Lehrer wegen eines unangemessenen Nähe-Verhältnisses zu Schülern gekündigt

09. Februar 2023 -

Vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist zum Aktenzeichen 13 Sa 623/22 ein Berufungsverfahren anhängig bei denen ein Lehrer wegen eines unangemessenen Nähe-Verhältnisses zu Schülern gekündigt wurde.

Aus den Pressemitteilungen des LAG Düsseldorf vom 08./09.02.2023 ergibt sich:

Der Kläger ist seit 2007 als Lehrkraft bei der Beklagten beschäftigt. Ende 2020 hatte ein Schüler der Schulleitung geschildert, dass der Kläger ihn mehrfach über WhatsApp kontaktiert und ihm Treffen im privaten Bereich und außerhalb der Schule vorgeschlagen habe. Dadurch habe sich der Schüler unwohl gefühlt. Der Kläger räumte in der daraufhin durchgeführten Anhörung ein, dass sein Verhalten unangemessen war. Im Nachgang zu diesem Vorfall erteilte die Beklagte dem Kläger eine Dienstanweisung vom 09.12.2020, die ihm ein solches Verhalten untersagte.

Zur gleichen Zeit hatte der Kläger in vergleichbarer Weise mit einem anderen Schüler kommuniziert. Dies teilte er der Beklagten nicht mit. Im Oktober 2020 fand ein Treffen mit diesem Schüler bei dem Kläger zu Hause statt. Nachdem sich der Schüler am 25.03.2022 der Interventionsbeauftragten der Schule anvertraut hatte, wurde das in der Schule und beim Schulträger eingerichtete Verfahren zur Intervention bzw. Risikoeinschätzung in Gang gesetzt. Der Kläger wurde zu den Vorgängen am 31.03.2022 angehört. Am 05.04.2022 wurde die in der Schule gebildete Mitarbeitervertretung zu der geplanten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört. Die Mitarbeitervertretung stimmte per E-Mail beiden Maßnahmen zu. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 06.04.2022, persönlich übergeben am 09.04.2022, außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2022. Mit Schreiben vom 17.06.2022 erfolgte eine ergänzende Anhörung der Mitarbeitervertretung, in der es um nachzuschiebende Kündigungsgründe ging.

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er habe keine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen, sondern lediglich versucht, seine Schüler zu fördern und zu unterstützen. Es sei auch üblich, dass große Teile des Lehrerkollegiums über WhatsApp mit den Schülern kommunizieren. Daneben rügt er die ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung. Dass ein Kündigungsgrund nicht gegeben sei, zeige sich auch darin, dass die Beklagte ihn während des Prozesses freiwillig weiterbeschäftigt habe.

Die Beklagte behauptet, sie habe im März 2022 von einem anderen Schüler erfahren, dass der Kläger ihn ebenfalls mehrfach zu sich nach Hause eingeladen und ihm u.a. angeboten habe, ihm die Füße massieren. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 06.04.2022 außerordentlich fristlos gekündigt hatte, hat sie – nach ihrer Darstellung – von weiteren ähnlichen Vorfällen zwischen dem Kläger und Schülern in früheren Jahren erfahren. Der Kläger bestreitet, sich seinen Schülern gegenüber in der geschilderten Weise unangemessen verhalten zu haben. Er habe lediglich versucht, sie zu fördern und zu unterstützen.

Das Arbeitsgericht Essen hat in seinem Urteil vom 16.08.2022 die ausgesprochene Kündigung als rechtsunwirksam bewertet, weil es an der erforderlichen vorherigen Abmahnung gefehlt habe. Zwar sei das Verhalten des Klägers nicht korrekt gewesen. Allerdings habe er durch sein Verhalten nach Erhalt der Dienstanweisung gezeigt, dass er sein dienstliches Auftreten geändert habe. So habe es von Dezember 2020 bis September 2021 nahezu keine außerschulische Korrespondenz des Klägers gegeben. Die beiden nachgeschobenen Kündigungsgründe habe die Beklagte nicht nachweisen können.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Kündigungsschutzklage.

Die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass das Verhalten des Klägers gegenüber Schülern, wenn es sich so darstellen sollte, wie von der Beklagten behauptet, auch ohne vorherige Abmahnung die außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde. Um dies aufzuklären, müssten die von der Beklagten benannten Schüler als Zeugen vernommen werden. Das Gericht hat mit den Parteien zudem erörtert, welche rechtlichen Folgen es hat, dass die Beklagte den Kläger nach der erstinstanzlichen Entscheidung an der Schule vorläufig weiterbeschäftigt hat, obwohl sie hierzu weder verurteilt wurde, noch mit dem Kläger über die Konditionen dieser Weiterbeschäftigung eine schriftliche Vereinbarung getroffen hat. Ggf. wäre – falls sich die Kündigung als wirksam herausstellen sollte – in einem weiteren Prozess zu klären, ob durch die Beschäftigung ein neues Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Auch vor dem Hintergrund dieser prozessualen Situation hat das Gericht den Parteien dringend angeraten, Möglichkeiten einer einvernehmlichen Beilegung des Konflikts zu suchen. Dem Wunsch der Parteien entsprechend sollen nun zunächst außergerichtlich Vergleichsverhandlungen geführt werden. Nur wenn diese scheitern, wird das Gericht einen neuen Termin bestimmen und Zeugen laden.