Hintergrund des Falls: LAG Köln, Beschluss vom 09.04.2025 (Az. 8 Ta 18/25)
In einem aktuellen Beschluss des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln wurde ein Arbeitgeber – genauer gesagt der Geschäftsführer einer beklagten Firma – zu einem Ordnungsgeld von 250 € verurteilt, weil er trotz gerichtlicher Anordnung nicht persönlich zur Verhandlung erschienen war. Im zugrunde liegenden Verfahren ging es um eine Kündigungsschutzklage mit diversen Ansprüchen (Weiterbeschäftigung, Zwischenzeugnis, Annahmeverzugslohn, Überstundenvergütung, hilfsweise Urlaubsabgeltung). Das Arbeitsgericht hatte den Geschäftsführer durch Beschluss vom 02.08.2024 verpflichtet, im Kammertermin am 19.12.2024 persönlich zu erscheinen – einerseits zur gütlichen Einigung (Vergleichsversuch) und andererseits zur Aufklärung des Sachverhalts. Diese Anordnung basiert auf § 51 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), wonach das Gericht jederzeit das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen kann.
Trotz ordnungsgemäßer Ladung erschien der Geschäftsführer im Termin nicht. Sein eigener Anwalt konnte dem Gericht keine Gründe für die Abwesenheit nennen und erklärte, er habe den Geschäftsführer nicht erreichen können. Daraufhin setzte das Arbeitsgericht eine Frist bis zum 18.01.2025, damit die Beklagte (Arbeitgeberseite) das Fernbleiben erläutern und etwaige Entschuldigungsgründe glaubhaft machen könne. Da bis Fristablauf keine Erklärung einging, verhängte das Gericht am 21.01.2025 ein Ordnungsgeld gegen den Geschäftsführer. Erst nach Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses trug die Beklagte vor, der Geschäftsführer sei am Verhandlungstag erkrankt (akute fieberhafte Infektion) und daher verhandlungs- und reiseunfähig gewesen; ein ärztliches Attest wurde nachgereicht. Sowohl das Arbeitsgericht als auch in der Folge das LAG Köln bewerteten diese nachträgliche Entschuldigung jedoch als unzureichend und wiesen die Beschwerde der Beklagten gegen das Ordnungsgeld zurück.
Ergebnis: Das Ordnungsgeld von 250 € blieb bestehen. Der Fall verdeutlicht, welche Pflichten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer treffen können, wenn das Gericht ihr persönliches Erscheinen anordnet, und worauf bei Entschuldigungen (insbesondere wegen Krankheit) dringend zu achten ist.
Rechtslage: Persönliches Erscheinen und Ordnungsgeld im Arbeitsgerichtsverfahren
Warum persönliche Anwesenheit? Arbeitsgerichte können zur effektiven Verhandlungsführung die Parteien persönlich vorladen. Gerade in Kündigungsschutz– und Arbeitsstreitigkeiten ist die Anwesenheit beider Parteien oft sinnvoll, um Vergleichsmöglichkeiten auszuloten und strittige Fakten direkt zu klären. Nach § 51 Abs. 1 ArbGG darf der*die Vorsitzende jederzeit das persönliche Erscheinen anordnen. Kommt man dieser Anordnung nicht nach, drohen Sanktionen.
Ordnungsgeld bis 1.000 €: Bleibt eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt dem Termin fern, kann das Gericht ein Ordnungsgeld festsetzen (§ 141 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 380 Abs. 1 ZPO). Die Höhe kann bis zu 1.000 € betragen, im entschiedenen Fall wurden 250 € als angemessen erachtet. Wichtig zu wissen: Das Ordnungsgeld ist kein Strafgeld für Gerichtsbeleidigung, sondern soll sanktionieren, dass die Partei ihrer Mitwirkungspflicht am Verfahren nicht nachkommt und dadurch die Aufklärung des Sachverhalts oder die Verfahrensförderung behindert. Die Verhängung steht im Ermessen des Gerichts, das den Zweck der Ladung berücksichtigen muss. Vereitelt oder erschwert das Fernbleiben die Verhandlung (z.B. scheitert eine gütliche Einigung oder werden Entscheidungsfragen nicht geklärt), ist ein Ordnungsgeld in der Regel gerechtfertigt. Erscheint die Partei hingegen nicht, ohne dass es dem Fortgang schadet (etwa weil ein ausreichend bevollmächtigter Vertreter alle Fragen klären konnte oder trotzdem ein Vergleich geschlossen wurde), kann von einer Sanktion abgesehen werden.
Vertretung als Alternative: Eine Partei kann der persönlichen Ladung auch dadurch nachkommen, dass sie stattdessen einen Vertreterin entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestands vollumfänglich in der Lage und zur Abgabe aller Erklärungen (insb. zum Vergleich) ermächtigt ist (§ 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Das bedeutet im Arbeitsrecht: Arbeitgeber können z.B. eine gut informierte Führungskraft oder Personalleitung schicken, falls der geladene Geschäftsführer verhindert ist; Arbeitnehmer können ggf. eine Bevollmächtigte Person schicken, die den Sachverhalt aus erster Hand kennt. Allerdings muss ein solcher Vertreter wirklich sachdienlich Auskunft geben und verhandlungsbefugt sein – ein reiner Prozessbevollmächtigter (Rechtsanwalt) genügt nicht immer, sofern er nicht ausdrücklich zusätzlich als besonderer Vertreter auftritt. Im Regelfall fordern die Gerichte dennoch die persönliche Präsenz der Parteien, insbesondere derjenigen, die den Sachverhalt erlebt haben oder die Entscheidung letztlich tragen müssen.
Weitere Konsequenzen bei Nichterscheinen: Neben dem Ordnungsgeld kennt das Arbeitsgerichtsgesetz noch eine weitere Maßnahme: Erscheint eine Partei unentschuldigt nicht, kann das Gericht den Anwalt dieser Partei von der Verhandlung ausschließen (§ 51 Abs. 2 ArbGG) und die abwesende Partei als säumig behandeln. In der Praxis bedeutet dies, dass unter Umständen ohne diese Partei weiterverhandelt oder entschieden wird (beispielsweise als Versäumnisurteil). Diese strenge Sanktion wird allerdings nur angewandt, wenn durch das Nichterscheinen der Zweck der Ladung vereitelt wurde. Im Normalfall bleibt es bei einem Ordnungsgeld als „Denkzettel“ – wie im vorliegenden Fall.
Entschuldigung wegen Verhinderung – Anforderungen an Krankmeldungen
Es kommt natürlich vor, dass man aus wichtigem Grund nicht erscheinen kann – etwa wegen Krankheit. Doch Achtung: Die Hürden für eine akzeptierte Entschuldigung sind hoch. Ein einfacher gelber Krankenschein (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) reicht nicht aus, um einem Gerichtstermin fernzubleiben. Arbeitsunfähigkeit bedeutet lediglich, dass man seiner beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen kann; sie ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Verhandlungsunfähigkeit. So hat etwa das Kammergericht Berlin klargestellt, dass ein Attest, das pauschal „Verhandlungsunfähigkeit“ attestiert, ebenfalls ungenügend ist. Warum? Die Beurteilung, ob jemand verhandlungsfähig ist, obliegt dem Gericht – der*die Ärztin muss dafür die medizinischen Fakten liefern, aus denen das Gericht seine Schlüsse ziehen kann.
Konkrete Anforderungen: Ein Entschuldigungsgrund (z.B. Krankheit) muss so detailliert dargelegt werden, dass das Gericht ohne weitere Nachforschung selbst beurteilen kann, ob der Grund gültig ist. Bei gesundheitlichen Gründen bedeutet das: Das ärztliche Attest muss Art der Erkrankung, Schweregrad und voraussichtliche Dauer nennen. Ebenso sollten konkrete Symptome/Beschwerden und Befunde angegeben sein. Aus dem Attest muss klar hervorgehen:
- Wofür es bestimmt ist: Ideal ist ein Hinweis, dass das Attest zur Vorlage bei Gericht ausgestellt wird.
- Welche Erkrankung vorliegt und welche Auswirkungen sie hat: z.B. Fieber über 39 °C, starke Schwäche, ansteckende Infektion – also alles, was die Teilnahme an der Verhandlung unzumutbar macht.
- Wie lange die Verhandlungsunfähigkeit dauern wird (zumindest ob sie den Termin betrifft oder über welchen Zeitraum).
- Zeitpunkt der Feststellung: Wann hat dieder ÄrztinArzt die Person untersucht und die Diagnose gestellt? (Im Idealfall am Tag des Termins oder unmittelbar davor.)
Nur mit diesen Infos kann das Gericht nachvollziehen, ob z.B. tatsächlich eine akute, verhandlungsrelevante Erkrankung vorlag, die das Erscheinen unmöglich machte. Im besprochenen LAG-Fall erfüllte das vorgelegte Attest diese Voraussetzungen nicht: Es bescheinigte zwar eine „akute fieberhafte Infektion“ und Reiseunfähigkeit, ließ aber völlig offen, seit wann der Geschäftsführer erkrankt war, welche konkreten Beschwerden er hatte, wie schwer die Erkrankung war und ob er am Verhandlungstag überhaupt ärztlich untersucht wurde. Außerdem wurde das Attest erst verspätet mit der Beschwerde vorgelegt, nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist. All das führte dazu, dass weder das Arbeitsgericht noch das LAG die Entschuldigung gelten ließen – das Nichterscheinen galt als unentschuldigt und das Ordnungsgeld blieb bestehen.
Tipp: Wer am Tag des Termins erkrankt, sollte unverzüglich seinen AnwaltAnwältin und das Gericht informieren – noch vor dem Termin, wenn möglich. Suchen Sie sofort einen Arzt auf und erklären Sie, dass Sie ein gerichtstaugliches Attest benötigen. Viele Ärztinnen kennen die Anforderungen; gegebenenfalls kann eine AnwaltAnwältin auch ein Merkblatt bereitstellen. Wichtig ist, dass das Attest rechtzeitig beim Gericht eingeht (im Zweifel vorab per Fax oder E-Mail, sofern vom Gericht akzeptiert), damit derdie Richter*in den Termin noch verlegen oder anders disponieren kann. Eine Entschuldigung, die erst nachträglich – vielleicht sogar erst nach Verhängung eines Ordnungsgeldes – nachgereicht wird, läuft Gefahr, nicht anerkannt zu werden. Nach § 381 Abs. 1 ZPO kann das Gericht zwar ein Ordnungsgeld aufheben, wenn im Nachhinein ein genügender Entschuldigungsgrund glaubhaft gemacht wird; in der Praxis werden aber nachträgliche Atteste ohne ausreichende Substanz nicht akzeptiert.
Praxistipps für Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Für Arbeitgeber: Wenn das Gericht Ihren persönlichen Erscheinens anordnet (z.B. als Geschäftsführerin oder Personalverantwortlicher), nehmen Sie das ernst. Bereiten Sie sich vor, persönlich zu erscheinen, vor allem wenn es um Vergleichsgespräche oder Ihre eigene Wahrnehmung von Vorgängen geht. Können Sie wirklich nicht kommen (etwa aus terminlichen Gründen oder Krankheit), sollten Sie so früh wie möglich einen Verlegungsantrag stellen oder einen geeigneten Vertreter benennen. Dieser Vertreter muss voll informiert und entscheidungsbefugt sein – idealerweise jemand aus der Geschäftsführungsebene, der Sachfragen beantworten und Vergleiche schließen darf. Erscheint niemand oder nur jemand ohne ausreichende Infos/Vollmacht, droht ein Ordnungsgeld. Denken Sie daran, dass Ihr Nichterscheinen nicht nur Geld kostet, sondern auch den Prozess verzögern oder Ihre Position schwächen kann. Im worst case kann das Gericht Ihren Anwalt zurückweisen und Sie in Abwesenheit verhandeln lassen – z.B. könnte ein klagender Arbeitnehmer ein Versäumnisurteil gegen Sie erwirken, wenn Sie unentschuldigt fernbleiben.
Für Arbeitnehmer: Auch Arbeitnehmerinnen können vom Gericht persönlich geladen werden, etwa in Kündigungsschutzprozessen. Für Sie gelten die gleichen Spielregeln. Erscheinen Sie zum Termin – selbst wenn Ihre Anwalt*Anwältin anwesend ist, will das Gericht oft Ihre eigene Darstellung hören, um sich ein Bild zu machen oder eine Einigung zu fördern. Falls Sie verhindert sind, gilt ebenso: Frühzeitig entschuldigen und ein qualifiziertes Attest vorlegen. Unentschuldigtes Fernbleiben kann zur Folge haben, dass Ihnen ggf. der Prozess verloren geht oder Sie mit Ordnungsgeld belegt werden. Beachten Sie, dass ein Attest für den Arbeitgeber (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) nicht automatisch vor Gericht entschuldigt – sorgen Sie für ein Attest mit den oben genannten Details. Insbesondere bei psychischen Belastungen oder ähnlichem sollten Sie dem Arzt erklären, warum Ihnen die Teilnahme am Termin nicht möglich ist, damit er dies entsprechend attestieren kann. Und: Halten Sie unbedingt Kontakt zu Ihrem Anwalt/Ihrer Anwältin. Im entschiedenen Fall wusste der Anwalt des Geschäftsführers nicht einmal über die Erkrankung Bescheid – so etwas wirkt äußerst ungünstig. Informieren Sie Ihre Vertretung sofort, wenn ein Problem auftritt.
Gerichtliche Ladung zum persönlichen Erscheinen sollte von Arbeitnehmer– und Arbeitgeberseite ernst genommen werden. Sie dient keinem Selbstzweck, sondern der Beschleunigung und Aufklärung im Verfahren. Wer unentschuldigt fehlt, riskiert ein Ordnungsgeld bis 1.000 € und ggf. weitere prozessuale Nachteile. Beide Parteien sind gut beraten, frühzeitig zu erscheinen oder sich im Verhinderungsfall ordnungsgemäß zu entschuldigen. Gerade bei Krankheit reicht ein lapidarer Hinweis nicht aus – ein Attest muss konkret und aussagekräftig sein, damit das Gericht den Entschuldigungsgrund anerkennen kann. Im Zweifel sollte man lieber Rücksprache mit seinem Anwalt halten, wie ein solcher Nachweis zu erbringen ist. So lassen sich kostenpflichtige Ordnungsgelder und Verzögerungen vermeiden, und man präsentiert sich als zuverlässige Prozesspartei, was letztlich auch die eigene Position vor Gericht stärkt.