Rassismus und Beleidigung sind Grund für fristlose Kündigung

18. Januar 2022 -

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 06.06.2019 zum Aktenzeichen 4 Sa 18/19 entschieden, dass wenn ein bereits einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer einen Kollegen mit dunklerer Hautfarbe in Anwesenheit mehrerer anderer Kollegen durch den Ausstoß von Affenlauten wie „Ugah Ugah“ beleidigt, kann darin ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erkannt werden.

Eine Beharrlichkeit des Pflichtverstoßes und damit eine nachhaltig negative Verhaltensprognose ist in einem solchen Fall insbesondere dann begründet, wenn nach Einschaltung der AGG- Beschwerdestelle der Beleidigende in der Anhörung durch den Arbeitgeber uneinsichtig äußert, sein Verhalten habe „der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre“ gedient und gehöre zum „gepflegten Umgang“.

Beleidigt ein bereits einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer einen dunkelhäutigen Kollegen in Anwesenheit mehrerer anderer Kollegen mit Affenlauten wie „Ugah Ugah“, so kann darin ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gesehen werden. Wird die Äußerung „Ugah Ugah“ gegenüber einem Menschen dunkler Hautfarbe auf den vier Kommunikationsebenen nach Schulz von Thun (Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation; Reinbek 1981) betrachtet, und wird mangels dagegen sprechender Tatsachen davon ausgegangen, dass sowohl der Sender wie auch der Empfänger auf allen Ebenen gleich stark sendet und empfängt, so ergibt sich der folgende Sinngehalt der vom Kläger geäußerten Grunzlaute, wie er vom Erklärungsempfänger verstanden werden konnte und – ausweislich seiner AGG-Beschwerde – verstanden wurde:

Auf der Sachebene: „Ich sehe in dir einen Primaten, der sich nahezu kommunikationsunfähig auf dem geistigen Niveau eines zweijährigen Kindes bewegt.“

Auf der Appellebene: „Hör auf zu reden und tue nicht so, als könntest du denken!“

Auf der Selbstoffenbarungsebene: „Die Hautfarbe eines Mitmenschen ist für mich ein grundsätzlicher und bestimmender Faktor menschlicher Fähigkeiten und Eigenschaften, ich lasse mich also von rassistischen Gedanken leiten.“

Auf der Beziehungsebene: „Ich verachte dich. Die mir gleichen Menschen sind hochwertig, die dir gleichen Menschen sind geringwertig.“

Diese Auffächerung in die verschiedenen Kommunikationsebenen zeigt, dass es hier nicht um eine schlicht derbe Beleidigung eines Kollegen geht wie „Arschloch“, „dumme Sau“ oder „Stricher“. Durch die Verbindung zu einem nach § 1 AGG verpönten Merkmal wird die schlichte Beleidigung – die lediglich ein Zeichen mangelnder Beherrschung und fehlender Erziehung wäre – zur Selbstoffenbarung eines Diskriminierenden und in diesem speziellen Fall: eines Rassisten. Dabei kann sich der Kläger nicht auf schlichtes Bestreiten zurückziehen und darauf, die Affenlaute seien nicht rassistisch gemeint gewesen, „Affe“ sei nichts anderes als „Sau“, und auch Oliver Kahn sei mit Bananen beworfen worden. Wie es die Wertung in § 22 AGG zum Ausdruck bringt, ist es nämlich die schlichte Kombination aus dem verpönten Merkmal des Opfers (dunkle Hautfarbe) mit der diskriminierenden Facette der Beleidigung (dunkelfarbenes Dschungeltier), die dem Beleidigenden nach § 138 Abs. 1 und 2 ZPO die Aufgabe zuweist, deutlich zu machen, warum dieses rassistische Begriffspaar in diesem speziellen Falle ausnahmsweise nicht rassistisch gemeint gewesen sein soll. Hierzu findet sich in den Darlegungen des Klägers kein Wort. Im Gegenteil zeigen die Stellungnahmen des Klägers, dass er trotz ausdrücklichen Hinweises auf die rassistische Tendenz – jedenfalls auf das rassistische Verständnis – seines Verhaltens an dieser Tendenz festhält oder zumindest so tut, als würde er sie nicht wahrnehmen oder als würde er sie nicht wahrnehmen wollen. Hierfür symptomatisch ist das vom Kläger benannte Beispiel des vom Fußballpublikum als Affen titulierten Oliver Kahn, der alles andere als dunkelhäutig ist. Er hat damals die Bananen und Affenlaute aus dem Publikum wegen seines Verhaltens im Tor bekommen. Das ist auch nicht schön und ebenfalls als Beleidigung zu betrachten, hat aber nichts mit Diskriminierung und insbesondere nichts mit Rassismus zu tun. In die gleiche Richtung weist die Einlassung des Klägers, es handele sich bei „Ugah Ugah“ um ein harmloses Kinderspiel. Tatsächlich hat der Spielehersteller Haba ein Gesellschaftsspiel mit diesem Namen produziert. Ausweislich der Werbung zu diesem Spiel (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 24.01.2018, Bl. 63 d.A.) geht es dort um die „Steinzeitjäger Knochenkalle und Mammutmanni“, also um geistig beschränkte Wilde. Das macht die Äußerung gegenüber dem dunkelhäutigen Zeugen M nicht besser. Gänzlich uneinsichtig und die rassistische Tendenz seines Verhaltens dem Zeugen M gegenüber verstärkend wirkt die Stellungnahme, die der Kläger nach seiner Anhörung durch die Beklagte abgeben hat, wenn er dort durch seinen Prozessbevollmächtigten schreibt, im Betriebsrat sei der Umgangston „hin und wieder flapsig“, das geschehe zur „Auflockerung der Gesprächsatmosphäre“ und gehöre zum „gepflegten Umgang“. Spätestens mit dieser Stellungnahme hat der Kläger deutlich gemacht, dass es hier nicht um ein Spontanversagen, um eine traurige Entgleisung oder um einen bedauernswerten Ausrutscher geht, sondern um eine Manifestation einer rassistischen Grundeinstellung. Als Alternativverhalten, das möglicherweise eine Negativprognose und damit eine Kündigung hätte verhindern können, wäre in dieser Situation noch eine Entschuldigung in Betracht gekommen: „Es tut mir leid; so bin ich nicht; es soll nie wieder vorkommen“. Die Einlassung des Klägers in der Berufungsbegründung hierzu, er brauche keine Reue zu zeigen, denn er habe ja die behauptete Beleidigung bestritten, zeigt ein grundlegendes Missverständnis auf: Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Kläger mit seinem Bestreiten entgegen seiner prozessualen Pflicht aus § 138 Abs. 1 ZPO gelogen hat, dies aber nicht wahrhaben will – so wie damals die vom Kläger selbst zitierten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Cristoph Daum und Bill Clinton. Der Kläger hat zum Kollegen mit dunkler Hautfarbe „Ugah Ugah“ gesagt und deshalb ist von ihm zur Widerlegung der Annahme einer rassistischen Grundtendenz zumindest eine Bitte um Entschuldigung zu erwarten gewesen. Mit seinem wahrheitswidrigen Bestreiten steht auch der Grad seines Verschuldens fest: Er handelte vorsätzlich.

Aufgrund des so angenommenen wichtigen Grundes „an sich“ konnte der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden. Die Prognose, dass sich der Kläger seinen Kollegen gegenüber weiterhin rassistisch-beleidigend äußern wird, ergibt sich aus der Nachhaltigkeit seines Verhaltens: Er war bereits wegen einer Beleidigung eines Kollegen, also wegen einer Pflichtverletzung aus dem gleichen Regelkreis, abgemahnt worden. Er war also gewarnt. Trotz dieser Warnung erlaubte sich der Kläger gegenüber dem Zeugen M die Affenlaute und trotz der Einleitung eines AGG-Verfahrens und trotz einer Aufforderung zur Stellungnahme unter Hinweis auf die Tatsache, dass sein Verhalten als rassistisch empfunden wird, antwortete er bagatellisierend, es handele sich um einen Teil des „gepflegten Umgangstons“ im Betriebsratsgremium. Sein pflichtwidriges Verhalten war beharrlich, seine Selbstwahrnehmung uneinsichtig. Nichts sprach dafür, dass er bereit war, sein Verhalten zu ändern oder an der rassistischen Grundtendenz seiner Kommunikation zu arbeiten.

Die Interessen der Beklagten an der sofortigen Entfernung des Klägers aus dem Betrieb überwiegen die Interessen des Klägers an seinem Verbleib. Die Beklagte führt ein international aufgestelltes Unternehmen. Schon aus wirtschaftlichem Gesichtspunkt hat sie ein vitales Interesse, sich als weltoffen und tolerant darzustellen. Rassistische Kommunikation ist vor diesem Hintergrund in hohem Maße geschäftsschädigend. Abgesehen von diesem wirtschaftlichen Interesse ist die Beklagte nicht nur aus § 241 Abs. 2 BGB, aus § 1, 7 AGG, aus § 75 Abs. 1 BetrVG und vielen anderen Vorschriften verpflichtet, Rassismus in ihrem Unternehmen zu unterbinden, es gehört vielmehr auch zu ihrem schlicht menschlichen Interesse, ihre Mitarbeiter vor diskriminierenden Angriffen zu schützen. Es sind deshalb aus ihrem Blickwinkel keine Gründe ersichtlich, wieso sie der Empfehlung der im Gemeinschaftsbetrieb gebildeten Beschwerdestelle, den Kläger aus dem Unternehmen auszuschließen, nicht folgen sollte.