Teilzeitverlangen kann unter Umständen rechtsmissbräuchlich sein

15. März 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 14.10.2021 zum Aktenzeichen 5 Sa 707/21 entschieden, dass es rechtsmissbräuchlich ist, den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit in einem Umfang von nicht einmal 10 % allein deshalb geltend zu machen, damit zukünftig die Einteilung in eine bestimmte Schicht nicht mehr erfolgt.

Die Parteien streiten über die Reduzierung und Neuverteilung der wöchentlichen Arbeitszeit. Der Kläger ist bei der Beklagten, die mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt, seit 2016 als Mitarbeiter in der Produktion beschäftigt. Die Produktion arbeitet in einen rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr laufenden Fünf-Schicht-System. Die Beschäftigten werden einer der Schichten „A“ bis „E“ zugeordnet. Der Kläger ist der Schicht „E“ zugeordnet. Die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit des Klägers beträgt 39 Stunden in der Woche. Die Beklagte setzt die Beschäftigten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden an 36 Stunden in der Woche in ihrer jeweiligen regulären Schicht ein, die verbleibenden Stunden werden nach einer BV Arbeitszeit im Rahmen eines Arbeitszeitkontos durch Einbringung von Stunden aus einem Freizeitkonto und Urlaubsstunden, im Übrigen durch in besonders im Dienstplan ausgewiesenen Schichten zu leistende „Einbringstunden“ ausgeglichen. Diese Schichtendienen der Abdeckung von lang- oder kurzfristig eintretendem Personalausfall an der jeweiligen Anlage. Der Kläger verlangt die Reduzierung seiner Arbeitszeit auf 36 Stunden und deren ausschließliche Verteilung auf die Schicht „E“. Für zusätzliche Einbringschichten wolle er nicht mehr zur Verfügung stehen. Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat ebenfalls keinen Erfolg.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 1 TzBfG keinen Anspruch auf Zustimmung der Beklagten zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 auf 36 Stunden und der Verteilung der Arbeitszeit auf die Schicht E. Das LAG Berlin-Brandenburg hält das Teilzeitverlangen des Klägers für rechtsmissbräuchlich und bereits deshalb für erfolglos, weil der Kläger damit tatsächlich das
Ziel einer dem Organisationskonzept der Beklagten widersprechenden Arbeitszeitverteilung verfolgt. Allein für den Zweck, eine gewünschte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, darf er seine Rechte aus dem TzBfG nicht geltend machen. Durch das vordergründige Verlangen auf eine verhältnismäßig geringfügige Arbeitszeitverringerung in genau dem den Einbringstunden entsprechendem Umfang will er erreichen, in den Einbringschichten nicht mehr eingesetzt zu werden. § 8TzBfG enthält zwar keine Vorgaben hinsichtlich des Umfangs der Vertragsänderung und knüpft den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nicht an ein Mindestmaß der Arbeitszeitreduzierung. Ein Arbeitnehmer kann grundsätzlich auch Anspruch auf eine verhältnismäßig geringfügige Verringerung seiner Arbeitszeit haben, dies indiziert per se keinen Rechtsmissbrauch. Liegen allerdings im Einzelfall besondere Umstände vor, die darauf schließen lassen, der Arbeitnehmer wolle die ihm gemäß § 8 TzBfG zustehenden Rechte zweckwidrig dazu nutzen, unter Inkaufnahme einer unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und der Arbeitsvergütung eine bestimmte Verteilung der Arbeitszeit zu erreichen, auf die er ohne die Arbeitszeitreduzierung keinen Anspruch hätte, kann dies die Annahme eines gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlichen Verringerungsverlangens rechtfertigen (BAG, Urteil vom 11.06.2013 – 9 AZR 786/11). Dies hat das LAG Berlin-Brandenburg hier angenommen. Dass der Kläger die Verringerung der Arbeitszeit nur deshalb anstrebt, weil er die Einbringstunden nicht mehr leisten möchte, schließt das LAG daraus, dass die Arbeitszeitverringerung mit 3 Wochenstunden genau dem Umfang der auf die Wochenarbeitszeit entfallenden Einbringstunden entspricht. Damit liegen hier besondere Umstände vor, die die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen. Der Anspruch aus § 8 TzBfG, der nur zweitrangig auch die Neuverteilung der Arbeitszeit umfasst, darf nicht dazu eingesetzt werden, erstrangig und unter Hinnahme einer
unwesentlichen Verringerung der Arbeitszeit und Vergütung die Entbindung von einer ungeliebten Schicht zu erreichen.

Ergänzend führt das LAG Berlin-Brandenburg aus, dass sich ein Anspruch des Klägers auch nicht aus § 8 TzBfG ergeben würde. Der Arbeitszeitverteilung bei der Beklagten liegt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde. Diesem Organisationskonzept steht das Arbeitszeitverlangen des Klägers entgegen, das betriebliche Organisationskonzept der Beklagten wird durch die von dem Kläger gewünschte Arbeitszeitverringerung wesentlich beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigungen können weder durch Neueinstellungen noch durch den Einsatz von Leiharbeitskräften kompensiert werden.