Warum das vermeintlich lukrative Angebot in Wahrheit mehr nachteilig als vorteilhaft sein kann und welche Alternativen Arbeitnehmern offenstehen
1. Wenn große Zahlen irreführen
Unternehmen, die Mitarbeiter loswerden wollen, locken häufig mit fünf- bis sechsstelligen Abfindungsangeboten. Auf den ersten Blick scheint das eine schnelle und sorgenfreie Lösung: Geld in der Tasche, Kündigung auf Zeit „gehandelt“ – was könnte besser sein? Doch hinter dieser „Finanzspritze“ verbergen sich Fallen, die am Ende das Portemonnaie schmälern, die berufliche Zukunft belasten oder gar zu langwierigen Nachteilen im Sozialversicherungs- und Steuerrecht führen.
2. Sperrzeit beim Arbeitslosengeld
Durch einen Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag, der meist Voraussetzung für die Abfindung ist, nehmen Sie freiwillig Ihr Arbeitsverhältnis auseinander. Die Arbeitsagentur verhängt daraufhin regelmäßig eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen beim Arbeitslosengeld I. In dieser Zeit erhalten Sie überhaupt kein ALG I und müssen Ihren Lebensunterhalt aus Ersparnissen oder bei Partnern finanzieren. Ein späterer Monatsbetrag kann die entgangenen Wochen nicht vollständig kompensieren – zumal Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung weiterlaufen.
3. Verlust des Kündigungsschutzes
Wer die Abfindung unterzeichnet, verzichtet oft zugleich auf Kündigungsschutzklage und damit auf die Möglichkeit, eine gerichtlich festgestellte Kündigungsschutzverletzung durchzusetzen. Erfolgt die Trennung unwirksam, hätte Ihnen das Gericht eine Weiterbeschäftigung und im Falle der Unmöglichkeit sogar eine höhere Abfindung zusprechen können. Mit der „sofortigen“ Abfindung kapitulieren Sie hingegen vor dem Unternehmer und geben ein schlagkräftiges Druckmittel preis.
4. Steuerliche Auswirkungen
Abfindungen werden zwar nach der sogenannten Fünftel-Regelung steuerlich begünstigt (§ 34 EStG), dennoch kann sich durch die Einmalzahlung eine Progression ergeben, die je nach Gesamteinkommen Nachzahlungen auslöst. Wer dagegen im Rahmen einer Kündigungsschutzklage eine höhere Abfindung erzielt, kann zumindest einen Teil des Steuervorteils bewahren. Zusätzlich fallen im Falle einer Sperrzeit unter Umständen höhere Sozialabgaben an, was das Nettoergebnis weiter schmälert.
5. Alternative Strategien für mehr Erfolg
- Kündigungsschutzklage erheben
Innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung sollten Sie Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Oft einigen sich die Parteien im Verlauf des Verfahrens auf eine höhere Abfindung, ohne die Sperrzeitrisiken eines Aufhebungsvertrags. - Verlängerung der Beschäftigung aushandeln
Manchmal lassen sich befristete Weiterbeschäftigungen oder Projekte mit einem „weichen“ Abgang verbinden. Sie gewinnen Zeit für eine neue Stelle und vermeiden Sperrzeiten. - Einholung einer verbindlichen Zweitmeinung
Ein spezialisierter Fachanwalt für Arbeitsrecht prüft Ihre Situation individuell, klärt Erfolgsaussichten einer Klage und errechnet etwaige Steuer- und Sozialabgaben-Fallen. - Nutzung von Outplacement-Programmen
Manche Unternehmen bieten neben Geld auch professionelle Karriereberatung und Coaching an. Das erhöht die Chancen auf einen schnellen, passenden Neustart.
6. Fallbeispiel
Frau M. (48) erhielt eine Abfindung von 25.000 € im Austausch für einen Aufhebungsvertrag. Nach Abzug von Steuern und Sozialbeiträgen blieb ihr netto nur knapp 14.000 €. Hinzu kamen zwölf Wochen ohne Arbeitslosengeld. Hätte sie dagegen Kündigungsschutzklage eingereicht und sich nach zwei Monaten gütlich auf 30.000 € Abfindung geeinigt, hätte sie neben einem höheren Bruttobetrag auch keine Sperrzeit und deutlich mehr netto übrig gehabt.
7. Fazit: Abwägen statt zuschlagen
Eine hohe Abfindung hört sich verlockend an, ist aber selten „kostenfrei“. Arbeitslosengeld-Sperrzeiten, Steuer- und Sozialabgaben sowie der Verzicht auf gerichtlichen Schutz können aus dem vermeintlichen Bonus am Ende einen Verlust machen. Bevor Sie ein Angebot akzeptieren, sollten Sie unbedingt die Alternativen – insbesondere Kündigungsschutzklage und Weiterbeschäftigung – prüfen und sich von einem spezialisierten Anwalt beraten lassen. Nur so stellen Sie sicher, dass Sie nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig das Beste für Ihre berufliche und finanzielle Zukunft herausholen.