.2020 wurde der in der Güteverhandlung vom 08.09.2020 gestellte Antrag auf nachträgliche Zulassung begründet und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht.

Eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage der Klägerin gemäß § 5 KSchG kommt nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen der vorgenannten Vorschrift offensichtlich nicht vorliegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin – wie von § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG verlangt – trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zu erheben. Denn die Klägerin hat jedenfalls den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nicht innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG gestellt.

Maßgeblich für diese Frist ist nach der gesetzlichen Vorgabe der Zeitpunkt der Behebung des Hindernisses. Das ist vorliegend der Zeitpunkt zu dem die Klägerin erstmals Kenntnis vom verspäteten Klageeingang hatte. Dabei ist ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO die Kenntnis ihres Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2013 – 6 AZR 49/12, EzA § 102 BetrVG 2001, Nr. 29; KR/Kreft, 12. Aufl., § 5 KSchG Rn. 100).

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist mit der Ladung zum Gütetermin, die ihm am 13.08.2020 per Fax übermittelt worden ist, darüber informiert worden, dass die Klageschrift am 10.08.2020, mithin also nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Diese Ladung hat der klägerische Prozessbevollmächtigte ausweislich seiner Ausführungen im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 10.09.2020 persönlich zur Kenntnis genommen und gelesen. Rechtsirrtümlicherweise hat er -wie er ebenfalls in diesem Schriftsatz ausführt – keine Veranlassung gesehen, die Einhaltung der Klagefrist daraufhin zu überprüfen. Hätte er dies getan, wäre ein Antrag auf nachträgliche Zulassung – eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Antragstellung unterstellt – innerhalb der bis zum 27.08.2020 dauernden zweiwöchigen Antragsfrist ohne weiteres möglich gewesen.

Rechtliche Schritte im Hinblick auf die versäumte Klagefrist hat der klägerische Prozessbevollmächtigte erstmals mit dem am 04.09.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums ergriffen und hat die „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ beantragt. Eine Glaubhaftmachung – wie von § 5 Abs. 2 KSchG verlangt – ist erstmals mit Schriftsatz vom 10.09.2020 erfolgt. Damit lagen erstmals am 10.09.2020 die Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Antrags auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG vor. Daher kann ebenfalls dahingestellt bleiben, ob der Wiedereinsetzungsantrag im Sinne eines Antrags nach § 5 KSchG ausgelegt werden könnte. Am 10.09.2002 war die zweiwöchige Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 KSchG jedoch seit weiteren zwei Wochen abgelaufen und ein Antrag nach § 5 KSchG mithin nicht mehr möglich.

Soweit die Klägerin rügt, die gerichtliche Ladung zum Gütetermin verfolge nicht den Zweck, erneut Fristen für die Klageeinreichung zu überprüfen, sondern diene nur dazu, den Termin der Güteverhandlung zu notieren und dem Mandanten mitzuteilen, verkennt sie, dass ihr Prozessbevollmächtigter unabhängig von der Frage der Zwecksetzung unstreitig am 13.08.2020 Kenntnis vom Zeitpunkt des Klageeingangs genommen hat. Er wusste somit positiv, dass die Klage erst am 10.08.2020 und damit verspätet eingegangen war. Allein dieser Umstand ist für den Beginn der zweiwöchigen Antragsfrist des § 5 KSchG maßgeblich. Weitergehende Zweckerwägungen sind rechtlich irrelevant.

Gleiches gilt für den Einwand der Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter sei nicht verpflichtet gewesen, die Einhaltung der Klagefrist nochmals zu überprüfen sowie die Rüge nicht er, sondern das Gericht habe seine Hinweispflicht nicht wahrgenommen. Wie bereits ausgeführt kann dahingestellt bleiben, ob eine derartige Prüfungspflicht besteht, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unstreitig über die entsprechende Kenntnis verfügte. Das gilt in gleicher Weise für die von ihr erhobene gerichtliche Rüge. Unabhängig davon, ob eine solche Hinweispflicht des Gerichts besteht, erscheint diese Rüge allerdings umso unverständlicher, als das Gericht den klägerischen Prozessbevollmächtigten mit der Güteladung sogar ausdrücklich über den Zeitpunkt des Klageeingangs in informiert (also einen entsprechenden Hinweis erteilt) hat und ursächlich für die unterlassene rechtzeitige Antragstellung nach § 5 KSchG alleine seine Rechtsauffassung war, keine Veranlassung für eine Überprüfung der Klagefrist zu sehen.