Zahlungspflicht aus Fitnessstudio-Vertrag während der Corona-Pandemie

30. Juli 2021 -

Das Amtsgericht Frankenthal hat zum Aktenzeichen 3c C 4/21 entschieden, dass bei einer staatlich angeordneten pandemiebedingten Schließung eines Fitnessstudios dessen Betreiber nicht mehr in der Lage ist, Kunden die vertraglich geschuldeten Leistungen zur Verfügung zu stellen, ein Fall vorübergehender Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Absatz 1 BGB mit der Folge vorliegt, dass für die Zeit des „Lockdowns“ sowohl der Studiobetreiber, als auch der Kunde von ihren wechselseitigen Leistungspflichten anteilig befreit sind.

Aus der Pressemitteilung des AG Frankenthal vom 30.07.2021 ergibt sich:

Leitsätze des Gerichts:

Sofern bei einer staatlich angeordneten pandemiebedingten Schließung eines Fitnessstudios dessen Betreiber nicht mehr in der Lage ist, Kunden die vertraglich geschuldeten Leistungen zur Verfügung zu stellen, liegt ein Fall vorübergehender Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB mit der Folge vor, dass für die Zeit des „Lockdowns“ sowohl der Studiobetreiber, als auch der Kunde von ihren wechselseitigen Leistungspflichten anteilig befreit sind (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Eine Vertragsanpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist demgegenüber subsidiär und auch vom Gesetzgeber, der aufgrund der COVID19-Pandemie in Art. 240 EGBGB eigens spezielle Sonderregelungen geschaffen hat, zumindest für Sportstudioverträge über die dem Betreiber in Art. 240 § 5 EGBGB eingeräumten Möglichkeiten (sog. „Gutscheinlösung“) hinaus, nicht vorgesehen worden. Eine derartige Vertragsanpassung (zB durch Verlängerung der Vertragslaufzeit um den Zeitraum der Schließung) kommt jedenfalls für solche Verträge, die bereits vor Ausbruch der Pandemie und Schließung des Studios gekündigt waren, unter Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit der Vertragsparteien auch aus sonstigen Erwägungen heraus nicht in Betracht.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Sportstudiovertrag.

Im Jahr 2016 schlossen die Parteien einen „Mitgliedsvertrag“ über die Nutzung des von der Klägerin betriebenen Fitnessstudios im Tarif „Sunshine“, der der Beklagten die Inanspruchnahme der Leistungen des Studios an Werktagen von Montag bis Freitag zu den Arbeitszeiten für einen Zeitraum von sieben Monaten ermöglichte. Als Gegenleistung war eine nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der Vertragsbedingungen im Voraus zu erbringende Zahlung von 518.- € vereinbart, wobei der Beklagten nach Satz 3 und 4 im Hinblick auf eine zu erteilende Einzugsermächtigung eine Zahlung von monatlich im Voraus zu leistenden Teilbeträgen in Höhe von je 74.- € gestattet wurde. Zudem vereinbarten die Parteien eine jährlich wiederkehrende „Betreuungspauschale“ in Höhe von 79.- €, fällig zum 4. April eines jeden Jahres. Nach § 3 Abs. 2 der Vertragsbedingungen verlängerte sich der Vertrag jeweils für die Dauer von sechs weiteren Monaten, falls er nicht von einer der Parteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten vor dem jeweiligen Beendigungszeitpunkt schriftlich gekündigt wird. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2019, welches der Klägerin am 4. Januar 2020 zuging, kündigte die Beklagte den Vertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Im März 2020 erfolgte die letzte monatliche Zahlung von 74.- €. Vom 17. März bis zum 26. Mai 2020 war das Fitnessstudio aufgrund der COVID19-Pandemie geschlossen. Mit Schreiben vom 27. Mai 2020 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der Vertrag wegen der zwischenzeitlichen Schließung erst zum 30.06.2020 beendet sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei zur Zahlung der Monatsbeiträge für Mai und Juni 2020 sowie einer anteiligen Betreuungspauschale für diese Monate (13,16 €) verpflichtet, da der Vertrag nach § 313 BGB anzupassen sei und sich daher um die pandemiebedingte Schließungszeit verlängere. Demgegenüber liege weder ein Fall der Unmöglichkeit vor, noch sei die eigens im Zuge der COVID19-Pandemie geschaffene Regelung des Art. 240 § 5 EGBGB anzuwenden, weil es an der dafür notwendigen Vorausleistung der Beklagten fehle.

Die Beklagte behauptet, sie habe sich auf die Beendigung des Vertrages zum 31. Mai 2021 eingestellt und ab Juni 2021 anderweitig vertraglich gebunden. Eine Verlängerung des Vertrages über den sich aufgrund der Kündigung ergebenden Beendigungszeitpunkt hinaus könne die Klägerin nicht einseitig vornehmen. Zudem schulde sie für die Zeit, in der der Klägerin die Leistungserbringung unmöglich gewesen sei keine Zahlungen. Da sie für März 2020 bereits 74.- € gezahlt habe, der Klägerin aber nur eine Zahlung für 13 Tage im März und 4 Tage im Mai zustehe, liege eine Überzahlung in widerklagend geltend gemachter Höhe vor.

Entscheidung des Gerichts:

Das Gericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage zu einer Teilzahlung verurteilt, im Übrigen die Widerklage abgewiesen.

Aus den Gründen:

(…) Der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag für den begehrten Zeitraum (Mai-Juni 2020) nicht zu.

Der Vertrag war vor Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland und vor der dadurch bedingten Schließung des klägerischen Studios durch die unstreitige ordentliche Kündigung der Beklagten vom Januar 2020 zum Ablauf des Monats Mai 2020 beendet worden. Dabei war der Klägerin die Erbringung ihrer vertraglich geschuldeten Leistung aufgrund der besagten Schließung des Studios in der Zeit vom 17. März bis zum 26. Mai 2021 unstreitig nicht möglich.

Demnach liegt per Definition ein Fall (vorübergehender) Unmöglichkeit der von der Klägerin zu erbringenden Leistung mit der sich aus dem Gesetz (§ 275 Abs. 1 BGB) ergebenden Folge vor, dass der Anspruch der Beklagten auf Leistungserbringung für diesen Zeitraum ausgeschlossen und die Klägerin während der Dauer des Vorliegens des Leistungshindernisses von ihrer Leistungspflicht befreit war. Als Ausdruck der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung verliert der von der Leistungspflicht befreite Schuldner gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB damit auch seinen Anspruch auf die Gegenleistung. Mithin hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Zahlung von „Mitgliedsbeiträgen“ für den Zeitraum der Schließung. Vielmehr bestand für die Klägerin nur ein Anspruch auf anteilige Zahlung der Beiträge für die Monate März und Mai 2020.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus der den Wegfall der Geschäftsgrundlage regelnden Bestimmung des § 313 BGB. Denn diese ist gegenüber den spezialgesetzlichen Regelungen zur Unmöglichkeit der Leistung grundsätzlich subsidiär (vgl. nur BeckOK BGB/Lorenz, 58. Ed. 1.5.2021 § 313 Rn. 20; speziell für Sportstudioverträge auch LG Freiburg – 9 S 41/20, Urt. v. 27.04.2021 Rn. 43, zit. n. juris, jew. mvwN; aA  – ohne auf die Abgrenzung zur Unmöglichkeit näher einzugehen –  etwa LG Würzburg, GRUR-RR 2020, 540, 541/542). Eine die ausnahmsweise Anwendbarkeit der Norm anordnende oder zumindest ermöglichende Sonderregelung  – wie sie etwa Art. 240 § 7 EGBGB für die Gewerberaummiete enthält –  hat der Gesetzgeber auch angesichts der mit der Corona-Pandemie einhergehenden wirtschaftlichen Probleme zu Gunsten von Betreibern von Fitnessstudios (an die in Art. 240 § 5 EGBGB freilich gedacht wurde) nicht getroffen. Darüber hinaus zeigt aber auch gerade der dem vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde liegende Sachverhalt die Grenzen der Angemessenheit und Zumutbarkeit einer etwaigen Vertragsanpassung auf. Während bei einem fortlaufenden, ungekündigten Dauerschuldverhältnis die von der Klägerin gewünschte und für angebracht gehaltene Lösung (Zahlung während des Lockdowns mit kostenfreier Vertragsverlängerung bzw. Kostenbefreiung für die Zeit des Lockdowns und anschließende kostenpflichtige Vertragsverlängerung) noch als den Interessen beider (fortsetzungswilliger) Parteien gerecht werdende Lösung erscheinen mag, kann dies jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Vertragsverhältnis schon vor Ausbruch der Pandemie bzw. behördlicher Anordnung eines Lockdowns gekündigt war und die Schließung die Zeit zwischen Kündigung und Vertragsende betrifft, nicht gelten. Denn in diesem Fall haben die Parteien sich schon auf ein Ende des Vertragsverhältnisses zu einem sich aus dem Vertrag ergebenden Zeitpunkt eingestellt und durften dies bei Ausspruch bzw. Zugang der Kündigung auch ohne weiteres. Eine einseitig von einer Partei zu erwirkende Vertragsverlängerung würde daher einen nicht zumutbaren Eingriff in die Dispositionsfreiheit der Parteien bedeuten, was auch dann gilt, wenn sich die Beklagte  ¬ entgegen ihrer bestrittenen Behauptung –  ab Juni 2020 nicht anderweitig vertraglich gebunden oder eingerichtet haben sollte. (…)

Das Gericht hat die Berufung zugelassen.