Arbeitszeugnis: Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich

Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Beschluss vom 17.05.2024 zum Aktenzeichen 1 Ca 418/24 in einem von Rechtsanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. der Kölner Schwerpunktkanzlei JURA.CC vertretenen Fall entschieden, dass ein Arbeitnehmer die Zwangsvollstreckung gegen einen Arbeitgeber aus einem gerichtlichen Vergleich hinsichtlich der Erteilung des Arbeitszeugnisses an sich betreiben kann, jedoch wegen der vereinbarten Note und Schlussformulierungen nicht.

Der Gläubiger begehrt mit seinem Antrag vom 25.04.2024 die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Schuldnerin zur Erfüllung von Ziff. 6 des gerichtlichen Vergleiches vom 11.03.2024, die lautet:

„6. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit der Gesamtbeurteilung der Note „gut“ sowie einer Wunsches, Dankes und Bedauernsformel.“

Dem Gläubiger wurde eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichsbeschlusses erteilt, die dem Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin zugestellt wurde.

Der Gläubiger ist der Auffassung, der Titel sei insgesamt hinreichend bestimmt. Die Schuldnerin habe den Anspruch bislang nicht erfüllt und insbesondere weder ein Zeugnis übermittelt noch mitgeteilt, ein solches liege zur Abholung bereit.

Die Schuldnerin ist der Meinung, der Gläubiger sei verpflichtet, sich das Zeugnis abzuholen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Antrag ist teilweise begründet.

Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der gerichtliche Vergleich stellt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).

Der vorliegende Titel ist nur teilweise hinreichend bestimmt.

Ein Klageantrag und damit ein Vollstreckungstitel ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch durch Bezifferung oder gegenständliche Beschreibung so konkret bezeichnet, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) klar abgegrenzt ist, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennbar sind, das Risiko des eventuell teilweisen Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abgewälzt und eine etwaige Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird (vgl. BAG, Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 342/20 – Rn. 19, juris).

Verlangt ein Arbeitnehmer nicht nur ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis, sondern außerdem auch einen bestimmten Zeugnisinhalt, so hat er im Klageantrag genau zu bezeichnen, was das Zeugnis in welcher Form enthalten soll. Denn nur wenn der Entscheidungsausspruch bereits eine hinreichend klare Zeugnisformulierung enthält, wird verhindert, dass sich der Streit über den Inhalt des Zeugnisses vom Erkenntnis in das Vollstreckungsverfahren verlagert. Aufgabe des Vollstreckungsgerichts ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht. Diese Erwägungen fußen letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip. Dieses verlangt, dass für den Schuldner erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (BAG, Beschluss vom 14.02.2017 – 9 AZB 49/16 – Rn. 10, juris).

Hiernach ist der Vergleich nicht hinreichend bestimmt, soweit die Schuldnerin ein Zeugnis „mit der Gesamtbeurteilung der Note „gut““ erteilen soll (vgl. etwa BAG, Beschluss vom 14.02.2017 – 9 AZB 49/16; LAG Hessen, Beschluss vom 08.09.2016 – 10 Ta 337/16; LAG Hessen, Beschluss vom 16.02.2021 – 10 Ta 350/20; LAG Hessen, Beschluss vom 10.08.2018 – 8 Ta 246/18; LAG Köln, Beschluss vom 04.07.2013 – 4 Ta 155/13).

Bei einem Vollstreckungstitel, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht, bleibt es Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen abzufassen, wobei die Formulierung in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht (vgl. BAG, Beschluss vom 14.02.2017 – 9 AZB 49/16 – Rn. 11, juris).

Akzeptiert man im Grundsatz, dass es im Zeugnisrecht eine an das Notensystem angelehnte Abstufung gibt, kann das Prozessgericht im Rahmen eines Verfahrens nach § 888 ZPO zwar theoretisch auch überprüfen, welcher Notenstufe das Zeugnis entspricht. Allerdings bleibt der Einwand, dass inhaltliche Fragen möglichst nicht von dem Erkenntnis in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden sollen. Zwar mag es sein, dass gerade im Falle eines Vergleichsschlusses im Kündigungsschutzverfahren die Parteien ihren Fokus mehr auf die Formulierung der Beendigungskonditionen legen werden und nicht auf die Formulierung des Zeugnisanspruchs. Das Zeugnis muss von den Parteien in der Vergleichssituation aber auch nicht vollständig formuliert werden. Die Parteien haben es in der Hand, die wesentlichen Punkte, z.B. die ge-wünschte Verhaltens- oder Führungsbeurteilung („stets zu unserer vollen Zufrieden-heit“, „stets einwandfrei“ usw.) und/oder die Abschlussformulierung bereits auszufor-mulieren. Verweisen die Parteien hingegen nur auf ein Zeugnis einer bestimmten No-tenstufe, werden Unklarheiten und Folgeprobleme bewusst in das Zwangsvollstre-ckungsverfahren verlagert. Das Prozessgericht muss ggf. das gesamte Zeugnis – auch in Bezug auf Stringenz in der Bewertung, übliche Hervorhebungen, „stimmige“ Abschlussformulierung etc. – materiell-rechtlich voll überprüfen, ob es z.B. der Noten-stufe „gut“ entspricht. Inhaltliche Fragen sind im Vollstreckungsverfahren indes grund-

Aus denselben Erwägungen ist auch die Regelung nicht hinreichend bestimmt, dass das Zeugnis mit „einer Wunsches, Dankes und Bedauernsformel“ erteilt werden soll.

Allein aufgrund der im Vergleich getroffenen Regelung lässt sich nicht bestimmen, welche Formulierung der Beklagte im Endzeugnis schuldet. Es mag zwar zutreffend sein, dass es sich bei der „Dankes und Bedauernsformel“ um einen gängigen Begriff für eine abschließende Formulierung im Zeugnis handelt. Allerdings sind auch hier verschiedene Wortverbindungen denkbar, mit denen sich „Dank“, „Bedauern“ sowie „gute Wünsche“ zum Ausdruck bringen lassen. Insbesondere sind hier zahlreiche Abstufungen möglich. Der Dank kann im Arbeitsverhältnis u.a. dem Einsatz des Mitarbeiters, seinen Leistungen, aber auch der Zusammenarbeit gelten. Bezüglich der „WunschesFormel“ wird in Zeugnissen häufig zwischen Wünschen für die berufliche und solchen für die private Zukunft unterschieden (vgl. LAG Hessen, Beschluss vom 10.08.2018 – 8 Ta 246/18 – Rn. 25, juris).

Die Verpflichtung ist aber nicht insgesamt hinfällig, es bleibt vielmehr die Verpflichtung zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses bestehen, die auch Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein kann (LAG Hessen, Beschluss vom 16.02.2021 – 10 Ta 350/20 – Rn. 23, juris).

Dass die Schuldnerin diese Verpflichtung bereits erfüllt hätte, hat sie nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Unabhängig davon, ob es sich bei der Pflicht zu Erteilung eines Zeugnisses um eine Bring oder eine Holschuld handelt, ist bereits nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin das Zeugnis überhaupt ausgefertigt hätte. Sie hat dem Gläubiger bislang weder ein Zeugnis übermittelt noch ihm mitgeteilt, dass ein solches nunmehr zur Abholung bereit läge.