Wenn ein Arbeitgeber seinen Betrieb verlagert oder einen neuen Standort eröffnet, stehen viele Arbeitnehmer vor der Frage: Muss ich dem Umzug folgen? Auf der einen Seite möchte das Unternehmen die Kontinuität der Arbeitsprozesse sicherstellen, auf der anderen Seite haben Beschäftigte oftmals persönliche Bindungen und Verpflichtungen am bisherigen Wohnort. Ein naheliegender Ausweg wäre Homeoffice – doch ein gesetzlicher Anspruch hierauf besteht nicht. Im Folgenden werden die rechtlichen Grundlagen, mögliche Fallkonstellationen und Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ausführlich dargestellt.
Vertragliche Grundlage: Arbeitsortvereinbarung
Der Ausgangspunkt ist immer der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsort. Dieser kann im Arbeitsvertrag oder in einer ergänzenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung festgelegt sein:
- Fester Arbeitsort (z. B. „Standort Hamburg, Filiale Altona“): Der Arbeitgeber kann den Arbeitsort nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer verändern oder über sein Weisungsrecht hinaus nur mittels einer Änderungskündigung.
- Weit gefasster Arbeitsort (z. B. „Räumlichkeiten des Arbeitgebers in Deutschland“): Hier ist in der Regel eine größere Flexibilität gegeben. Der Arbeitgeber kann im Rahmen der „gebundenen Arbeitsleistung“ gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) den genauen Einsatzort bestimmen.
Praxis-Tipp für Arbeitgeber: Achten Sie auf eine klare Formulierung des Arbeitsorts im Vertrag. Bei gewünschten Änderungen sollten Sie frühzeitig das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern suchen.
Betriebsvereinbarung und Mitbestimmung
Ist im Betrieb ein Betriebsrat tätig, kann dieser gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmen, wenn es um die Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung geht. Eine Betriebsvereinbarung kann daher:
- Flächendeckende Homeoffice-Regelungen etablieren und beispielsweise definieren, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang Telearbeit möglich ist, oder
- Versetzungsmodalitäten festlegen, etwa zum Umgang mit Standortwechseln und mobilen Arbeitsformen.
Für Arbeitgeber bedeutet das: Betriebsräte frühzeitig einbinden, um spätere Konflikte zu vermeiden. Arbeitnehmer haben so gegebenenfalls einen Anspruch auf Verhandeln über Homeoffice oder Versetzungen.
Weisungsrecht versus Änderungskündigung
Weisungsrecht (§ 106 GewO, § 315 BGB)
Der Arbeitgeber hat das Weisungsrecht, Arbeitspflichten in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu verändern. Dazu gehört auch der Ort der Arbeitsleistung, soweit der Arbeitsvertrag dies nicht ausdrücklich ausschließt. Allerdings gilt die Grenze der Billigkeit (§ 315 BGB i. V. m. § 242 BGB):
- Eine Versetzung darf den Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig treffen.
- Berücksichtigung persönlicher Belange (Familie, Gesundheit, Pendelbelastung) ist erforderlich.
Änderungskündigung (§ 2 KSchG)
Erweist sich eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrags als unmöglich, kann der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aussprechen:
- Kündigung des bisherigen Vertrags mit der Beendigungskündigungsfrist (sozial gerechtfertigt gemäß § 1 KSchG).
- Angebot eines neuen Vertrags unter geänderten Bedingungen (z. B. neuer Arbeitsort).
Der Arbeitnehmer kann dieses Angebot annehmen oder kündigen. Unterlässt der Arbeitgeber die Änderungskündigung und besteht keine vertragliche oder mitbestimmte Grundlage, kann er den Arbeitnehmer nicht einfach zum Umzug zwingen.
Homeoffice als Ausweg?
Ein gesetzlicher Anspruch auf Homeoffice besteht derzeit nicht – weder im deutschen Arbeitsrecht noch aufgrund einer EU-Richtlinie. Homeoffice kann jedoch gewährt werden durch:
- Einzelvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer,
- Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat,
- Leitlinien oder „Homeoffice-Richtlinie“ im Unternehmen.
Ist Homeoffice im Einzelfall vereinbart oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt, kann der Arbeitnehmer bei einem Standortwechsel unter Umständen darauf bestehen, weiterhin im Homeoffice zu arbeiten. Fehlt eine solche Regelung, bleibt es eine reine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers.
Handlungsempfehlungen
Für Arbeitnehmer
- Arbeitsvertrag prüfen: Besteht eine Arbeitsortvereinbarung?
- Gespräch suchen: Frühzeitig Wünsche und Bedenken beim Arbeitgeber ansprechen.
- Betriebsrat einschalten: Sofern vorhanden, kann er bei der Ausgestaltung von Homeoffice und Versetzung mitwirken.
- Rechtliche Beratung: Bei Zweifeln an der Angemessenheit einer Versetzung kann anwaltlicher Rat sinnvoll sein.
Für Arbeitgeber
- Vertragliche Klarheit schaffen: Genaue Regelung des Arbeitsorts im Arbeitsvertrag.
- Betriebsvereinbarungen nutzen: Homeoffice– und Versetzungsregelungen gemeinsam mit dem Betriebsrat gestalten.
- Transparente Kommunikation: Mitarbeiter frühzeitig in Planungen einbeziehen; Härtefälle berücksichtigen.
- Änderungskündigung als letzter Schritt: Nur, wenn keine einvernehmliche Lösung möglich ist und das Unternehmen den Standortwechsel zwingend benötigt.
Zusammenfassung
- Keine generelle Mitnahmepflicht: Arbeitnehmer müssen einem Standortwechsel nur unter vertraglicher oder mitbestimmter Grundlage folgen.
- Weisungsrecht begrenzt: Versetzungen sind im Rahmen der Billigkeit und unter Berücksichtigung persönlicher Belange vorzunehmen.
- Homeoffice kein Rechtsanspruch: Es kann vereinbart, aber nicht verlangt werden.
- Änderungskündigung als Instrument: Erzwingt unter engen Voraussetzungen eine Vertragsänderung.
Für beide Seiten gilt: Frühzeitige, transparente Kommunikation und klare vertragliche Regelungen sind der Schlüssel, um Konflikte zu vermeiden und langfristig ein produktives Miteinander zu sichern.